„70.000 geladene Gäste, Helikopter und Kampfjets über dem Tiananmen-Platz: China feiert 100 Jahre Kommunistische Partei. Staatschef Xi Jinping wurde deutlich – und sprach von der »Großen Mauer aus Stahl«.
Seine Drohungen verpackte der Staatspräsident dabei in teils bemerkenswerte Metaphern. Die Zeit, China zu schikanieren, sei »für immer vorbei«, so Xi. Und weiter: »Wer das wagt, dem wird an der Großen Mauer aus Stahl, geschmiedet von 1,4 Milliarden Chinesen, der Kopf blutig geschlagen.«“Zitat Ende [1]
Solche Töne, wenn sie dann als Drohungen verstanden werden sollen, haben in der deutschen Politik schon lange Tradition, eine Tradition, derer sich deutsche Politiker bis heute bedienen – von den beiden deutschen Wilhelm-Kaisern bis hin zu AKK heute.
150 Jahre vor der Feierlichkeit auf dem Platz in Peking, genau im Jahre 1871 kam es nach der schikanösen Proklamierung des preußischen Königs Willhelm I zum deutschen Kaiser in Versailles im neuen Kaiserreich gegenüber dem „Erbfeind Frankreich“ zu einer gigantischen Machtdemonstration: Man errichtete bei Rüdesheim die monströse „Germania“. Ihr wurde der gegen Frankreich gerichtete Liedtext „Wacht am Rhein“ mitgegeben, ein Text, der von Frankreich als Drohung verstanden werden sollte und der von den beiden deutschen Wilhelm-Kaisern auch so gemeint war – wie unzählige ihrer Reden und (auch gegen China) belegen.
Heute wendet sich deutscher Imperialismus gen Osten. Das Säbelrasseln hat inzwischen AKK übernommen. Aber nicht nur sie will „dem Russen aus der Position der Stärke begegnen“. Solcher oder ähnlicher Töne dürfen sich auch Annalena Baerbock (Grüne) und ihre beiden Konkurrenten um die Kanzlerschaft Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) rühmen. Auf einem Talk, ausgestrahlt auf „Phönix“ und der Internet-Plattform der ARD-Tagesschau am 26 Juni zum Thema „Außenpolitik“ und weltmacht-politische Strategie des deutschen Imperialismus reihten sie sich ein in die Phalanx gegen angebliche Bedrohungen aus dem Osten.
Unisono und brav im Gleichschritt positionierten sie sich, quasi ununterscheidbar, gegenüber dem „systemischen Konkurrenten“ China. Man müsse zusammenrücken und mancher strategische Konflikt zwischen Washington, Paris und Berlin sollte dem untergeordnet werden, und die drei Kandidaten „bewiesen“ ihre Regierungsfähigkeit durch ihre grundsätzliche Zustimmung zu den imperialen Bündnissen NATO und EU und ihrer Vasallentreue gegenüber den USA.
Aber auch prinzipielle Übereinstimmung mit AKK über den Umgang mit Russland wurde deutlich – man diskutierte sogar einen möglichen Stopp von North Stream 2. Deutsche Weltmachtpolitik sollte die EU effektiver als außenpolitisches Instrument nutzen, womit ersichtlich wurde, wie die deutsche Politik die EU für ihre partikularen Interessen zu gebrauchen gedenkt.
So wird wohl auch in Zukunft die deutsche Politik prinzipiell sich in nichts von der im ersten Weltkrieg gescheiterten wilhelminischen unterscheiden. Nur die Germania, die Wacht am Rhein, schaut nicht nach Osten. Aber vielleicht ist das gut so, dann sieht sie das Elend der deutschen Politik nicht.
8.7.2021, Rainer Brunath
[1] (https://www.spiegel.de/ausland/china-feiert-100-jahre-kommunistische-partei-xi-jinping-droht-nicht-nur-taiwan-a-614004e4-01ca-4ed5-b693-523140cc8790)