Der gemeinsame Nenner dieser Aufstände war und ist immer noch die soziale Frage.
Jetzt, sieben Jahre nach dem Beginn der Revolution Ende 2010, entflammt die soziale Bewegung wieder und zwar in den gleichen Regionen und Vorstädten, die historisch immer nachbeteiligt waren, mit den gleichen Forderungen: Arbeit, soziale Gerechtigkeit und Absicherung.
Die letzten Aufstände im Jänner 2018 wurden durch die Medien der herrschenden Elite auf die „Sicherheitsfrage“ reduziert und teilweise brutal niedergeschlagen mit hunderten Festnahmen. Politisch wurde es zur Abrechnung mit der linken „Volksfront“, die als „chaotische“ Truppe bezeichnet wurde, dieses Mal nicht nur von der Elite, sondern auch von der Islamisten-Partei „Ennahda“.
In diesen sieben Jahren hat die alte Elite langsam aber sicher ihre Machtposition zum Großteil zurückerobert und die gleichen wirtschaftlichen Optionen verfolgt.
Die alte Elite, die einige Zugeständnisse machen hatte müssen (Meinungsfreiheit, neue Verfassung, Wahlen…), schaffte das erstens dank vieler Fehler der tunesischen Linken. Diese hat sich in den ersten Jahren mehr um den Konflikt mit den Islamisten auf Basis der „identitären“ Fragen gekümmert, während sie den Kern der sozialen Frage vernachlässigte. Und zweitens durch Kompromisse mit „Ennahda“, die von der alten Elite in die Regierung geholt wurde.
Realistisch gesehen kann die alte Elite ohne die Islamisten nicht regieren, die Islamisten ohne sie auch nicht. Pragmatisch gesehen gibt es in wirtschaftlichen und sozialen Frage kaum Unterschiede zwischen den beiden.
Taktisch gesehen scheint es so, dass die Islamisten das ägyptische Beispiel vor Ihren Augen sahen, selbst wenn ihre Kompromissbereitschaft auch vor dem Putsch Al-Sisis größer war.
Heute ist die stärkste Partei in Tunesien, „Ennahda“, mehr oder weniger Teil des Systems und versucht die soziale Frage durch die gleiche Methode wie jene des alten Regimes zu lösen (Schulden, Privatisierung und Almosen).
Immer wieder beweisen die Ereignisse in Tunesien, dass diese Bewegung im Kern sozial ist und dass „nur“ die Meinungsfreiheit und die Wahlen das Problem nicht lösen, auch wenn sie die Explosion verzögern. Denn die Revolution ist noch präsent in Tunesien und hat noch nicht verloren.
01.02.2018