Wie schon in den 21 Jahren zuvor gab es auch heuer, am 24. März 2021, eine Mahnwache am Stock-im-Eisen-Platz zum Gedenken an den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen den damaligen Rumpfstaat Jugoslawien, de facto Serbien. Die offizielle Legitimation für den Krieg aus der Luft, geführt mit aller Wucht der alliierten Militärkräfte des Westens, war der Schutz der Kosovo Albaner.
Der 78 Tage andauernde Bombenhagel der 19 NATO-Mitgliedsstaaten mit über 200 Flugzeugen bombardierte militärische und zivile Ziele. Zivile Ziele waren auch Schulen, Kinderkrankenhäuser, Spitäler, Wohnblocks. Dies wurde als Kollateralschaden bezeichnet.
Die Vertreter der NATO wollten Serbien dazu zwingen, internationale Truppen ins Land zu lassen und die militärischen Einsätze der jugoslawischen Bundesarmee gegen die kosovo-albanische, vom Westen massiv unterstützte, UCK zu beenden. Eine freie Bewegung der NATO-Bodentruppen in Jugoslawien wurde zu Recht als unzumutbare Einmischung in die Souveränität des Landes gesehen und abgewiesen.
Einen erneuten „Genozid“ wie zuvor in Bosnien, in Srebrenica, zu verhindern war die Begründung der rot-grünen deutschen Bundesregierung für den Einsatz gegen Jugoslawien, aber auch Österreich mischte ordentlich mit. Die deutsche Bundeswehr beteiligt sich also im Rahmen der NATO-Angriffe zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges an einem Kampfeinsatz, noch dazu im Südosten, wo die deutsche Wehrmacht, unter Führung österreichischer Generäle, einen Völkermord durchgeführt hatte. Allein in Kragujevac wurden im Oktober 1941 mehr als 4.000 Zivilisten getötet. Angehörige der 717. Infanterie-Division erschossen als Vergeltung für einen Hinterhalt, in den eine deutsche Kompanie geraten war, 2.796 Bürger der Stadt Kragujevac, davon 300 Schüler. Gleichzeitig fielen 1.700 Einwohner des benachbarten Kraljevo einer ähnlichen „Sühneaktion“ im selben Monat zum Opfer.
Den Menschen in Serbien rief der Angriff aus der Luft 1999 eine Erinnerung wach, eine Erinnerung an den Angriff der deutschen Wehrmacht auf Jugoslawien im April 1941.
Deswegen haben auch AktivistInnen der Jugoslawisch-Österreichischen Solidaritätsbewegung 1999 zu ihren Demonstrationen gegen diesen völkerrechtswidrigen Krieg einen Vergleich gezogen: Der Angriff der NATO war genauso völkerrechtswidrig wie der Angriff Hitler-Deutschlands gegen Jugoslawien 1941. Dies war mit einem Hakenkreuz in Verbindung mit dem Schriftzug NATO auf einem Transparent dargestellt worden.
Bisher war dies nie ein politisches Problem. Heuer wurde aber genau dieses Transparent durch die Polizei beschlagnahmt und Lazar Bilanović, ein Mitbegründer und Aktivist der JÖSB (Jugoslawisch-Österreichische Solidaritätsbewegung), wegen Wiederbetätigung angezeigt.
Im österreichischen Abzeichengesetz aus dem Jahr 1960 wird im §1 festgehalten, dass Abzeichen einer in Österreich verbotenen Organisation nicht öffentlich getragen oder zur Schau gestellt werden dürfen. Unter §2 (1) steht aber auch, solange nicht das Ideengut einer verbotenen Organisation gutgeheißen oder propagiert wird, sind folgende vier Darstellungsformen vom Verbot ausgenommen: Druckwerke, bildliche Darstellungen, Aufführungen von Bühnen- und Filmwerken und Ausstellungen, bei denen Ausstellungsstücke, die unter das Verbot fallen, keinen wesentlichen Bestandteil der Ausstellung darstellen oder wenn sich die Ausstellung eindeutig gegen das Ideengut der betreffenden verbotenen Organisation richtet.
Ein Transparent, das seit 21 Jahren einen friedenspolitischen Inhalt darstellt und dafür das Hakenkreuz als abschreckendes Symbol verwendet, ist so eine bildliche Darstellung, die vom Abzeichengesetz ausgenommen ist. Das Hakenkreuz ist hier nicht als Befürwortung gemeint, sondern als Mahnung gegen den Angriffskrieg von 1941 und den Angriffskrieg des Jahres 1999. Es ist ein historisches Gleichnis, niemals eine politische Befürwortung dieser Kriege. Niemand auf der Kundgebung hat sich für die Ideologie der NSDAP betätigt, noch ihre Ziele propagiert.
Im Gegenteil, diese Menschen mahnen für den Frieden, wider den Krieg. Deswegen ist auch die Anzeige gegen Wiederbetätigung ohne rechtliche Grundlage ausgestellt worden.
Wir fordern daher die sofortige Zurücknahme der Anzeige.
Tatjana Kojić
Mitbegründerin der JÖSB
Wien, 28. März 2021
Die Abführung zur Massenerschießung am 21. Oktober 1941, darunter auch die Schüler der Klasse V/3. (Fotoarchiv: United States Holocaust Memorial Museum, Fotografie Nr. 46726)