Wiener Aufbäumen gegen die Israel-Lobby
Begonnen hatte alles nach dem in den letzten Jahren üblich gewordenen Muster. Die Kolonial-Propagandisten erzählten hinter den Kulissen ihre Schauergeschichten vom linken Antisemitismus, fatalerweise gestützt auf die Autorität des DÖW. (Zentrale Figur ist dabei Schiedel-Peham, den auch Kurz-Strache gebucht haben, um sie vom historischen Antisemitismus zu entschuldigen und ihn gegen Muslime und Israelkritiker zu lenken.) Diverse Politiker und Funktionäre lassen sich davon gerne beeindrucken und gehen präventiv davor in die Knie. Sie glauben die kulturchauvinistische Kolonialideologie, die den Holocaust auf unerhörte Weise missbraucht, entweder selber oder denken, dass Widerstand zwecklos sei.
In diesem Fall war das Verhalten des WUK-Vorstands besonders rückgratlos und kann als Lehrbeispiel für Duckmäusertum dienen. (Methodisch ähnlich wie das Verhalten der Sozialdemokratie vor dem Faschismus.) Monatelange war die Veranstaltung mit Hanin Zoabi mit den AktivistInnen des WUK plenar vorbereitet worden. Man war sich des zu erwartenden Drucks bewusst und hatte auch den Vorstand davon in Kenntnis gesetzt, der die Sache bestätigt hatte. Alles schien gesichert. Die ersten verleumderischen Anrufe und Briefe gingen wie erwartet ca. zehn Tage vor dem Ereignis ein, doch an der Basis blieb man unbeeindruckt und fest entschlossen. Doch in der Zwischenzeit war der Vorstand in Panik verfallen und suchte nach Rechtfertigungen für eine Absage auch gegen die Beschlusslage der WUK-Gremien. So begann man ein Bedrohungsszenario aufzubauen:
Man argumentierte, dass die Subventionen akut gefährdet seien, so wie es Vizebürgermeisterin Hebein angedeutet hatte. Tatsache ist jedoch, dass kein einziger zuständiger Amtsträger des Magistrats interveniert hatte. Diverse Gespräche und Recherchen zeigten im Gegenteil, dass die Stadt die Veranstaltung durchaus geduldet hätte. Denn auch diese wollen sich von der Israel-Lobby nicht vor sich hertreiben lassen, auch wenn sie zu keinem offenen Widerstand bereit sind. So gab es dann gegen den Aktionsradius, wo die Veranstaltung schließlich stattfinden konnte, keine einzige Intervention.
Als der WUK-Vorstand uns drei Tage vor der Veranstaltung in dramatischer Tonlage die Absage mitteilte, hatten wir schon die Petition „Lasst Hanin sprechen“ http://www.antiimperialista.org/de/content/lasst-hanin-sprechen vorbereitet und die Unterschriftensammlung begann. Innerhalb von 48 Stunden waren nicht nur Hundert Unterstützungserklärung für die Redefreiheit teils auch von prominenten und stadtnahen Personen eingegangen, auch die WUK-AktivistInnen hatten mehrheitlich einen Beharrungsbeschluss gefasst. Zudem wurde die Vizebürgermeisterin in spe Birgit Hebein vom linken Flügel der Grünen, auf den sie sich stützt, richtiggehend mit Protestbriefen bombardiert.
Wir erlebten eine schon lange nicht dagewesene Welle von Unterstützung in Form von Anrufen, Briefen, Protestschreiben usw., auch von Menschen die nicht grundsätzlich gegen die rotgrüne Stadtregierung stehen. Die Botschaft war klar: das dürfen wir alle uns nicht gefallen lassen! Wo kommen wir da hin, wenn einer arabischen Knesset-Abgeordneten, die selbst in Israel – wenn auch mit Schwierigkeiten – sprechen kann, in Wien das Wort verboten wird. Es ist sowas wie ein demokratischer Frühling, ein kleiner Aufstand gegen den Missbrauch des Antisemitismus-Vorwurf gegen die demokratische und linke Opposition. Jeder weiß, dass die Anwürfe nicht stimmen und konstruiert sind, aber durch die hermetische Geschlossenheit und Macht der Medien- und Propagandaapparate fühlen sich kritische Menschen terrorisiert – dem Rufmord „Antisemit“ will niemand erliegen.
In dieser Stimmung fällte der Vorstand des Akionsradius Augarten die mutige Entscheidung die Veranstaltung in seinen Räumlichkeiten durchzuführen – einstimmig und in bewusster Verteidigung der Meinungsfreiheit. Sie haben damit nicht nur Zivilcourage gezeigt, sondern auch bewiesen, dass sich Widerstand bezahlt macht. Demokratisch-antikoloniale Positionen können im öffentlichen Räumen wieder ausgesprochen werden. Zumindest wurde eine Bresche geschlagen.
Maulkorbbeschluss des Wiener Gemeinderates gegen die Israel-Boykott-Bewegung
Aber noch mehr. Uschi Schreiber von Aktionsradius hat den Finger gleich in die Wunde gelegt, ist der Sache auf den Grund gegangen und drängt zur Offensive:
„Wenn dem so ist, dass ein Gemeinderatsbeschluss zur Folge hat, dass eine Frau wie Hanin Zoabi in Wien keinen Auftrittsort findet und nicht sprechen darf, dann wäre es aus meiner Sicht an der Zeit, diesen Gemeinderatsbeschluss neu aufzurollen und zu diskutieren.“ https://www.antiimperialista.org/2019-05-12-fuer-meinungsfreiheit-und-einen-offenen-diskurs-2/)
In dem Beschluss https://www.wien.gv.at/mdb/gr/2018/gr-039-s-2018-06-27-009.htm wird der palästinensischen Boykott-Forderung gegen die Besatzung nach dem Muster der südafrikanischen Bewegung gegen die Apartheid einfach und unbewiesen der Stempel „antisemitisch“ aufgedrückt und auf ein „Expertengremium“ verwiesen, das von der Israel-Lobby kontrolliert wird. (Hier die Stellungnahme von BDS Österreich. http://bds-info.at/wien-die-nicht-fuer-alle-so-lebenswerte-stadt-oder-skandale-die-keine-sein-duerfen/#sdfootnote3sym ) Eingebracht von SP und Grünen, fand der Antrag natürlich die freudige Unterstützung von FP und VP und wurde zum kolonialen Allparteienbeschluss.
Letztlich geht es um eine internationale Kampagne Israels gegen die BDS-Bewegung, für die viele Millionen US-Dollar eingesetzt werden. Wie umfassend und mächtig die mediale und institutionelle Kriegsmaschinerie ist, die da für die koloniale Unterdrückung in Stellung gebracht wird, zeigt sich an der Kampagne gegen Jeremy Corbyn, der sich vorsichtig für die Rechte der Palästinenser geäußert hat. Erst am 15. Mai hat der deutsche Bundestag eine ähnlich lautende Anti-BDS-Resolution verabschiedet.
Hanin Zoabi hat sich zu BDS in Wien sehr klar und treffend geäußert (https://www.facebook.com/566191377123146/videos/452360118864704/). Die Besatzung koste Israel politisch nichts mehr. Vor Oslo hätte Israel die volle Verantwortung für die Besatzung tragen müssen. Mit Oslo und seinem Abgesang kümmere sich der Zionismus nicht mehr um seine menschenrechtliche Reputation – im Gegenteil. Die strukturelle politische Verschiebung in Israel, bei der Palästinenser offen zu Untermenschen deklariert werden – Hanin benutzte den Begriff „Jewish superiority“ – die Israel unterwerfen und vertreiben müsse, führe zu mehrheitsfähigen Forderungen des immer noch härteren Zuschlagens gegen die Palästinenser. In den USA und auch Europa werde das einfach akzeptiert und gerechtfertigt. Insofern sei der Boykott-Aufruf einer der wenigen Möglichkeiten Israel für seine kolonialen Verbrechen politisch zahlen zu lassen.
Wir werden jedenfalls eine Kampagne entwickeln, die im Namen der Meinungsfreiheit, der demokratischen Grundrechte und des Antikolonialismus den Gemeinderatsbeschluss in Frage stellen wird.
Frischer Wind von Hanin
Um mit dem genialen Ende zu beginnen: Vielfach wurde Hanin gefragt, von Palästinensern und Österreichern gleichermaßen, welche Aussichten ihr Kampf für gleiche Rechte habe? Alles würde schlechter, schlimmer, schwieriger angesichts von Netanyahu und Trump und ihren europäischen Helfern und Helfershelfern. Ihre Antwort: Es sei egal, wie lange der Kampf für Gleichheit dauern würde, wichtig sei nur, dass man das Richtige und Gerechte tue. Außerdem, wer hätte mit den Intifadas gerechnet, wer mit dem Arabischen Frühling? Niemand könne voraussehen, wie die unterdrückten Menschen handeln werden, aber der Widerstand würde neue Formen finden und immer weitergehen. Statt zu lamentieren, solle man sich dem Kampf anschließen.
Inhaltlich drehte sich ihr Vortrag ganz um die systematische Diskriminierung der Palästinenser mit israelischem Pass, die sich bei der Kontrolle des Bodens, beim Wohnen, bei der Ausbildung, bei der sozialen Stellung, in der Armee und in allen Bereichen des Lebens ausdrücke. Es sei eine Staatsbürgerschaft zur Beherrschung und zur Auslöschung der palästinensischen Identität. Auch das Wahlrecht zur Knesset diene letztlich dazu.
Doch da die Negation der Identität nicht funktioniere, drehe sich alles um zunehmende Segregation, um Menschen zweiter Klasse, um Apartheid.
Die einzige mögliche demokratische Antwort sei an Staat für alle seine Bürger, für alle in ihm lebenden Menschen. Das neue Nationalstaatsgesetz radiere indes die Palästinenser aus. Es spreche nicht von Grundrechten, Demokratie oder auch Minderheiten. Es müsse Schluss sein mit der rassistischen Obsession der jüdischen Überlegenheit. Ein exklusiv jüdischer Staat könne nichts Anderes als Apartheid, Unterdrückung und Vertreibung bedeuten.
„Apartheid ist Sünde“
Einer der Personen, die dem gemeinsamen Kampf für die gleiche Rechte zu Hilfe eilten, war der emeritierte Bischof der Altkatholischen Kirche Bernhard Heitz. Bei einer Pressekonferenz anlässlich der Absage der Veranstaltung mit Hanin Zoabi im WUK, machte er sich nicht nur für die Rede- und Meinungsfreiheit stark, sondern er verurteilte auch die israelische Politik der Apartheid und Diskriminierung als Sünde. (https://www.facebook.com/566191377123146/videos/355040198702991/) Für Bischof Heitz steht das keineswegs im Gegensatz zum Kampf gegen den Antisemitismus und den historischen Verpflichtungen, die uns aus dem Holocaust erwachsen.
Gesamtes Video Pressekonferenz mit Hanin Zoabi nach WUK-Absage:
Auskopplung Hanin Zoabi systematische Diskriminierung in Israel
https://www.facebook.com/566191377123146/videos/321654701848090/
Auskopplung Bischof Bernhard Heitz
https://www.facebook.com/566191377123146/videos/355040198702991/
Auskopplung Fritz Edlinger zu BDS
https://www.facebook.com/566191377123146/videos/3286852928007293/
Auskopplung Hanin Zoabi zu BDS
https://www.facebook.com/566191377123146/videos/452360118864704/
Gesamte Veranstaltung im Aktionsradius Augarten mit Hanin Zoabi
https://www.facebook.com/566191377123146/videos/2152486258182645/