Unter dem Titel „Imperiale Interessen und der Balkan“, schreibt Schmidt-Eenboom: „Einer der Ausgangspunkte der aktuellen globalen USA-Strategie ist der National Security Strategy Report (Bericht zur Nationalen Sicherheitsstrategie) vom 30. Oktober 1998 mit der Zielvorgabe: `Kern der amerikanischen Strategie ist es, unsere Sicherheit zu erhöhen, unseren Wohlstand zu mehren und Demokratie und Frieden überall in der Welt zu fördern. Wesentlich zur Erreichung dieser Ziele ist amerikanisches Engagement und die Vorherrschaft in der Weltpolitik´“.
Beim „United States European Command“ (EUCOM) in Stuttgart-Vaihingen ist der künftige Einflußbereich der USA auf einer Karte eingezeichnet. Er reicht vom südlichen Afrika bis nach Weißrußland und zur Ukraine. Die weitere Aufteilung Jugoslawiens ist hier beschlossene Sache, weil die jugoslawische Teilrepublik Montenegro bereits als eigenständiger Staat eingezeichnet ist.
In Gesetzentwürfen für den US-Kongress vom August 1999 zur Brandmarkung der Bundesrepublik Jugolsawien und der Republik Serbien als terroristische Staaten sind Montenegro und Kosova (die albanische Version für das Kosovo) ausgenommen.
Nicht erst seit 1991, dem Beginn der Sezession Jugoslawiens, gehört die Balkanregion und insbesondere das Territorium der BR Jugoslawien zu den von Geheimdiensten am intensivsten aufgeklärten und mit einem dichten Netz von Agenten durchdrungenen Regionen Europas. Das ist Resultat der geostrategischen Ziele vieler Interessenten, insbesondere der USA und der Bundesrepublik Deutschland.“
In einem historischen Rückblick geht Schmidt-Eenboom dann auf das seit Anfang der neunziger Jahre bestimmende Kooperations- und Konkurrenzverhalten der Geheimdienste der USA und Deutschlands bei der Etablierung der jeweiligen Einflußzonen ein. Eine Schiene der intensiven Kooperation der Bundesrepublik mit Albanien rührt von einem Besuch Franz Josef Strauß aus dem Jahre 1987, bei dem eine Reihenvon Wirtschaftsverträgen mit der damaligen albanischen Regierung abgeschlossen wurden. Die verdeckte Unterstützung der sogenannten „Kosovarischen Befreiungsarmee“ (UCK) war ursprünglich als gemeinsame Aktion von US- und bundesdeutschem Geheimdienst geplant. Die deutschen Geheimdienste waren bereits seit den frühen neunziger Jahren aktiv, rüsteten „Rebellen“ aus und suchten damit deutschen Einfluß in der Region zu „zementieren“. So gibt es über illegale Waffenlieferungen genügend Hinweise.
Schmidt-Eenboom zur Rolle der CIA: „Die nachrichtendienstliche Hauptrolle in Albanien spielt spätestens seit der Machtübernahme durch den albanischen Präsidenten Majko die Central Intelligence Agency (CIA), die die UCK unter ihre Fittiche genommen hat, sie politisch aufwertet und als Reservoir für Agententätigkeiten und die Zielaufklärung im Kosovo einsetzt. Den Beginn erster CIA-Aktivitäten zugunsten der UCK datieren Eingeweihte bereits auf das Jahr 1992.
Mit zunehmender Wichtigkeit der Rebellenarmee hat die CIA den BND entmachtet, ähnlich wie ab dem Dezember 1994 in Zagreb, als der US-Geheimdienst die (vom BND) über Jahrzehnte an die politische Macht geführte Ustascha-Bewegung unter seine Fittiche nahm. Kontakte bestehen zwar weiterhin zwischen UCK-Führern und ihren Ziehvätern in (Deutschland), aber seinen Einfluß hat der Bundesnachrichtendienst auch deshalb verloren, weil die Bundesrepublik Deutschland zumindest öffentlich an den G-8-Beschlüssen zur Entwaffnung der UCK festhielt, während sich die USA – nachrichtendienstlich allemal – die Option offengehalten hatte, die Rebellenarmee zu ihrer Bodentruppe zu machen.
Mit der “Amerikanisierung” der UCK einher ging die Aufwertung des nachrichtendienstlichen Elements innerhalb der Rebellenarmee. Xhavit Haliti, hoher Offizier des albanischen Nachrichtendienstes SIGURIMI zur Betreuung der Enveristen im deutschen und Schweizer Exil, trat im Februar 1999 in Rambouillet als einer der Vertreter der UCK auf und UCK-Chef Hashim Thaci hatte seine Karriere als Geheimdienstchef der UCK begonnen.
Auf Weisung des Nationalen Sicherheitsberaters Sandy Berger hatte die CIA bereits Monate vor den Bombenangriffen mit der Ausarbeitung von Plänen begonnen, wie die UCK zu einem ernsthaften Gegner der jugoslawischen Armee aufgerüstet werden könne.“
Zur Rolle österreichischer Geheimdienste …
„Laut Washington Post sind im Januar 1999 Aufklärungsergebnisse des österreichischen HNA (Heeresnachrichtenamt) über die im Kosovo bevorstehende serbische Operation HUFEISEN an US-Dienste geliefert worden. Kommentatoren der US-Presse vermuteten, daß es in amerikanischer Absicht lag, via Washington Post die de facto Aufgabe der Neutralität öffentlich zu machen, sicherlich auch, um die Dominanz der transatlantischen Partnerdienstbeziehung des HNA hervorzukehren.
Der Sprecher des Verteidigungsministeriums Wolfgang Pucher dementierte – laut `Kurier´ vom 20.4.1999 – die Weitergabe von `strukturierten Daten an die USA, die NATO oder sonst wen´, wollte informelle Kontakte einzelner jedoch nicht ausschließen: `Die Amis sitzen in Bosnien, Mazedonien, Italien, Ungarn und sind technisch voll gerüstet. Die brauchen uns nicht´. Dieses Dementi weist in die richtige Richtung, weil es die personellen und technischen US-Kapazitäten bei der Nahaufklärung und beim Abgleich mit kontinuierlich angehäuftem Vergleichswissen vorsätzlich überschätzt.
Eingeweihte Nachrichtendienstspitzen in Westeuropa verweisen in diesem Zusammenhang darauf, daß der der Öffentlichkeit vermittelte Eindruck eines Austausches von `finished intelligence´ falsch ist. Um die Operation HUFEISEN aufzuklären, hätte es eines konzertierten Zusammenwirkens eines ND mit SATINT-Kapazitäten – nämlich der NSA – und eines FmElo-Nahaufklärers – nämlich des HNA – bedurft. Es handelte sich nicht um eine bloße Datenübermittlung, vielmehr gab es von vornherein um ein operatives Zusammenwirken amerikanischer und österreichischer FmElo-Aufklärer unter Führung der NSA (National Security Agency).
Traditionell ist der österreichische Nachrichtendienst auch bei der Nutzung menschlicher Quellen in den Balkanstaaten sehr stark. Der 17seitige HNA-Bericht vom April 1999 zu Albanien `Kosovo-Konflikt; Bedrohungsanalyse´, der auch Partnerdiensten zugestellt wurde, zeugt beispielsweise von intimer Kenntnis der militärischen Infrastruktur, der regionalen politischen Verhältnisse und der Korruption im Lande.“
… und der OSZE
„Im Oktober 1998 begann die OSZE mit dem Aufbau einer Beobachtermission in Pristina, im März 1999 zog sie sich nach Mazedonien zurück. Ihr Chef war der US-Karrierediplomat William Graham Walker, Jahrgang 1935, 37 Jahre im Dienst des State Department, der bereits während seiner früheren Diplomateneinsätze in Mittel- und Südamerika einige heikle Aufgaben für die CIA erledigt hatte. Die New Yorker `Workers World newspaper´ vom 28.1.1999 beschreibt Walker in ihrem Artikel: `Kriegsbeil hinter der US-Kosovo-Politik´: `Es ist wichtig, daß die Welt weiß, wer Walker ist: ein Militär-Veteran des US-State Department, der den schmutzigen Krieg gegen Nicaragua und El Salvador in den 80er Jahren leitete, und der über jeden Aspekt dieses Krieges log. 1985 wurde er stellvertretender Staatssekretär für Zentralamerika. Er war der Verantwortliche im Weißen Haus unter Reagan für die Operation zum Sturz der Regierung Nicaraguas. Geleitet wurde die Operation von den gerichtsnotorischen Oliver North und Eliot Abrams.. Walker war beispielsweise verantwortlich für die Waffenlieferungen, die, als humanitäre Aktion getarnt, über den Flughafen Ilopango in El Salvador abgewickelt wurden, um die Contra-Banden gegen Nicaragua zu unterstützen. Später war Walker von 1988 bis 1992 US-Botschafter in El Salvador, dort herrschten zu jener Zeit die Todesschwadrone, von denen viele auf US-Militärschulen trainiert wurden.´
Im Zusammenhang mit der falschen Darstellung des sogenannten Massakers von Racak wurde Walker wegen Mißbrauchs seiner Aufgaben als Diplomat und OSZE-Vertreter von der Regierung der BR Jugoslawiens ausgewiesen. Die kroatischen Serben werfen Walker außerdem vor, als Leiter der Übergangsverwaltung von Ostslawonien 1996/97 massiv die kroatische Politik der ethnischen Säuberung unterstützt zu haben.
Die `OSZE-Mission´ hat im Kosovo 250 GSP-Ortungsgeräte zur Markierung von Zielen zurückgelassen. Der UCK wurden Dutzende von Satellitentelefonen überlassen. In die Kategorie nachrichtendienstlicher Propagandaoperationen muß man wohl einordnen, was die schottische Zeitung `The Herald´am 18. April 1999 publizierte: Die amerikanische F-16, die irrtümlich einen albanischen Flüchtlingstreck im Kosovo beschossen hatte, war durch serbische Truppen fehlgeleitet worden. Die Serben hatten einen UCK-Zielzuweiser mit einem von der CIA bereitgestellten Mobiltelefon festgenommen, ihm Aussagen über seine geheime individuelle Funkkennung erpresst und dann die F-16 irregeleitet. Allein zutreffend an der Geschichte des Blatts war, daß die CIA UCK-Kämpfer mit Mobiltelefonen ausgerüstet hat, um sie als `Melder´ über militärische Ziele zu nutzen.“
Bereits aus diesen, wenigen, Auszügen eines längeren Papieres Schmidt-Eenbooms über die verdeckten Operationen, gehen die Bemühungen zur Vorbereitung des Krieges hervor. Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien wurde unter Ausnützung aller, auch neuester, geheimdienstlicher Technologie vorbereitet und durchgeführt. Die Aufarbeitung dieser Kriegsvorbereitungen ist bei weitem noch nicht abgeschlossen.