„Die Welt ist aus den Fugen geraten.“ Ganz aktuell nicht durch die wachsende Kriegsgefahr, den nach wie vor drohenden Einsatz von Atombomben, den Klimawandel, der die Lebensgrundlagen zu zerstören scheint, sondern durch ein Virus, das sich weltweit in immer neuen Mutationen ausbreitet. Zunächst erschien es, als ob dieses Virus alle Menschen gleich trifft oder bedroht. Es wurde durch Geschäftsreisende der Business-Class in aller Welt verbreitet, bedroht aber in der Folge vor allem ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Besonders leiden nachweislich Menschen der Arbeiter*innenklasse, die in zu kleinen Wohnungen und unter schlechten Arbeitsbedingungen leben und arbeiten.
Nichtsdestotrotz gelang es in einer medialen Angstkampagne, viele Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Damit wurden Protesten gegen ungerechtfertigte und die Geschäfte nur der kapitalistischen Wirtschaft dienende Maßnahmen weitgehend verhindert. Die Stilllegung des öffentlichen Lebens, Kontaktbeschränkungen und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit konnten überwiegend geräuschlos durchgesetzt werden, um den reibungslosen Ablauf der Ausbeutung in den Betrieben nicht zu stören. Inzwischen verläuft die Spaltung (Grenze) der Gesellschaft Auseinandersetzung augenscheinlich nicht mehr zwischen Arm und Reich oder Oben und Unten, sondern in Geimpfte und Ungeimpfte. Das Kriterium für Gut und Böse oder solidarisch und unsolidarisch wird zu geimpft oder ungeimpft. Als Antikapitalist*innen versuchen wir, dieser Kampagne entgegenzuwirken und gemeinsam mit der Mehrheit der Gesellschaft für eine solidarische Überwindung der Pandemie, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung und ein Ende der Zerstörung von Natur und Klima zu kämpfen.
Wie ist die Mehrheit der Gesellschaft dahin gebracht worden?
Ein Virus – wahrscheinlich entstanden aus der Zerstörung der Natur und letzter Lebensräume vieler Wildtiere – hat die Welt erobert und in Bann gezogen. Und mit dem Auftreten der ersten Infektionen wurde aus einer pandemischen Lage eine Welle der Angst erzeugt. Angst mag gut sein für die Herrschenden, aber es ist kein guter Ratgeber für den Klassenkampf. Von Anfang an waren alle Maßnahmen der Regierenden darauf gerichtet, die Wirtschaft – und hier vor allem die Produktionsbetriebe der Exportindustrie – am Laufen zu halten. Dafür gab es massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens vom Einzelhandel über Kultur und Restaurants bis hin zu Messen (die ins Internet verlegt wurden). Dazu kamen Einschränkungen des Versammlungsrechtes, Kontaktbeschränkungen und sogar Ausgehverbote. Die Verantwortung für das Übertragen des Virus wurde ins Private verschoben. Profitiert haben große Konzerne und der Versandhandel in unvorstellbarem Ausmaß, während der Einzelhandel, Soloselbständige sowie die Hotel- und Gastronomiebranche massive Einschränkungen hinnehmen mussten.
Aber was schert das schon das Kapital. Der Konzentrationsprozess des Kapitals wurde massiv befördert. Die ca. 2.700 Milliardäre weltweit konnten im Corona-Jahr 2020 ihr Vermögen um 60 Prozent steigern. Während also weltweit mehr als 100 Millionen Menschen nach Schätzung der Weltbank durch Corona in absolute Armut gefallen sind und von weniger als 1,80 Dollar pro Tag leben müssen, war 2020 für die Hochvermögenden das finanziell erfolgreichste Jahr in der Menschheitsgeschichte. Von dem 750 Milliarden schweren ersten Hilfspaket der Bundesregierung gingen allein 600 Milliarden an das Großkapital.
Besonders gefördert wurde die Pharmaindustrie. Seit Beginn der Pandemie wurde von den Regierenden fast ausschließlich auf die Entwicklung eines Impfstoffes gesetzt. Für die Entwicklung von Impfstoffen gab es massive Subventionen. Für die Entwicklung von wirksamen Medikamenten oder den Ausbau des Gesundheitswesens durch mehr Intensivbetten sowie mehr Personal in den Krankenhäusern und in der Pflege kaum Mittel gab.
Das Versprechen der Regierenden und der Pharmalobby war: wenn ihr euch impfen lasst, bekommt ihr euer altes Leben schnell zurück. Dieses Versprechen war unrealistisch und konnte daher auch nicht eingelöst werden. Von Beginn der Pandemie an warnten Mediziner, Soziologen und andere Wissenschaftler, dass Corona nicht wieder verschwinden sondern mutieren und in neuen Varianten auftauchen würde. Die Empfehlungen aus diesem Kreis, vor allem Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen, wurde wenig beachtet. Auch die StKo empfahl zunächst die dritte Impfung vor allem für Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, um diese Gruppe prioritär zu schützen. Sie korrigierte dies nach der Häufung von Impfdurchbrüchen und empfahl die dritte Impfung für alle. Der als Minister scheidenden Pharmalobbyist Jens Spahn wollte sich wohl noch ein letztes Mal für gute Geschäfte einsetzen. Nachdem die EU-Kommission 2020 das Versprechen abgab, keine Impfdose würde mehr als 15 € kosten, haben bei den jüngsten Verhandlungen BioNTech/Pfizer und Moderna ihre Preise deutliche erhöht. Pfizer/Biontech nimmt nun 19,50 € statt 15,50 € und Moderna 25,50 $ (21,60 €) statt 22,50 $. Lt. einer Studie des Imperial-Colleges in London liegen die Herstellungskosten für mRNA-Impfstoffe in Massenproduktion zwischen 1,18 bis 2,85 $ je Dosis. BioNTech/Pfizer hat die Lieferung von fünf Millionen zusätzliche Impfdosen an die BRD angekündigt. Die Steuerzahler*innen haben dreimal gezahlt. Zuerst mit Milliarden für die Forschung, dann mit aufgeblähten Preisen aus öffentlichen Kassen und schließlich, weil die meisten Pharmakonzerne zu wenig Steuern zahlen.
Mittlerweile sind über 70 % der Gesamtbevölkerung und 86 % der über 60-Jährigen in Deutschland geimpft. Die irreführende Information der Regierungen, mit zwei Mal piksen sei man oder frau vor Corona dauerhaft geschützt, stellt sich als falsch heraus. Die Schutzwirkung von Impfungen lassen mit der Zeit nach und auch Geimpfte können das Virus weitergeben und/oder schwer erkranken. Weitere Mutationen des Virus, wie aktuell Omikron können den Impfschutz möglicherweise umgehen und auch Geimpfte infizieren. Die Impfung bietet also keine sichere Immunität.
Gegen eine Impfpflicht!
Trotzdem diskutieren Politik und von der Pharmaindustrie abhängige Wissenschaftler über eine Impfpflicht als Allheilmittel. Das ist es nicht! Ein Gesetzentwurf mit einer Impfpflicht für Gesundheitsberufe wurde bereits im Bundestag verabschiedet. Um den durch viele bisherige Maßnahmen wie 3G am Arbeitsplatz und im ÖPNV, 2G im Einzelhandel, Gastronomie und Kulturveranstaltungen, indirekten Impfzwang und die irreführende Debatte über eine Impfpflicht zu beenden, müsste folgendes berücksichtigt werden:
- Das 2G-Modell und 3G für die Arbeit und ÖPNV bedeuten nichts anderes als indirekten Impfzwang und ergeben wirkungsbezogen nur wenig Sinn. Wenn, dann müsste es ein kostenfreies 1G-Modell geben: Getestet. Am Arbeitsplatz müssten die Unternehmen, die schließlich von der Arbeitskraft profitieren, die Testung übernehmen. Dazu müssen ausreichende Testkapazitäten bereitgestellt werden.
- Die Impfung sollte eine freie Entscheidung bleiben, und dies muss endlich akzeptiert werden. Impfzwang als allgemeine Maßnahme ist irrational und löst nicht das Problem. Andere Europäische Länder schaffen das vorbildlich (Spanien, Portugal, Schweden, Island …)
- Viele Menschen, die sich bisher nicht haben impfen lassen, misstrauen den mRNA-Impfstoffen. Deshalb wird es Zeit, endlich proteinbasierte Impfstoffe zuzulassen.
- Es gibt bislang einen von der WHO anerkannten proteinbasierten Impfstoff Sinopharm aus China, der weltweit im Einsatz ist. Und auch Kuba bemüht sich seit Monaten um die Anerkennung seiner sehr zuverlässigen Impfstoffe.
- Wir fordern die Zulassung dieser Impfstoffe in der EU und in Deutschland! Sie sind ebenso wirksam, nach bisheriger Kenntnis nebenwirkungsärmer, einfacher zu lagern (keine Tiefkühlung erforderlich) und sie sind kostengünstiger. Der einzige Nachteil: Sie machen die großen Pharmakonzerne nicht reicher.
Offensichtlich geht es mehr um Profitsicherung für die Pharmaindustrie der Industrienationen als um Gesundheitsschutz. Dass es inzwischen Probleme mit Krankenhauskapazitäten gibt, liegt an der Profitorientierung, die u.a. dafür gesorgt hat, dass seit der ersten Corona-Welle über 9.000 Intensivbetten „verschwunden“ sind (DIVI-Intensivbetten-Register). Immer noch werden Stationen und ganze Kliniken geschlossen, weil es im Kapitalismus nicht um Gesundheitsversorgung, sondern um Shareholder-Value für Finanzinvestoren geht. Auch (noch) kommunale Kliniken werden durch das Fallpauschalen-System systematisch unterfinanziert. Viele stehen kurz vor der Insolvenz und/oder bauen Betten bzw. unrentable Stationen wie Geburtshilfe und Kinderstationen ab. Dazu kommt, dass nur Allgemeinkrankenhäuser Corona-Patient*innen behandeln. Fachkliniken wie z.B. orthopädische Kliniken, Psychiatrien, Herzkliniken oder rein internistisch-geriatrische Krankenhäuser fallen aus der Notfallversorgung von Corona-Patient*innen raus, weil sie nicht an der Allgemeinversorgung teilnehmen. Reine Fachkliniken sind bundesweit 716 der 1.914 Krankenhäuser oder 37 %.
Und vor allem gibt es erheblich zu wenig Pflegepersonal – und das nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. Notwendig sind:
- eine gesetzliche, bedarfsgerechte Personalbemessung in Krankenhäusern und in der Pflege,
- eine Reduzierung der Arbeitszeit für Beschäftigte im Gesundheitswesen auf eine 30 Std-Woche
- und 500€ monatlich mehr und bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen!
Damit wäre der Engpass in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen zu beheben. Krankenhäuser müssen endlich wieder ohne Profitstreben als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge betrieben werden. Die Fallpauschalen und Profite mit der Gesundheit gehören schnellstmöglich abgeschafft.
Wir wollen eine Kombination von angemessener Gesundheitsversorgung UND eine Politik für maximale Schutzwirkung in der Pandemie.
Das ausschließlich durch Kapitalinteressen verursachte Hauptproblem der Coronapolitik sind der Patenschutz und die grauenhafte Idee, man könne „den Rest der Welt“ ausblenden, wenn man nur genügend Impfstoff für die „eigene Bevölkerung“ habe. Das ist katastrophal, wegen der schlichten Inhumanität und auch wegen der Mutationsspielräume, die man dem Virus damit verschafft. Sollte das Kalkül sein, dass munteres Mutieren „glücklicherweise“ ständig neue Impfstoffgeschäfte ermöglicht, ist das einfach kriminell. Die jetzige Situation ist mit Impfen allein nicht radikal zu verbessern. „Social distancing“ (und FFP- 2 Masken für alle) wird also auch weiterhin sinnvoll und notwendig sein.
Zusammengefasst bedeutet das:
- Die Lösung ist nach wie vor: Impfen und sinnvolles „social distancing“, im Schwerpunkt gestützt durch Testen. Bedingungen: Bereitstellen von Impfstoffen und Tests für die gesamte Weltbevölkerung (alles was produziert werden kann, egal ob proteinbasiert, Vektor – basiert oder mRNA – basiert).
- Verteilen der Kosten auf die reichen Länder und zwar zu Herstellkosten, nicht zu „Marktpreisen“. Das erfordert für die Pharmariesen eine Behandlung, wie sie für alle Unternehmen zu Zeiten der Umstellung der amerikanischen Wirtschaft auf Kriegsproduktion in den 1930iger Jahren getroffen wurden. Wer nicht mitmacht, muss seine Produktionskapazitäten an den (jeweiligen) Staat abgeben.
Solidarität mit den Menschen dieser Welt erfordert eine sofortige Aufhebung des Patentschutzes und eine Verpflichtung für die Hersteller, Impfstoffe kostendeckend ohne Profite zu produzieren!
Die Verfasser*innen dieser Erklärung bitten um Verbreitung und Unterstützung. Unterzeichnung bitte an: GegenImpfpflicht@gmx.de
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Unterzeichner*innen:
Jürgen Aust – DIE LINKE. Duisburg, Antikapitalistische Linke
Michael Droste – DIE LINKE, Antikapitalistische Linke NRW
Udo Hase- DIE LINKE. Krefeld, Antikapitalistische Linke NRW
Inge Höger – DIE LINKE. Herford, Antikapitalistische Linke
Thomas Zmrzly, Antikapitalistische Linke NRW
Weiterführende Informationen:
RLS-Standpunkte: Deja-vu in der 4. Welle – Aufklärung statt Verkleisterung von Widersprüchen (November 2021)
Peter Nowak: Autoritäre Corona-Dauerwelle: Akzeptanz und Alternativen (Telepolis v. 05.12.2021)
Timo Reuter: Die Krise der Linken (FREITAG v. 29.12.2020)
Joachim Hirsch: Was ist aus der Linken geworden? (links-netz.de v. 07.11.2021)
Philipp von Becker: Denn wir wissen nicht, was wir tun? (FREITAG v. 21.04.2020)