Jenseits der Tatsache der Zerstörung von Gaza aber befindet sich Israel in einer Krise. Arabische Proteste und ethnische Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Juden auf israelischem Staatsgebiet bedrohen die Stabilität des Landes. Die Bildung einer neuen Regierung in Israel ohne Netanjahu ist zurückgestellt – die Zuspitzung des Konflikts überlagerte solche Entwicklungen.
Schockiert von lange nicht mehr gesehenen Szenen von Gewalt zwischen Juden und Arabern gingen am 13. Mai Tausende Israelis für friedliche Koexistenz auf die Straße. Auf einer Pressekonferenz erklärte der Knesset-Abgeordnete Ayman Odeh von der linken Chadasch: „Solange es die Besatzungspolitik gibt, so lange gibt es Widerstand dagegen.“ Ein Generalstreik legte daraufhin das öffentliche Leben in den besetzten Gebieten lahm. Tausende demonstrierten in Ramallah, Nablus und Jenin in den palästinensischen Autonomiegebieten. In Bethlehem ging die Polizei mit massivem Tränengaseinsatz gegen eine Demonstration vor.
Der in der Nacht zum 21.Mai in Kraft getretene Waffenstillstand kam offenbar durch massiven Druck aus Washington zustande. Am 19.Mai hatte US-Präsident Joseph Biden laut Weißem Haus Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ultimativ mitgeteilt, „dass er heute eine bedeutsame Deeskalation auf dem Weg zur Waffenruhe erwartet“.
Biden ist damit nach der Maßgabe der deutschen Bundesregierung und des Großteils der deutschen Medienlandshaft ein Antisemit. Gleiches gilt für US-Senator Bernie Sanders von den Demokraten. Er hatte bereits am 14. Mai in der „New York Times“ Israels Premierminister Benjamin Netanjahu die Hauptschuld an dem Krieg zugewiesen, ohne die Angriffe der Hamas zu entschuldigen. Er warf Netanjahu „rassistischen Nationalismus“ vor.
Und solche Signale aus den USA ignorierend hielt Außenminister Heiko Maas (SPD) im Stile des deutschen Imperialismus am 19. Mai im Bundestag eine antipalästinensische Hetzrede, in der er für die Gewalteskalation ausschließlich „den Raketenterror der Hamas“ verantwortlich machte. Seinen fast unverhüllten Aufruf, Israel solle mehr Gewalt einsetzen, lobte der AfD-Abgeordnete Oberst a. D. Rüdiger Lucassen (AfD) „Ich wünsche den Israel Defense Forces viel Soldatenglück und speziell der israelischen Luftwaffe fette Beute bei der Suche nach den Terrorführern der Hamas.“
Den deutschen Großmedien, so „Welt“ und „Bild“, reichte das nicht. Sie entfachten eine Kampagne gegen angeblich angeblich „importierten Antisemitismus“ und verleumdeten pauschal Demonstrationen für Palästina im AfD-Stil. Auch die deutschen Radio- und TV-Staatsmedien standen „Welt“ und „Bild“ bei. So löschte die „Deutsche Welle“ ein Interview, das am 18. Mai live mit dem palästinensisch-amerikanischen Journalisten Ali Abunimah geführt worden war. Der Sender entfernte die Aufzeichnung mit der Begründung, dass Abunimahs „Äußerungen antisemitisch sind und terroristische Akte rechtfertigen sollten“. Der Journalist hatte von „Israels Regime der Apartheid, Besatzung und Siedlerkolonialismus“ gesprochen und deutsche Militärhilfe dorthin kritisiert, nicht aber zu Judenhass aufgefordert.
Am 20. Mai berichtete die „Berliner Zeitung“, der ARD-Regionalsender RBB habe wegen „handwerklicher Fehler“ einen Beitrag aus der Mediathek entfernt. Ein RBB-Reporter hatte von einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin berichtet: „Es gab keine antiisraelischen Parolen. Die Kritik an der Kriegsführung der Israelis war zu hören. Aber es war kein Judenhass, kein Aufruf zur Gewalt zu hören.“ Das genügte, um den Pressesprecher des Berliner Justizsenators auf den Plan zu rufen, der auf Twitter fragte, „ob da die professionelle Distanz fehlt“. Der Sender knickte gleich ein und dienerte mit „ ja“.
29.5.2021 Rainer Brunath