Site-Logo
Site Navigation

Replik II auf: 2018 – 1818: Karl Marx – der Intellektuelle, der „Sozialismus“ und die Geschichte

Zum 200. Geburtstag von Karl Marx, 5. Mai


28. April 2018
Von Boris Lechthaler

Zur Diskussion um die Bedeutung des 200. Geburtstages von Karl Marx, Antwort an A. Reiterer


Dein Aufsatz macht das Marx-Jubliäum samt seiner offiziellen Peinlichkeiten etwas erträglicher…

Besonders Deine Überlegungen zu den Intellektuellen und der Herausbildung eines emanzipativen (revolutionären) Subjekts zeigen auf Kernfragen unseres Tuns. Auf einen Aspekt möchte ich aufmerksam machen: „Die Ingenieure, die Buchhalter oder die EDV-Menschen“ sind sicherlich nicht die Intellektuellen. Aber m. E. sind es mehrheitlich jene Schichten, deren Anbindung an den Herrschaftswillen, die Intellektuellen, aus Perspektive der dominanten Klassen, gewährleisten müssen.

Für die Arbeiter/innen hat man den Antiintellektualismus der Rechtsextremen. Ich habe verschiedentlich den Begriff der staatsnahen Bildungsschichten verwendet, bin aber nicht sicher, ob er zutreffend und handlungsstiftend ist. Gemeint sind Menschen, die über mittlere und höhere Bildungsabschlüsse verfügen und einen unverzichtbaren Part im Sinne eine erweiterten Reproduktionszusammenhangs spielen, der wesentlich über öffentliche Kassen organisiert wird. Für ihre konkrete gesellschaftliche Arbeit ist intellektuelle Reflexion Teil des Alltags. Sowohl wenn ihre herrschaftsstabilisierenden Muster definiert werden, als auch in der Begründung, warum sie sich da und dort immer wieder widersetzen, spielt die intellektuelle Reflexion eine unverzichtbare Rolle.

Die „Arbeiterklasse“ konnte argumentieren, dass ihre Forderung nach Wohnung, Kleidung, Nahrung, Ausdruck allgemein-menschlichen Interesses sei. Der Lehrer, sicherlich vielmehr noch z. B. die Künstlerin u.v.a. muss das erst beweisen.

Der Bruch mit dem EU-Regime ist wie auch immer m. E. nur als politisch revolutionäres Ereignis denkbar. Ist das die soziale Revolution, die eine neue Stufe der Menschheitsentwicklung einläutet, in der eine Klasse die andere Klasse aus ihrer hegemonialen Rolle hinauswirft. Konkret kann ich mir ein derartiges Ereignis nur aus und in Herstellung eines historischen Bündnisses vorstellen.

* sicherlich die Arbeiterklasse, die Industriearbeiterschaft. Aber nicht ohne die Anbindung an die Exportstärke ihrer Lohnherren mitzudenken. Die Arbeiterklasse ist sicherlich auch geeignet, reaktionärste Herrschaftsformen zu legitimieren.

* die von mir so titulierten staatsnahen Bildungsschichten. Deren unmittelbare Interes-sen sind unmittelbar mit der Größe des öff. Sektors verbunden. (ein schönes Beispiel liefern die Proteste des Justizapparats. Freilich „Sie haben Gefängniswärter und Richter, die viel Geld bekommen und zu allem bereit sind ….“ Aber man kann auch nach effizienter Verfolgung der Korruptionisten rufen, oder problematisieren, dass wir eine Justiz haben, die von den Gebühren lebt)

* KMUs incl. der Bauern

* Fraktionen des Finanzkapitals

Ohne intellektuelle Reflexion ist ein derartiges Bündnis völlig undenkbar. Gleichzeitig er-fordert ein derartiges Bündnis einen Strauss an Intellektuellen. Es muss aus verschiedenen Seiten formuliert werden, damit es lebensfähig wird. Eine Revolution aus dieser Perspektive zu denken, verwehrt sich aber auch gegen eine Wiederholung intellektueller Arroganz. Dieses Bündnis zu argumentieren, zu vermitteln, und in konkreten legislativen Maßnahmen zu realisieren, ist Kriterium ihrer Lebensberechtigung.

Das Argument, Hohe Priester eines eindeutig definierten revolutionären Subjekts zu sein, und nicht Makler eines schwierig zu erringenden Bündnisses für eine emanzipative Tat, entzieht den Intellektuellen, wie Du schreibst, „der Kontrolle durch die Bevölkerung“ Unser aktuelles Erfordernis ist zweiteres. Jetzt hab ich mich dabei ertappt, mich zu den Intellektuellen zu zählen. Jedenfalls ist das Fehlen einer bündnispolitischen Konzeption eine der desaströsen Schwächen aller aktuellen revolutionären und alternativen Konzepte. Oberflächlich könnte man ja unseren Ansatz als Reanimation des Wimmer’schen „Sozialismus in Österreichs Farben“ verstehen. Das instrumentelle Verhältnis zu den Verbündeten, das hier an allen Ecken und Erden durchschimmert, macht es allerdings unbrauchbar.

Thema
Archiv