Am 13.10.2015 fand in Wien im Vereinslokal der „ANATOLISCHEN FÖDERATION ÖSTERREICH“ eine Polizeirazzia statt. Der hierfür notwendige Hausdurchsuchungsbefehl wurde von der Staatsanwaltschaft Wien mit Ablaufdatum 31.21.2015 ausgestellt. Zeitgleich im Rahmen der Razzia wurde eine Person in Neunkirchen, eine Person in Innsbruck und 5 Personen in Wien festgenommen. Bei den Festnahmen wurde manchen mündlich angedroht, sie werden, wenn sie nicht kooperieren, wie einst die linken türkischen Genossen Yusuf TAS und Özgür ASLAN nach Deutschland ausgeliefert. Evin TIMTIK, Vorstandsmitglied der „ANATOLISCHEN FÖDERATION ÖSTERREICH“ ist eine davon. Ihr wurde der Konventionspass seit März 2015 mit der Begründung, dass sie eine Gefährdung für die innere und äußere Sicherheit sei, nicht mehr verlängert. Seit sehr langer Zeit fordert sie vor dem Parlament die Wiedererlangung ihres Passes. Als sie am 13.10. ein Zelt für ihre Aktion anmelden wollte, wurde sie vor dem Gebäude der Landespolizeidirektion Wien von 3 Beamten des Verfassungsschutzes festgenommen.
Bei der Hausdurchsuchung besagten Vereinslokals wurden Festplatten, Handys, Spenderboxen, Rechnungen, Einzahlungsbelege, DVDs, CDs, Transparente und Flugblätter mitgenommen. Nach der Razzia wurde bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige erstattet. Diese sah dann einen Grund die angeführten Personen nach §278a sowie §282 (Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen oder kriminellen Organisation sowie Gutheißung terroristischer oder krimineller Straftaten) anzuklagen. Aufgrund der beschlagnahmten Utensilien behauptet die Staatsanwaltschaft Wien, dass die „ANATOLISCHE FÖDERATION ÖSTERREICH“ ein Tarnverein der terroristischen DHKP/C („TÜRKISCHE VOLKSBEFREIUNGSFRONT“) sei. Als Anklagepunkte wurde folgendes angeführt:
Mehrere Aktionen der „DHKP/C“ in der Türkei, mit welchen die „ANATOLISCHE FÖDERATION“ weder personell noch organisatorisch im Zusammenhang steht.
Bei der traditionellen Demonstration am 1.Mai 2015 in Wien hätten Angehörige besagten Vereines Banner mit Bildern der „DHKP/C“ Aktivisten BAHTIYAR DOGRUYOL und SAFAK YAYLA, die Anfang März 2015 den Staatsanwalt MEHMET SELIM KIRAZ in einem Istanbuler Gericht als Geisel genommen haben, getragen haben. Außer dem Banner sollen die Demonstranten auch in grüne Uniformen und roten Halstüchern, welche als „DHKP/C“ „Uniform“ interpretiert werden, aufgetreten. Am 8.Mai 2015 wurde bei einer Veranstaltung bei der „ANATOLISCHEN FÖDERATION ÖSTERREICH“ über die Aktion berichtet und es wurden im Lokal Bilder von den ermordeten Aktivisten ausgestellt. Weiterer Vorwurf ist das Verbreiten der Zeitung „YÜRÜYÜS“, welche in Deutschland verboten ist und die Bezugnahme auf die Internetseite „Halkin Sesi TV“.
Die „DHKP/C“ steht auf einer EU-Terrorliste und ist in einigen Ländern der EU verboten. In Österreich ist sie offiziell nicht vertreten. In Österreich gibt es legale linke türkische Vereine, welche mit der „DHKP/C“ aber organisatorisch nicht im Zusammenhang gebracht werden können. Daher steht die „DHKP/C“ in Österreich auf keiner Terrorliste.
Von den Aktivisten der „ANATOLISCHEN FÖDERATION ÖSTERREICH“ wird ausschließlich legale politische Tätigkeit ausgeübt. Die grundsätzliche Aktivität ist die legale scharfe Kritik an der ERDOGAN-Präsidialdiktatur in der Türkei. Alle damit im Zusammenhang stehen Aktionen in der Öffentlichkeit wurden immer polizeilich angemeldet und auch genehmigt. Somit kann gesagt werden, dass die Aktivisten besagten Vereines für sich die in der österreichischen Bundesverfassung verankerte freie Meinungsäußerung in Anspruch nahmen. Seit wann steht die freie Meinungsäußerung unter Terrorverdacht? Das kann es sicher nicht sein. Denn wenn die freie Meinungsäußerung unter Terrorverdacht stehen würde, könnte keine einzige Demonstration, Kundgebung und Diskussionsveranstaltung in der Öffentlichkeit stattfinden.
Somit kann gesagt werden, dass die vorliegende Anklage auf „Solettibeinen“ steht und ein profunder Strafverteidiger diese salopp gesagt „in der Luft zerreißen“ würde.
Zeigen wir daher den Angeklagten unsere uneingeschränkte Solidarität und bringen wir auch zum Ausdruck „WO UNRECHT ZU RECHT WIRD, WIRD WIDERSTAND ZUR PFLICHT“.