Durch den Angriffskrieg der NATO gegen die BR Jugoslawien ist die gesamte Bevölkerung Jugoslawiens zum Opfer gemacht worden. Durch diesen Krieg wurden die Grundrechte der jugoslawischen Bürger brutal verletzt. Allen wurde wenigstens ein Grundrecht verletzt, und einigen wurde leider das wertvolle Naturrecht entzogen, das Recht auf das Leben. Dieses Recht wurde bei allen anderen gefährdet. Brutal und ohne irgendeinen Anlass (das Ultimatum von Rambouillet konnte kein Anlaß, sondern nur ein inszenierter Vorwand sein) ist ein kleines Land unter Einsatz eines riesengrossen Militärpotentials angegriffen worden. Innerhalb von 78 Tagen mußten alle seine Einwohner schwere körperliche und seelische Leiden ertragen, nicht wenige von ihnen wurden getötet oder schwer körperlich verletzt, ihr Vermögen oder Unternehmen, in denen sie beschäftigt waren, wurden vernichtet, das ganze Land wurde in beträchtlichem Umfang zerstört, die Umwelt wurde ernsthaft beeinträchtigt und, längerfristig gesehen, wurde auch die Existenz des Großteils der Bevölkerung der BR Jugoslawien bedroht. Besonders betroffen wurden diejenigen, die ohnehin scwach und hilflos sind: Kranke, Kinder, alte Menschen. All das wurde planmässig, massenhaft und systematisch getan. Diese Verletzungen stellen gleichzeitig auch eine Reihe von schweren Verbrechen dar, die in allen geltenden Strafgesetzen geächtet sind. Diese Verbrechen sind auch durch zahlreiche internationale Rechtsakte sanktioniert (z.B. Genfer Konvention, Zusatzprotokollen zu diesen Konventionen usw.). Auch im jugoslawischen Strafrecht sind zahlreiche Straftatbestände in diesem Bereich verwirklicht.
Unter Berücksichtigung der bisherigen Folgen des NATO Angriffskrieges, wurden folgende Straftaten begangen:
Ausgenommen einiger Straftatbestände, die einige besondere Probleme aufweisen(z. B. die Absicht der Vernichtung beim Völkermord), gibt es im Grunde genommen, keine komplizierten strafrechtlichen Probleme. Es ist die Frage, welche Beziehung zwischen der Grundtat, also dem Angriffskrieg, und den anderen Verbrechen existiert, bzw. die strafrechtlich dogmatische Frage der Konkurrenz der Straftaten. Im Grunde genommen kann man sagen, daß zwischen dem Angriffskrieg und den Verbrechen, die in diesem Krieg begangen worden sind, eine Konkurrenz der Straftaten (oder Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen) existiert, weil die beide Rechte verletzt worden sind: jus ad bellum und jus in bello.
Was die strafrechtliche Verantwortlichkeit für begangene Verbrechen anbelangt, ist hervorzuheben, daß sie individuell ist bzw. daß jeder für das, was er getan hat, sich zu verantworten hat, ungeachtet dessen, daß ganze staatliche und militärische Strukturen bzw. das Militärbündnis – die NATO eingesetzt worden sind. Obwohl bei internationalen Straftaten der Grundsatz die Anwendung findet, daß sowohl der unmittelbare Täter als auch Befehlsgeber zur Verantwortung gezogen werden, kommt bei der Aggression eine wesentlich bedeutendere Rolle denjenigen zu, die die Entscheidungen getroffen haben; das sind Politiker und Befehlshaber der NATO-Mitgliedstaaten, allen voran der USA. Als eine strafrechtliche Frage stellt sich auch die Frage der Teilnahme all jener, die die Aggression ermöglicht, erleichtert bzw. unterstützt haben. Mit anderen Worten, ob als Teilnehmer jene hohe Politiker in den Staaten bezeichnet werden können, die keine Mitglieder der NATO sind, aber den Überflug der NATO-Flugzeuge, die Stationierung ihrer Truppen und Ähnliches zugelassen haben. Obwohl manche dieser Staaten beinahe nicht gefragt wurden (z.B. Mazedonien) wird dadurch die strafrechtliche Verantwortlichkeit deren Politiker für die Beihilfe zur Aggression nicht ausgeschlossen, da sie die Nutzung des Hoheitsgebiets dieser Staaten zur Durchführung der Aggression erlaubt oder zumindest geduldet haben.
Da selbst die Befürworter des NATO-Angriffes die Verletzung von Normen des Völkerrechts sowie des Strafrechts eingestehen, sollte auf ihre
Rechtfertigungsversuche eingegangen werden. Auch wenn es sich dabei nur um eine rechtlich irrelevante, verlogene und zynische Rhetorik handelt, möchte ich kurz auf zwei vergebliche Entschuldigungsgründe eingehen. Der erste ist die sogenannte humanitäre Intervention. Dem Aggressor kann nicht das Recht zuerkannt werden, den Krieg und militärische Aktionen zu rechtfertigen, denn die sog. humanitäre Katastrophe als angebliche Ursache für die Intervention war vor der Aggression nicht nur nicht vorhanden, sondern sie ist erst durch die Aggression ausgelöst worden. Die Geschichte bestätigt, daß jeder, der einen Angriffskrieg begonnen hat, seine Rechtfertigung dafür hatte. Sofern diese Intervention überhaupt erforderlich war, ist sie nur im Rahmen der völkerrechtlichen und strafrechtlichen Normen zulässig. Das Recht auf Intervention steht nach geltendem Völkerrecht nur den Gremien der UN zu. Der UN-Sicherheitsrat hatte weder eine eigene militärische Zwangsmaßnahme nach Art. 42 der UNO-Charta beschlossen, noch hat er dazu einzelne NATO-Staaten ermächtigt. Es liegt auch nicht der Ausnahmefall des Art. 51 UNO-Charta vor, der Notwehr oder Nothilfe zugunsten eines angegriffenen Staates erlaubt. Kein NATO-Staat wurde von Jugoslawien angegriffen und kein Staat hat die NATO um Nothilfe gebeten. Durch die NATO-Aggression sind nicht nur diese, sondern alle relevante Rechtsnormen verletzt worden.
Ein anderer Ansatzpunkt ist, daß das existierende Völkerrecht selbst überholt ist, und daß ein neues Recht geschaffen werden müsse. Doch selbst wenn dies so wäre, was ich nicht glaube, schafft man ein neues Recht nicht durch Begehen von schwersten Verbrechen. Was für ein Recht wäre es denn, das sich auf die Begehung von Verbrechen gründen würde? Übrigens ist es schon längst gesagt worden: jus ex iniuria non oritur.
Übrigens ist es bekannt, daß es beim Angriffskrieg gefährlich ist, irgendwelche Ausnahmen und Rechtfertigungen zu erlauben. Deswegen heißt es in der UNO-Resolution über Aggressionen von 1974 ausdrücklich, daß eine Aggression durch nichts zu rechtfertigen ist.
Man kann zusammenfassen:
Es liegt sowohl Tatbestandsmäßigkeit im Hinblick auf die angeführten Taten, als auch Rechtswidrigkeit vor. Dann stellt sich die Frage: Wie kann man zur Strafverfolgung und zur strafrechtlichen Verantwortung des Täters kommen?
Wir sind mit den schwersten Formen der Kriminalität konfrontiert. Es handelt sich um international organisierte Kriminalität der Mächtigen, die ganze staatliche Strukturen dafür benutzen. Diese Kriminalität ist Bestandteil der offiziellen Politik mancher Länder, vor allem der einzigen Supermacht. Das heißt, daß es nur wenig wahrscheinlich ist, daß die Gerichte der Staaten, welche an der Aggression beteiligt waren, gegen die verantwortlichen Politiker und Militärs Ermittlungen einleiten oder diese gar zur Verantwortung ziehen. Auch das internationale Strafrecht ist machtlos. Abgesehen davon, daß es noch am Anfang ist, ist die internationale Gerichtsbarkeit in den Händen derjenigen, die die Verantwortung tragen sollten. Das Ad-hoc-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag ist nur ein politisches Mittel in den Händen der USA. Man benutzt es als zusätzliches Druckmittel gegen die BR Jugoslawien. Es ist möglich, die Verfahren in Jugoslawien zu führen, aber das wird wohl überwiegend symbolische Bedeutung haben.
Was zu dem jetzigen Zeitpunkt real möglich und ansonsten erforderlich ist, ist ein alternatives Tribunal. Die, denen Gerechtigkeit und zumindest die Stigmatisierung der Hauptverantwortlichen wichtig ist, müßten alternative Wege finden, die Machthaber nachhaltig an der Verübung von Verbrechen zu hindern.
Denjenigen, die eine allumfassende Vormachtstellung in der Welt anstreben und dieses Ziel mit skrupelloser Gewalt und grenzenlosem Verbrechertum verfolgen, muß ein energischer Widerstand entgegengebracht werden. Es geht schließlich um die Zukunft der Menschheit. In diesem Sinne sehe ich die Initiative zur Gründung der Tribunale gegen die NATO-Angriffskriege als einen wesentlichen Beitrag. Diese Tribunale, wie auch dieses heute in Wien, werden dazu beitragen, daß die Öffentlichkeit und jene Menschen gerade in den Ländern, deren Politiker sich an den Menschen in Jugoslawien schwer versündigt haben, und ich bin überzeugt davon, daß sie die Mehrzahl stellen, die begangene Verbrechen verurteilen. Das würde dazu führen, daß auch die Justiz dieser Länder das tut, was sie tun muß, nämlich die Strafverfahren gegen jene einleiten zu lassen, für die der begründete Verdacht besteht, schwere Verbrechen gegen Frieden und Menschlichkeit begangen zu haben.
Nachweise für die begangenen Verbrechen gibt es in Hülle und Fülle. Sie sind vor den Augen der ganzen Welt begangen worden. Der mächtigen Propaganda derjenigen, die Jugoslawien angegriffen haben, konnte es aber gelingen, die wahre Natur und die wahren Ausmaße dieser Verbrechen zu verhüllen. Sollte es erforderlich sein, können wir in Jugoslawien dazu besonders beitragen, indem wir ein umfangreiches Beweismaterial zur Verfügung stellen werden. Außer des Nachweismaterials in Form von
Gerichtsakten und Ruinen, die in ganz Jugoslawien verstreut sind, ist jeder seiner Einwohner ein potentieller Zeuge. Wir alle, ungeachtet unserer Überzeugung und politischer Zugehörigkeit, können als Zeuge aussagen, was wir innerhalb 78 Tagen an brutalster kollektiver Bestrafung erlebt haben. Warum wurden wir bestraft? Deswegen, weil wir uns angemaßt haben, der einzigen Supermacht Widerstand zu leisten und ihre Pläne für eine neue Weltordnung abzulehnen, die der faktischen Unterjochung unseres Landes gleichkommt? Deswegen, weil wir der Auffassung sind, daß die Ideologie, die sie aufzudrängen versucht, für uns nicht annehmbar ist? Auch früher, und insbesondere nach all dem, was sie uns getan haben, sehnen sich ganz gewiss viele von uns nicht nach der amerikanische Demokratie.
Abschließend möchte ich meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß dieses Unterfangen erfolgreich sein wird. Dieser Erfolg wird nicht nur für uns in Jugoslawien, sondern für die ganze Menschheit von Bedeutung sein.