Mit tr. Dolmetscherin, keine Vorstrafen.
R. (Richterin): Bezirksgericht Liesing wegen eines Verkehrsunfalls 2017 zu einer Geldstrafe verurteilt, aber die Strafe ist so gering, daß sie im Leumundszeugnis nicht aufscheint. Er gilt für uns heute als unbescholten. Wenn Sie heute verurteilt werden, geht es um eine Tat, die vor diesem Urteil war. Wenn es zu einer Verurteilung kommt, müßte eine … Strafe einberechnet werden (?).
A. (Angeklagter): Die Polizei hat gesagt: Wenn Sie nicht eine Aussage machen, wie sie (sc. Die Polizei) es gerne hätte, bekomme ich eine höhere Strafe!
R.: Ich zweifle das ein bißchen an. – Für uns gilt er als unbescholten.
A.: Alkohol am Steuer und ein politisches Verfahren haben nichts miteinander zu tun.
R. Er wird als Angeklagter einvernommen. Sie wissen, was Ihnen vorgeworfen wird? Sie sollen bei dieser Demonstration mitgegangen sein und die DHKP-C und ihre Straftaten gutgeheißen haben (kann die Abkürzung, auch in der deutschen Aussprache, nur mit Mühe aussprechen; künftig mit D. abgekürzt). Dieser Marsch ist von der D. veranstaltet worden.
A.: Woher wissen Sie, daß diese Organisation etwas mit der D. zu tun hat?
R.: Bei der Demonstration wurden Bilder von Terroristen und einem Gründer der … hochgehalten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat längere Zeit ermittelt und sieht die Anatolische Föderation (künftig AF) als einen Dachverband an. Grundsätzlich 1. Punkt: Wichtig ist, daß Bilder von Terroristen hochgehalten werden.
A.: Die AF hat nichts mit diesem Verein zu tun.
R.: Wie können Sie sich dann erklären, daß bei der Demonstration der AF (sie wird lauter) Bilder von Terroristen hochgehalten werden? Das Bundesamt für Verfassungsschutz (?) weiß von dem Terroranschlag in Istanbul, wo ein Staatsanwalt erschossen wurde. Der Terrorist wurde hier hochgehalten. Können Sie sich das erklären?
A.: Ich habe kein Recht, über andere zu reden.
R.: Sie haben bei der Polizei gesagt, Sie würden über den Verein auch nicht mit mir sprechen. Wollen Sie heute über den Verein etwas sagen?
A.: Die meine Aussage aufgenommen haben, das waren Leute vom Bundesverfassungsschutz.
R: Mich interessiert: Wollen Sie mit mir darüber sprechen? Wollen Sie heute über den Verein etwas sagen?
A.: Meiner Meinung nach ist dieser Verein einer, der Veranstaltungen und Konzerte macht.
R.: Ist das eine politische Einrichtung?
A.: Kein Verein, der über Politik redet, aber er hat auch mit Politik zu tun.
R.: Was hat dieser Verein mit der D. zu tun, oder hat er nichts mit ihr zu tun? (Anmerkungen: Angesichts der sehr schnellen und manchmal undeutlichen und auch zu leisen Übersetzung war nicht immer auszumachen, ob die DHKP-C oder eine verwandte Formation gemeint war).
A.: Meiner Meinung nach hat dieser Verein zur D. keinen Zugang.
R.: Sie kennen die D.? Was ist das für ein Verein?
A.: Ich kenne diesen Verein nicht, ich bin von der Anatolischen Föderation.
R.: (erhebt deutlich wahrnehmbar die Stimme): Sie werden ja die Organisation kennen!
A.: Es ist ja so, daß man in der Türkei jeden auf der Straße fragen kann, und er würde sagen: Ja.
R.: Ich möchte von Ihnen wissen, was macht die D.? Was wollen die? Was ist das für eine Vereinigung?
A.: Es gibt keinen Zusammenhang mit ihnen. Woher soll ich wissen, was sie wollen!
R.: Ich möchte wissen, was sie wollen. … Ich sag’s Ihnen! (Zitiert ein Urteil): Die Zerschlagung der türkischen Staatstruktur, den bewaffneten Kampf, die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft. (Die Dolmetscherin übersetzt statt „Zerschlagung der Staatstruktur“ „Sie wollen Separatismus“ und statt „Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft“ „einer Gesellschaft wo alle gleich sind“.
A. (Erwidert etwas, was nicht übersetzt wird.) Dann (R?): Hören Sie das zum ersten Mal? … Daß sie Terroranschläge in der Türkei machen, dürften sie ja auch wissen!
A.: Ja, in den Nachrichten habe ich das gehört. … Das war das erste Mal, daß ich Österreich bei einer 1.-Mai-Kundgebung dabei war, und zwar auf meinen eigenen Willen, niemand hat mich dazu aufgefordert.
R.: Aber warum? Was ist der Sinn?
A.: Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit, deswegen war ich dabei.
R.: … Warum haben Sie die Uniform getragen? … Ist das denn ein großer Zufall, daß viele andere so angezogen waren?
A.: Ich weiß nicht, ob es ein Zufall war.
R.: Es muß abgesprochen gewesen sein (zeigt ein Bild her). Halten Sie mich für ganz blöd? Das Bundesamt für Verfassungsschutz zeigt auch in einem Bericht, daß ein Halstuch mit einem gelben Stern auch der Attentäter getragen hat beim Attentat in Istanbul!?
A.: Es ist ähnlich.
R.: Nein, es ist genau dasselbe! Halten Sie mich nicht für … ! Ein so markanter Stern! Ich verstehe nicht, warum Sie die Wahrheit nicht akzeptieren.
A.: Die Augen werden zugebunden, dann entscheidet auch das Hören (?) … Ich habe keinen Anwalt.
R.: Sie brauchen keinen Anwalt, ist nicht vorgesehen. … Ich habe gesagt, daß Sie einen Anwalt hätten organisieren können.
(Nennt in der Folge einige Namen, die zu den Bildern gehören).
R.: Wo haben Sie das (diese Namen, Anm.) gehört?
A.: In den Nachrichten.
R.: Warum werden bei der Demonstration Bilder von denen hochgehalten?
A.: (Antwort nicht verständlich)
R.: Aber Sie waren dabei.
A.: Es war der Tag der Arbeit, ich habe keine anderen Hintergedanken.
R.: Es sind viele Zufälle. Es werden Bilder von Terroristen hochgehalten, und der Attentäter hat ein Halstuch, das auch von Demonstranten getragen wird … (Übersetzerin bricht ab, findet ein Wort nicht).
A.: Ist es eine terroristische Straftat, wenn man einen roten Stern trägt?
R.: Zitiert aus der Anklageschrift. … Warum machen Sie diese Photos, wo Sie die Faust erheben?
A.: Daß ich mit der linken Hand eine Faust mache, ist das ein Zeichen für eine Terrororganisation?
(?): … Ist das in der Türkei … (undeutlich übersetzt, unverständlich).
A.: Aber wie gesagt, da waren keine anderen Hintergedanken.
R.: Wenn Sie sich vorstellen, Sie marschieren auf der Ringstraße, und ein Passant sieht das? Photos von Terroristen, hochgehaltener Faust? Was soll dieser Passant denken?
A.: Jeder ist frei, das zu denken, was er will.
R.: Ja das ist ein Problem, sonst wären Sie nicht hier. Daß man öffentlich eine terroristische Tat gutfindet, gutheißt, und das so gutheißt … (der Anklagte will was sagen, sie sagt: Stop!), dann ist das strafbar. Zuhause kann man das machen, aber (lauter und deutlicher:) nicht öffentlich!
A.: Gilt die Meinungsfreiheit nur zu Hause?
R.: Öffentlich ist es nicht möglich, das ist in Österreich nicht erlaubt, das ist Gesetz.
A.: Die Personen hätten uns ja warnen können und uns sagen können, daß das eine Straftat ist.
R.: Ich glaube nicht, daß es irgendwo auf der Welt gut ankommt, wenn man mit Photos von Terroristen auf der Ringstraße herumgeht. Nennt wieder den Namen eines der auf Plakaten „Hochgehaltenen“.
A.: Laut Erdogan ist das eine terroristische (Aktion?). Erdogan hat sich auch hier in Österreich ( … bei seinem letzten Besuch meinte er, der IS wäre keine terroristische Organisation).
R.: Es geht nicht um Herrn Erdogan, wir sind hier in Österreich. Da können Sie in der Türkei bleiben und nicht nach Österreich kommen.
A.: (beharrt auf Meinungsfreiheit)
R.: Man kann niemanden dazu auffordern …. Ich sage das jetzt zum letzten Mal. Nennt noch einmal den vorhin erwähnten Namen).
Staatsanwältin (St.): Seit wann sind Sie bei der AF? … Warum sind Sie am Mai auf der Straße zu Demonstrationen gegangen?
A.: Sollen wir das zuhause feiern?
St.: Sie hätten ja auch bei der Demonstration der SPÖ mitgehen können!
A.: Wenn die SPÖ auch eine solche Veranstaltung machen würde, würde ich auch hingehen.
St.: Was bedeutet der 1. Mai für Sie?
A.: Es ist der Tag der Arbeit.
St.: Die SPÖ organisiert ja auch solche Märsche.
A.: Die (Wiener?) machen auch solche Umzüge und pflanzen einen Baum.
R: Aber sie halten keinen Bilder von Terroristen in die Höh.
A.: Für jeden ist der Begriff Terrorist etwas Anderes
R.: Also sind diese Herrschaften keine Terroristen? (Zählt die Namen auf).
A.: Wieso bringen Sie das mit mir in Zusammenhang?
R.: Ich ersuche Sie jetzt zum letzten Mal: Wenn man auf einer Veranstaltung dieselbe Kleidung hat und die Photos hochhält, zeigt man,
daß man zusammengehört. Verstehen Sie, warum der Zusammenhang?
A.: Jeder kann sagen, was er möchte.
St.: Was haben Sie sich gedacht, als Sie zu dieser Demonstration gingen? Auf den Photos sind viele andere Leute zu sehen.
A.: Das sind Freunde von mir.
R.: Gibt es irgendwelche Zeugen, die irgend etwas zu sagen haben?
A.: Ich glaube selber daran, daß ich unschuldig bin.
R.: Die Frage ist, ob es Zeugen gibt! (Richterin wird sehr ungeduldig).
A.: Wie gesagt, ich bin allein und ohne irgendeinen Aufforderung dort hingegangen (Übersetzerin übersetzt, während er redet).
R. (Merkt etwas sehr undeutlich und leise an, sodaß man es nicht versteht).
St.: Das klingt alles nach einem großen brain-washing. Jede Frage der Richterin wird mit einer Gegenfrage beantwortet. Am Tag der Arbeit werden Bilder von Terroristen hochgehalten Das ist bestimmt nicht der Sinn des Tages der Arbeit. Antrag auf Schuldigkeit.
A.: Ich glaube nicht daran, daß ich eine Straftat begangen habe, daß ich schuldig bin.
R.: … 82a Abs. 1,2 3140. … Unter Bedacht (…) Zusatzstrafe (?) von 3 Monaten, Probezeit von 3 Jahren bedingt (rasselt es hinunter).
Es gibt in jedem Land Gesetze, und die habe ich zu vollziehen! Das Gesetz sieht vor, daß wenn man öffentlich eine terroristische Straftat gutheißt und die Gefahr besteht, daß andere das nachahmen, dann ist das nicht nur Meinungsfreiheit, sondern eine Straftat. Ich kann auch nicht feststellen, daß Sie das selbst hochgehalten haben, das werfe ich Ihnen nicht vor, aber Sie haben bei einer Gruppe mitgemacht, die sich durch dieselbe Kleidung wie Sie ausgezeichnet hat. Sie vertreten dieselben Werte … Sie haben mitgemacht. Es ist nicht in Ordnung, daß man die Terroristen, die den Anschlag in Istanbul gemacht haben – daß man es gut befindet. Das ist nicht zulässig. Sie haben mitgemacht, haben es gutgeheißen, es wäre denkbar, daß ein anderer sich sagt: Das ist gut.
Daß die AF mit der D. zusammenhängt, ergibt sich aus den Ermittlungen des LVT, aber auch die Tatsache, daß die Demo von der AF gemacht wurde und Leute von der AF diese Bilder hochgehalten haben. Da habe ich keinen Zweifel, daß das zusammenhängt.
Wir haben einen Strafrahmen bis zu 2 Jahren. Sie haben bisher keine Vorstrafen. Die Strafe wegen Alkohol, das gilt nicht, weil das war vorher
(Urteil):
… Freiheitsstrafe von 3 Monaten, das ist eine Probezeit von 3 Jahren, Sie gehen nicht ins Gefängnis. Ich hoffe, Sie können verstehen. Sie können das Urteil annehmen, Sie können es sich 3 Tage überlegen, wenn Sie denken, daß das Gericht einen Verfahrensfehler gemacht hat und die Strafe zu hoch ist. Wollen Sie sich das überlegen?
A.: (plädiert für Bedenkzeit).
R.: Wir sind für heute fertig.
Sagt zur gerichtlichen Protokollantin im Abgehen jovial (undeutlich): Ich wünsche ein gutes Schreiben fürs Protokoll.