Doch repräsentiert Zelensky keine gesellschaftliche Alternative. Vielmehr stellte er als Kabarettist Ausdruck der Krise des Regimes dar, obwohl er selbst durch die Hilfe des Senders des größten und mächtigsten Oligarchen, Kolomoisky, der gleichzeitig einer der wichtigsten Unterstützer der rechten Milizen war und ist, groß wurde.
Goldarb weist auf die enorme Bedeutung der Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Minsker Friedensabkommen hin. Dies wurde durch das Akzeptieren der Steinmeier-Formel möglich, die eine Entflechtung der Truppen an der Demarkationslinie sowie einen temporären Sonderstatus für die Donbass-Republiken vorsieht. Die nationalistischen Kräfte haben dagegen sofort Protest eingelegt, auch auf der Straße und Zelensky der Kapitulation angeklagt. Unmittelbar konnte ihm das zwar nichts anhaben. Doch stellte er sofort die Bedingung, dass die Wahlen unter militärischer Kontrolle des Kiewer Regime stattfinden müssten – was seitens der Aufständischen inakzeptabel ist, denn gerade gegen dieses autoritär-nationalistische Regime haben sie sich erhoben und sehen ihrerseits keinen Grund zur Kapitulation.
Zelensky hätte für einen Friedenskompromiss mit weitgehender Autonomie die Mehrheit insbesondere im Osten und Süden des Landes auf seiner Seite, sowie die passive Akzeptanz wichtiger Bevölkerungsteile auch im Westen des Landes. Doch das Maidan-Regime will das nicht! Der ausschließende ukrainische Nationalismus ist seine raison d’etre, sein Sinn und Zweck. Und für diese organisch antirussische Haltung geniest es auch die Unterstützung der USA und des Westens insgesamt.
Um Frieden zu schließen, müsste Zelensky sich an die Bevölkerungsmehrheit wenden, sie mobilisieren mit dem Zweck, das Maidan-Regime zu stürzen. Denn dieses kann sich nur halten, weil es eben mit polizeilichem und Straßenterror den Osten und Süden (der sich nicht wie der Donbass von der Unterdrückung befreien konnte) im Schach hält. Demokratie kann nicht zugelassen werden, denn dann würde das Regime hinweggefegt. Das Massaker von Odessa war kein Verbrechen von Nazi-Gruppen abseits der Apparate. Nein, es war die Formgebung eines autoritären Regimes, das gegen den Willen der Mehrheit herrscht und deren organischer Teil die Nazi-Gruppen sind. Ohne diese kann es nicht existieren.
Die rechtsradikalen Milizen, die den Staatsapparat durchsetzt haben, könnten durch einen Volksaufstand aus dem Staatsapparat gedrängt und substanziell geschwächt werden, wenn den Volksmassen eine politische Führung geboten würde. Daran, und nur daran, ist Zelensky zu messen. Es ist höchst unrealistisch, dass er diesen Weg einschlagen wird. Wahrscheinlich bleibt er Gefangener des Systems und sein Stern wird sinken wie er aufgestiegen ist.
Hier kommt die mögliche Rolle einer Formation wie die Union der Linken Kräfte ins Spiel. Könnten sie sich frei artikulieren und organisieren, so könnte ihnen diese demokratische Führungsrolle zukommen. Aber das Regime wird das nicht zulassen. Insofern bedarf es einer revolutionären Bewegung von unten, die das Vakuum füllen kann, das Zelensky nur temporär überdeckt – auch wenn sein Vorstoß zu Minsk sicher Bewegungsspielraum bietet. Wenn Goldarb sagt, er wolle diesbezüglich an Zelensky glauben, so kann das als Nutzung dieses Spielraums verstanden werden. Auf der anderen Seite schwingt da auch ein legalistischer und gradualistischer Zugang mit, der angesichts der Gewalttätigkeit des Regimes und die systematische Unterstützung durch den Westen unangemessen scheint.
Goldarbs zweiter wesentlicher Punkt ist der ungebremste neoliberale Umbau, den Zelensky mit Siebenmeilenstiefeln vorantreibt. Das wirft auch ein Licht darauf, wie sehr die Verve Zelenskys gegen Korruption und Oligarchie oberflächlich ist: Denn das ist die konkrete Form, die der Neoliberalismus in der Ukraine annimmt und er ist in anderer Form nicht zu haben. Offensichtlich spielte die soziale Frage bei der Wahl Zelenskys eine untergeordnete Rolle. Aber auch hier muss man immer in Rechnung stellen, dass keine andere Alternative zu Wahl stand. Goldarb prophezeit Widerstand. Es bleibt zu hoffen, dass das Soziale mit dem Politischen kombinierbar wird. In einem gewissen Sinn gelang das damals dem Maidan, die soziale Unzufriedenheit für die Machtübernahme der nationalistischen Eliten zu nutzen. Umgekehrt sollte es noch viel mehr möglich sein.
Die wichtigste Aufgabe für uns im Westen ist es darzustellen, wie das Regime systematisch undemokratisch sein muss, um überhaupt überleben zu können und wie sehr es dabei auf die westliche Unterstützung angewiesen ist. Das stößt direkt mit dem antifaschistischen Image zusammen, das sich der Westen zu geben versucht, denn in der Ukraine hält er richtige Nazis, das heißt Gewalttäter, die Andersdenkende physisch terrorisieren, aus. Wir müssen der demokratischen Opposition, die auch das Einvernehmen mit Russland sucht, eine Stimme geben – wie Goldarb uns seine Partei eine sind.