Erinnern wir uns an den politischen Kontext des Jahres 2004: Die USA hatten geglaubt, in den Irak „Demokratie exportieren“ zu können. Doch die US-Besatzung mit einer gewaltig anschwellenden Welle des Widerstands konfrontiert, die offensichtlich tiefe Wurzeln in der Bevölkerung hatte. Dagegen brachte man politisch das altbekannte Argument des „Terrorismus“ in Stellung.
Das Antiimperialistische Lager initiierte die symbolische Kampagne „10 Euro für den irakischen Widerstand“ , die von Tausenden mit ihrem Namen unterstützt wurde. Damit sollte gezeigt werden, dass der Widerstand gegen die Besatzung, auch der bewaffnete, nicht nur politisch-moralisch legitim, sondern auch durch das Völkerrecht gedeckt war. Die diversen politischen Aktivitäten des Antiimperialistischen Lagers sowie die erzielten Bündnisse und Kooperationen hatten offensichtlich solch ein Potential, dass sich die NSA darüber Gedanken machte.
Konkret lud man unter der höchsten Geheimhaltungsstufe über den internen Newsletter SIDtoday der mit rund 25.000 Mitarbeitern wichtigsten Abteilung des NSA, des Signal Intelligence Directorate, zu einem Sommerseminar ein: „Playing the line between terrorism and political action: the Anti-imperialist Camp“. Folgendermaßen fasste man das politische Problem: „Das in Wien ansässige Antiimperialistische Lager ist vorgeblich eine politische Organisation. Seine Verbindungen zu terroristischen Organisationen und seine Versuche mit muslimischen Extremisten zu kooperieren werfen die Fragen auf, wo politische Aktivität in Terrorismus übergeht und in welchem Ausmaß ansonsten legitime Organisationen terroristischen Organisationen Unterstützung gewähren und deren Handlungsspielraum erweitern.“
Tatsächlich versuchte die USA auf politische, legale und geheimdienstliche Art und Weise gegen das Antiimperialistische Lager vorzugehen. „44 US-Abgeordnete richteten einen Brief an die italienische Regierung, dass Campo antimperialista zu verbieten.“ In der Folge nahm die Polizei „drei Exponenten in“ Untersuchungshaft, die aber alle wieder freikamen und „nach sechs Jahren freigesprochen“ werden mussten. Politisch isolierende Wirkung zeigten die Maßnahmen dennoch. Dass es auch illegale geheimdienstliche Maßnahmen gab, geht aus einem Prozess gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes SISMI, Gianluca Preite, hervor, der wegen eines Kreditkartenbetrugs in Ungnade gefallen war. Dieser war in die Kommunikation der Organisation eingedrungen, um ihr die Unterstützung von Entführungen im Irak zu unterschieben. Weitere Details wurden nie bekannt, da der Prozess mittels eines maßgeschneiderten Gesetzes abgebrochen wurde.
Tatsächlich war damals das Gegenteil der Fall. Das Campo hatte versucht über den irakischen Widerstand italienische Geiseln zu befreien. Das war als politische Geste für die Friedensbewegung und gegen die Berlusconi-Regierung gedacht. Diese wiederum tat alles, um das zu verhindern. Scheinbar zahlte sie schließlich Lösegeld, was die USA in Rage brachte, die ein Ausscheren ihrer Verbündeten im Irak nicht dulden wollte. Schließlich wurde der Vizechef des SISMI, Calipari, von US-Soldaten im Irak „aus Versehen“ getötet.
Lehren für heute
Auch wenn der irakische Widerstand letztlich an seinen inneren Widersprüchen zugrunde ging zeigt die Episode, dass eine Solidaritätsbewegung wirksam sein kann.
Man muss allerdings mit Repression rechnen, die über die legalen Grenzen hinausgeht. Gegenwehr dagegen geht nur politisch: nämlich einerseits möglichst breite Solidarität mit dem antiimperialistischen Widerstand und andererseits Verteidigung der Bürgerrechte.
Daher ist die Causa Snowden, die Kampagne gegen den Überwachungsstaat und die Verschärfungen mittels Terror-Hysterie so wichtig.
Das Snowden-Archiv mit dem ersten Teil der SIDToday-Ausgaben