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Weg zum Frieden: Abtretung des Donbass und der Krim

Vorstoß Kissingers für realistische Begrenzung des US-Empires


28. Mai 2022
Wilhelm Langthaler

Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger ist am WEF in Davos für die Abtretung der Krim und des Donbass (Minsker Grenzen) an Russland eingetreten. Schon einige Tage zuvor erschien im zentralen Regime-Medium New York Times ein ähnlich lautender Leitartikel . Die Quintessenz: ein totaler Sieg von USA/Nato ist höchst unwahrscheinlich. Ein russischer Teilerfolg würde den US-Einfluss insbesondere auf Europa schwächen. Man müsse schnell handeln, um zumindest zum Status quo ante zurückzukehren.


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Hintergrund dessen sind die langsamen aber doch unverkennbaren militärischen Erfolge Russlands im Donbass und der drohende Kessel von Severodonetsk-Lisitschansk, der bis zu einem Drittel der ukrainischen Kampftruppen im Donbass einschließlich eines gewissen Nazi-Anteils einschließen könnte – mit verheerender militärischer und politischer Wirkung.

Der ukrainische Nationalismus schreit natürlich laut auf – alle anderen Stimmen in der Ukraine selbst hat er ja schon lange tot gemacht. Das EU-Establishment samt Medien schreit mit, sich auf den Großen Bruder in Washington verlassend.

Aber auch in Europa schaut es unter der Oberfläche anders aus. Am meisten brodelt es in Italien. Außenminister Di Maio hatte kürzlich einen unrealistischen Friedensplan vorgestellt, der weniger beinhaltet als das Minsker abkommen. Er musste in Moskau auf Ablehnung stoßen, denn selbst die Idee Kissingers entspricht nicht mehr der politisch-militärischen Realität und müsste den gesamten Donbass umfassen. Doch auch Deutschland und Frankreich treten für Verhandlungen ein. Sollten sich die russischen Erfolge konsolidieren, werden diese Rufe lauter werden, zumal auch in Washington der realistische Flügel seine Stimme erhoben hat.

 

Und die friedensbejahende, demokratische und antiimperialistische Sicht?

Wir bleiben dabei: der russische Angriff war ein historischer Fehler, der den ukrainischen Nationalismus und die Pro-Nato-Kräfte politisch nachhaltig stärkt. Es wäre politisch viel klüger gewesen, auf den ukrainischen Angriff zu warten und sich dagegen zu verteidigen, auch wenn das im engen militärischen Sinn Nachteile gebracht hätte. Die politischen Vorteile, die Nato-Aggression für die ganze Welt offengelegt zu haben, hätten allemal überwogen. Auch die prinzipielle antiukrainische Position ist zu verurteilen und gegen das Selbstbestimmungsrecht gerichtet – darum die heftigen Attacken Putins auf Lenin.

Doch gleichzeitig müssen wir immer darauf hinweisen, dass der Krieg 2014 mit dem Maidan and der Machtergreifung des ukrainischen Nationalismus begann. Sie zerstörte die Ukraine als multiethnischen Staat und war eine Kriegserklärung nicht nur an die Russen im Land, sondern an die Mehrheit, die in der einen oder anderen Form die Kooperation mit dem großen Nachbarn anstrebte.

In einem gewissen Sinn handelt es sich um eine Annexion durch den ukrainischen Nationalismus, der sich den Süden und Osten gegen den Willen der Bevölkerung aneignete und eine nationalistische Diktatur errichtete. Dagegen gab es einen Volksaufstand, der aber nur in dem begrenzten Territorium ganz im Osten zu den Volksrepubliken führte. Weite Teile der Bevölkerung der Ukraine blieben nicht nur unrepräsentiert, sondern unterdrückt.

Russland agierte an sich zurückhaltend. Es bestand auf das Minsker Abkommen, das lediglich Autonomie für die Territorien der Volksrepubliken vorsah – selbst das wurde vehement vom Kiewer Regime mit westlicher Unterstützung abgelehnt. Aber die nicht einmal gestellte Frage war viel weitreichender, nämlich Selbstbestimmung für den ganzen Süden und Osten, der nicht unter den Nationalisten leben wollte. Es ist kein Zufall, dass die Nazi-Verbände Namen tragen, die Gebietsansprüche im Donbass markieren, wie das Asowsche Meer oder der Grenzfluss Ajdar. Für den ukrainischen Nationalismus ist jede Form des Föderalismus ausgeschlossen, ganz zu schweigen von der Kooperation mit Russland. Moskau ist der zentrale Feind und da treffen sich die Interessen des ukrainischen Nationalismus mit jenen Washingtons und der Nato, die damit an die russische Grenze herangerückt sind.

Der Kreml hat auf seine Art und Weise versucht, zu einem Kompromiss zu kommen. Doch von Kiew und dem Westen kam nur Ablehnung und weitere antirussische Expansion. Jetzt hat er in seiner Sprache reagiert. Er versucht die Annexion der russischen und multiethnischen Gebiete durch die ukrainisch-westlichen Koalition militärisch rückgängig zu machen.

Lenin und die demokratischen, sozialrevolutionären Antiimperialisten hätten es ganz anders gemacht. Die Selensky-Regierung stand zum Schluss schon auf tönernen Füßen und die prorussische Opposition war zuletzt immer schwerer zu unterdrücken, außer mit offenem Nazi-Terror, gedeckt durch die Staatsapparate. Diese mittels eines demokratischen Volksaufstands wie 2014 im Donbass zu stürzen, wäre wohl kaum möglich gewesen, angesichts der massiven westlichen Unterstützung. Aber man hätte politisch arbeiten, der Ukraine grundsätzlich das Selbstbestimmungsrecht zugestehen können, zumindest dort wo der Nationalismus satte Mehrheiten hat, auch um das Minsker Prinzip glaubwürdig zu machen. Und man hätte auf einen Fehler der Nationalisten und ihrer westlichen Unterstützer warten müssen, die in ihrem Machtanspruch zu militärischen Lösungen tendieren. Hätten sie angegriffen, dann wäre die politische Legitimität auf russischer Seite gewesen – außer bei den westlichen Eliten und ihren Apparaten. Jedenfalls hätte diese niemals eine solche politisch-militärische Kampagne entfalten können, die selbst Finnland und Schweden freiwillig in die Nato zu bringen droht.

Die beste Lösung für einen Frieden wäre nach wie vor eine neutrale, demokratische und föderative Ukraine. Leider hat das gegenwärtig nur mehr den Status eines Prinzips, das aber umso wichtiger ist.

Solange in Kiew der ukrainische Nationalismus mit Unterstützung der Nato herrscht, ist die Abtretung des Donbass, der Krim und möglicherweise noch anderer gemischter Gebiete ein Weg für den Frieden.

Doch es bleibt das Problem des Kiewer Regimes, das grundlegend antidemokratisch und proimperialistisch ist und das durch die Politik Moskaus politisch legitimiert wird. In einem gewissen Sinn hat Putin das Kiewer Monster zu schaffen geholfen. Derzeit bliebe eine militärisch reduzierte Westukraine fest in rechtsnationalistischer Hand und gleichzeitig Aufmarschbasis der Nato. Es ist der Preis, den Putin Russland zahlen lässt. Eine leninistische Lösung bestünde in einem demokratischen Angebot an die Ukraine seitens Russlands, das den harten rechtsradikalen Nationalismus schwächt, eine selbständige demokratische und föderative Ukraine in Freundschaft mit Russland konzipiert und Nato und EU draußen hält.

 

Stellungnahme Henry Kissinger in Davos

Editorial NYT für realistische Position der USA gegen Russland

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