Es gibt mehrere Gründe für das Scheitern, die alle bearbeitet werden müssen. Hier wird einer dieser Komplexe aufgegriffen, der natürlich an vielen Stellen mit den anderen verbunden ist. Sozioökonomische und methodisch-epistemologische Fragen können nur am Rande gestreift werden. Es geht darum, ein revolutionäres and transformatives (das ist nicht das gleiche) Subjekt zu konzipieren. Dabei interessiert vor allem, warum die zum Teil erfolgreichen Revolutionen die Transformation, trotz beeindruckender zwischenzeitlicher Erfolge, dann nicht schafften.
Zunächst einmal die Fragestellung, um dann darauf einige Thesen aufzubauen:
Die russische Revolution ist bestimmend für das ganze 20. Jahrhundert. Der Leninismus stellte sich selbst in die Tradition des orthodoxen Marxismus. Es ist aber offensichtlich, dass er in entscheidenden Fragen einem tiefen Bruch, nicht so sehr mit Marx, sondern mit dem damals kanonisierten Marxismus darstellte. Rückblickend kann man sagen, dass er die hervorragende Balance zwischen Blanqui und Gramsci darstellt. Die revolutionäre, gewaltsame Aktion einer organisierten Minderheit, die den Lauf der Geschichte verändert, jedoch auf der Basis der Hegemonie innerhalb der Mehrheit. (Siehe dazu auch die Seminar-Debatte über die Leninsche Nationalitätenpolitik, wo dieser politische Hegemonie bisweilen auch mittels Verzicht auf staatliche Kontrolle erreichen wollte.) Dieses Gleichgewicht zu finden, das ist die Kunst des Aufstands – da hilft Wissenschaft nicht mehr weiter.
Der Bruch mit der Orthodoxie erfolgte gleich mehrfach. Was uns hier interessiert, ist das Klassenbündnis mit der Bauernschaft vermittelt über die Soldaten. Das war ein absolutes Novum. Verdrängt war die abstrakte Hegelei vom Proletariat, dass die Menschheitsinteressen verwirklichen würde. Aber auch der Positivismus der deutschen Sozialdemokratie, die schlicht das Wachstum der Arbeiterklasse im Rahmen des Kapitalismus als graduelles Hinüberwachsen in den Sozialismus ansah. Alles war basiert auf eine konkrete und sehr feine Analyse der Widersprüche. So übernahm eine sozialistische Kraft die Macht auf der Basis eines Programms, das lediglich Landverteilung, Ende des imperialistischen Krieges (Frieden) und ganz allgemein eine bessere Lebenssituation für die breiten Massen (Brot) versprach. Hier kristallisieren zwei entscheidende Lehren: Das revolutionäre Subjekt formiert sich aus den subalternen Klassen, die durch konkrete Widersprüche in Bewegung kommen und nicht notwendig das industrielle Proletariat als Kern haben (in China und Kuba wurde das später nochmals bestätigt) und genauso sind die Ziele nicht notwendig sozialistisch, sondern Interessen der subalternen Klassen, die die jeweilige Form des Kapitalismus und seiner Führung nicht zu verwirklichen fähig oder bereit ist.
Wir haben uns bereits von völlig irreführenden Teleologie der Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt sowie seiner Ausflachung im sozialdemokratisch-positivistischen Reformismus distanziert. Das hatte bereits Lenin erledigt. Doch er starb sehr früh und konnte das Werk der Transformation Richtung Sozialismus nur beginnen, doch keinerlei Ergebnisse reflektieren. (Dennoch problematisierte er bereits trotz der unbestreitbaren Erfolge der NEP einige ihr innewohnende Tendenzen.) Sein Tod bedeutete eine historische Zäsur, die tiefste bis zur finalen Konterrevolution 1989/91.
Um was es hier geht, ist, dass der Arbeiterklasse nicht nur die Aufgabe des Umsturzes und der Machtergreifung zugeschrieben wurde, sondern – noch viel größer und umfassender – die Aufgabe der Transformation. Diese beiden Aufgaben hängen natürlich zusammen, sind aber nicht das gleiche. Daran ist sie und vor allem die postleninistische, realsozialistische Führung total gescheitert. Der Leninismus selbst, steht hier allerdings nicht so sehr auf dem Prüfstand (wenn indirekt), sondern insbesondere der Stalinismus, der jedoch eine sehr vielfältige und widersprüchliche Formation ist.
Schon bei Marx wird klar, dass der Arbeiter in der einzelnen Fabrik nicht ausreicht. Er begleitet ihn mit dem general intellect. Im 20. Jahrhundert wird dieses Verhältnis vielfach und in einigen Varianten diskutiert, zwischen den Extremen des fordistischen Massenarbeiter (engste Fassung) bis zur Negrischen Multitude (weiteste Fassung), die jedoch in ihrer Defizienz eine Kontinuität aufweisen.
In der UdSSR war das Proletariat bereits mit dem Sieg im Bürgerkrieg erschöpft und hatte nach dem Sieg seine Rolle verloren. Lenin reagierte mit der NEP, bei der die kommunistische Partei eine kapitalistische Agrarökonomie mit privater ursprünglicher Akkumulation im Zaum halten sollte. Die Idee war direkter Ausdruck der leninistischen Konzeption: Die winzige Minderheit der Bolschewiki sollte gegen den Willen der übergroßen Mehrheit die Macht halten, bis das westliche Proletariat siegen und auch sozioökonomischen Entsatz herbeiführen würde. Das war als extreme temporäre Maßnahme gedacht, analog zur Gewalt eines revolutionären Aufstands. (Hier setzt die vernichtende Kritik meines langjährigen politischen Weggefährten Moreno Pasquinelli ein, der Trotzki als Zwerg bezeichnet, weil er das Leninsche Testament nicht vollstreckte. Aus Moralismus weigerte es sich die Parteiführung zu übernehmen, was damals wohl noch auf demokratischen Weg möglich gewesen wäre, zur Not aber auch mit militärischen Mitteln, was selbst Trotzki einräumte – so auch die Kritik Joffes in seinem Abschiedsbrief.) Doch die Revolution im Westen scheiterte und Russland war allein unter der neuen Führung Stalins.
Der Kern des Bolschewismus wollte die ursprüngliche sozialistische Akkumulation (Preobratschenski) durch behutsame Ablöse der NEP mittels Industrialisierung. Das Triumvirat Stalin, Sinowjew und Kamenjev verweigerte und hielt an der NEP fest, aus fraktionellen Erwägungen. Nicht nur aufgrund der so provozierten Agrarkrise machte Stalin in der zweiten Hälfte der 20er Jahre einen für sein System typischen 180-Grad-Schenk. (Siehe hier auch die Seminardebatte über Plan und Markt.) Er liquidierte die Opposition und führte ihr Programm durch, aber nicht behutsam und schrittweise, sondern mit aller Brutalität und Hast. Folge war eine noch größere Agrarkrise und die Industrialisierung, die zur völligen Entfremdung der breiten Masse führte.
Entstanden ist die totale Trennung zwischen Proletariat und general intellect, der exklusiv durch die staatliche Bürokratie gestellt wurde, die wiederum in einer Ein-Mann-Diktatur gipfelte. Nur der Zweite Weltkrieg konnte das System retten und wie einen Phönix aus der Asche steigen lassen.
Diese extreme Proletarisierung zeigt ex negativo, dass das nackte Proletariat keine transformative Fähigkeit hat.
Lenins temporäre Diktatur der Partei wurde zur Quintessenz des Stalinismus, zu einer eigenen historischen Formation. Isaac Deutscher hoffte nach dem Krieg darauf, als der Sieg und die Industrialisierung auf breiter Front die äußeren Zwänge erheblich gemildert hatten, dass es nach dem Tod Stalins zu einer Selbstreform des Regimes der Bürokratie kommen würde. Sie kam tatsächlich, aber nicht in Richtung Sozialismus, sondern Schritt für Schritt Richtung Rückkehr zum Kapitalismus. Die Intelligenz/Bürokratie hatte sich endgültig verselbständigt. (Wenn Orban heute von den kommunistischen Kapitalisten spricht, so hat er in einer gewissen Weise recht damit.)
Letztlich führt das Problem auf die Beziehung zwischen subalternen Massen und revolutionärer Intelligenz bzw. staatliche Bürokratie, in diese sich jene nach der Machtergreifung unweigerlich wandelt, zurück. Die Intelligenz ist eine Art sozialanthropologische Konstante. Sie spielt für jede herrschende und nach Herrschaft strebende Klasse eine entscheidende Rolle, obwohl sie eine gewisse Eigenständigkeit aufweist und eigene Interessen entwickeln kann. Lenin hat mit seiner Partei, die das Klassenbewusstsein von außen ins Proletariat trägt, überhaupt keinen Schutzmechanismus vorgesehen. (Später wurden seine Kontrollinstanzen gar zu den Hauptinstrumenten der Bürokratisierung.) Gramsci spricht vom organischen Intellektuellen, aber das bezieht sich vor allem auf die vorrevolutionäre Phase. Die Verbindung zwischen den beiden und die Kontrolle der Subalternen über die Intelligenz bleibt für die Übergangsgesellschaft eine entscheidend wichtige Frage.
Mit dem im Westen gerne verwendeten Begriff der Arbeiterdemokratie lässt sich die Frage nicht in den Griff bekommen, denn dieser ist abstrakt. Konkret ist, dass die Übergangsgesellschaften, auch in Zukunft, immer dem Druck des sozioökonomisch überlegenen Imperialismus ausgesetzt sein werden. Eine liberale Demokratie westlichen Zuschnitts wird als nie möglich sein. Es geht einerseits darum zunehmend den general intellect mit den subalternen Produzenten zu verschmelzen, d.h. die scharfe Trennung von Proletariat und Intelligenz aufzuheben, die zunehmend am Staat zu beteiligen, auch zur qualitativen Entwicklung der Produktivkräfte. (In der UdSSR war das Gegenteil der Fall, qualitativ über das durch die globale Frontstellung hinaus notwendige Maß. Darum kam sie über die extensive Industrialisierung in Form einer Kommandowirtschaft nicht hinaus.) Das erfordert wiederum eine Form der Demokratisierung und dem damit einhergehenden Dissens, auch in organisierter Form – dazu später.
Hier will ich den Umweg über den Begriff der Inhomogenität machen. Marx ging von der homogenisierenden Wirkung des Kapitalismus aus – die am meisten fortgeschrittenen Länder zeigten den rückständigen den Weg. Das Gegenteil war der Fall. Zumindest die sozialistischen Versuche entstanden allesamt an der Peripherie und der Kapitalismus dort nimmt einen völlig anderen Weg als im Westen, nicht trotz, sondern gerade wegen der Verschmelzung zu einer Weltgesellschaft. Aber auch der Sozialismus hatte diese homogenisierende Vorstellung zur sozialistischen Weltrepublik. Aufhebung der Arbeitsteilung, völlige gesellschaftliche Transparenz und damit Verschwinden von falscher Ideologie und Religion in einer klassenlosen homogenen Weltgesellschaft.
Die historische Realität der Weltgesellschaft, sowohl der kapitalistischen als auch jener des Übergangs, ist und bleibt strukturelle Ungleichheit und Inhomogenität. Das Zentrum-Peripherie-Verhältnis bleibt bestimmend und damit auch die soziokulturellen Differenzen, die offensichtlich etwas Irreduzibles enthalten. Es blieb der Postmoderne auf die Differenz hinzuweise, wendete diese jedoch gegen den Sozialismus. Die organische Inhomogenität, nicht nur global sondern auch in nationalen oder auch anderen identitären Untereinheiten, ist unbedingt in Rechnung zu stellen. Anders gesagt bedeutet die Anerkennung des Anderen die Voraussetzung der Affirmation des revolutionären Projekts. Der Alleinvertretungsanspruch und die daraus resultierende erzwungene Homogenisierung lässt de facto die Avantgarde verschwinden.
Das bringt uns zur Rolle der Partei. Deren Notwendigkeit ergibt sich auch nach der Machtübernahme aus dem Eingeständnis der Heterogenität der Übergangsgesellschaft.
Die zentrale Idee der Leninschen Partei, Organisator der Aktion der revolutionären Avantgarde zu sein, bleibt gültig. Die Schwäche liegt im Status, den sie sich anmaßt. Das hängt einerseits mit der überhöhten Rolle der Intelligenz in der russischen Gesellschaft zusammen, die Lenin zur Konzeption bringt, dass sozialistische Projekt müsse von außen ins Proletariat getragen werden. In Gesellschaften mit einer weniger starken Abtrennung von Werktätigen und Intelligenz, wie sie im Zentrum aber auch in der Zentrumsperipherie üblich ist und vielfach von einer massenhaften Präkarisierung betroffen ist, mag diese Mauer nicht mehr so unüberwindlich sein. Andererseits, und hier liegt das Hauptproblem, war da der Anspruch auf die absolute Wahrheit und die alleinige Repräsentation des revolutionären Subjekts. Das geht auf eine unhaltbare und gefährliche Epistemologie zurück, die sich zwischen Positivismus und vorkantianischen Objektivismus bewegt. Es bedurfte scheinbar des Scheiterns eines welthistorischen Versuchs um diese Gewissheit zu erschüttern. Auf den zutreffenden Vorwurf Löwiths der säkularisierten Heilserwartung konnte man nur empört auf der absoluten Wahrheit beharren, die historisch falsifiziert wurde. So machte man sich zum leichten Opfer der Postmoderne. Dabei liegt zwischen hegelianischem Jung-Marx und positivistischem Alt-Engels in den Feuerbach-Thesen eine brauchbare epistemologische Grundlage beschlossen. In den Sozialwissenschaften kann es keine absolute und objektive Wahrheit geben, sondern Erkenntnis ist immer und grundsätzlich mit Interessen der Subjekte verbunden. Das darf nicht zu einem postmodernen Erkenntnisskeptizismus führen, denn es bleibt das Kriterium der gesellschaftlichen Praxis, aber immer post festum und nicht reproduzierbar. So enthält gesellschaftliches Handeln immer ein Element des Willens, der Hoffnung, des Glaubens, das nicht mit positiver und objektiver Wissenschaft belegt werden kann. So erhält Kultur und Religion einen neuen Platz, doch das ist ein Thema, das eigenständig gehandelt werden müsste.
Es ist daher ein Unding, wenn die Partei zu einer Instanz der Wissenschaft oder gar Philosophie wird. Sie muss sich auf Politik beschränken, aber dafür bedarf sie der kritischen Methode und der freien Diskussion, sonst kann sie als revolutionäre Kraft nicht überleben. Das zumindest in der Regel, insbesondere auch nach der Machtergreifung. Das bedeutet in der Konsequenz auch, andere Parteien zuzulassen, solange sie nicht akut die Existenz der Übergangsgesellschaft gefährden.
Thesen:
1) Inhomogenität: Der Imperialismus ist die Grundstruktur des kapitalistischen Weltsystems. Revolutionäre Projekte kommen in aller Regel von der Peripherie und bauen auf unterlegenen sozioökonomischen Verhältnissen auf. Daraus ergibt sich, dass Übergangsgesellschaften immer von Inhomogenität geprägt sein werden und in weiterer Folge eine revolutionäre Avantgarde notwendig ist, um die Transformation voranzutreiben. Das bedeutet aber im Umkehrschluss große bremsende Sektoren, die im Sinne der Erlangung der Hegemonie einbezogen werden müssen. Repression kann die akute Ausnahme aber nicht die Regel sein.
2) Leninismus: Eine Lehre der Oktoberrevolution, die für einen sozialistischen Neuanfang gültig bleibt, ist, dass die revolutionäre Vorhut stellvertretende für die Mehrheit handeln kann und muss, sowohl in der Offensive als auch in der Defensive. Sie muss dabei aber immer die Position und Entwicklungsrichtung der Mehrheit (der Subalternen) mit bedenken und kann nicht losgelöst subjektivistisch handeln. Der Übergang zum Sozialismus kann ohne strukturelle Hegemonie nicht erfolgreich sein. Um Umkehrschluss kann das bedeuten, dass der geordnete Rückzug die bessere Variante sein kann (Ungarn 1956).
3) Hegemonie: heißt im weitesten Sinn die Zustimmung und Beteiligung der Mehrheit. Das erfordert wachsende Partizipation, Demokratie, die Möglichkeit auf Dissens und Differenzierung. Die äußere Bedrohung ist eine Realität, die strukturell einzubeziehen ist, die aber nicht dauerhaft das Hegemonieprojekt untergraben darf – sonst droht der Untergang wie am Beispiel der UdSSR.
4) Überlegenheit der Übergangsgesellschaft als Voraussetzung für Hegemonie: Sozialismus in einem Land ist weder möglich, noch das Ziel. Doch eine Übergangsgesellschaft sehr wohl. Die genannten politisch-kulturellen Voraussetzungen stehen in Wechselwirkung zur sozioökonomischen Entwicklung. Ohne Demokratie und Hegemonie gibt es in historischer Dimension keine Möglichkeit, trotz des Unterlegenheit der sozioökonomischen Ausgangsbasis, ein Modell der Entwicklung zu formieren. Überholen ist kein Ziel, sondern eine andere Entwicklung. Hier muss die Übergangsgesellschaft ihre umfassende Überlegenheit belegen, aber nicht nach kapitalistischen Kriterien.
5) Neue revolutionäre Zentren und internationale Ausbreitung: Ein neues sozialistisches Projekt ist nicht überall im gleichen Maße möglich, sondern wird in bestimmten Knotenpunkten entstehen. Von diesen wird ein neuer internationaler revolutionärer Prozess ausgehen. Dabei geht es darum zu verhindern, dass die Schwierigkeiten der Übergangsgesellschaft mit ihren unweigerlichen Sonderinteressen diesen Prozess zu sehr moderieren, blockieren oder gar zum Erliegen bringen, wie das im 20. Jahrhundert der Fall war (zum Beispiel die spanische Republik).
6) Wider die Geschichtsteleologie: Es gibt keine in der Geschichte beschlossene historische Rolle der Arbeiterklasse. Die hegelianische Begriffsspielerei von Klasse an sich und für sich führt auf Irrwege. Ein sozialistisches Projekt kann jedoch in den subalternen Klassen entwickelt werden (nicht hineingetragen), vorzugsweise dort, wo die Widersprüche am größten und die Bedingungen am besten sind. Welche Gruppen und Schichten der Subalternen die treibende Rolle erlangen, hängt von ganz konkreten und veränderlichen Umständen ab. Ohne Teile der Intelligenz ist keine soziale Revolution möglich. Doch diese muss möglichst mit den revolutionären Massen verschmolzen und kontrolliert werden. Gefahr der Verselbständigung gibt es aber immer.
7) Aufhebung der Arbeiterklasse als Notwendigkeit des Übergangs: Das gilt noch mehr für die Transformationsgesellschaft. Die Arbeiterklasse und die anderen Unterklassen und Teile der Mittelschichten und Intelligenz muss in den Staat hineinwachsen, die notwendige Bürokratie kontrollieren und sich mit ihr verbinden, sich letztlich als Proletariat auflösen. Denn als solches hat es die Fähigkeit zum Übergang nicht.
8) Revolutionäre Partei soll nicht Staatspartei sein: Der revolutionären Partei kommt dabei eine hervorragende Rolle zu, die diese auf Dauer nur spielen kann, wenn sie nicht mit dem Staatsapparat verschmilzt, sondern Avantgarde inner- und außerhalb desselben bleibt. Denn die Bürokratie ist in einem über viele Stufen vermittelten Sinn Resultante der verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte, auch der konservativeren, die im besten Fall ebenfalls politische Artikulation bekommen. Nur mittels dieser Differenzierung ist es möglich, dass die Partei revolutionär bleibt und nicht umgekehrt zum Instrument der Bürokratie und ihren Eigeninteressen wird, wie es in der Sowjetunion der Fall war.
9) Neosozialistische Parteien: Wenn die politische Praxis das oberste Kriterium der Erkenntnis ist, was für mich die epistemologische Ausgangsbasis ist, dann kann es gar nicht anders sein, als dass heute bei allen Sozialisten und Kommunisten größte Zersplitterung herrscht. Denn sie wurden allesamt falsifiziert. Niemand konnte die historische Niederlage abwenden. Die Entwicklung einer neuen revolutionären Partei ist nicht Voraussetzung oder Vorbedingung für den Kampf für ein neosozialistisches Projekt, sondern wird sich erst in diesem herausbilden. Sie braucht Erfolge in der Praxis. Dafür sind zahlreiche verschiedene Zusammenschlüsse auf diversen Ebenen nötig. Wichtig ist auf den Alleinvertretungsanspruch zu verzichten, der sich aus dem Standpunkt der absoluten Wahrheit ergibt. Das heißt keineswegs auf unsere Position zu verzichten, allerdings unter Inrechnungstellung ihrer Subjektivität und Bedingtheit. Erst die Machtergreifung schafft zwei Zentren, Pole, die sich danach wieder in eine Vielheit entspannen.