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Bericht Demos rund um die Münchner Sicherheitskonferenz 2023

20. Februar 2023
Von Stefan Rossi

In München findet seit den 60er Jahren jedes Jahr im Februar die Münchner Sicherheitskonferenz statt. Die Gäste der Konferenz sind hochrangige Regierungsvertreter die sich über internationale Sicherheitsthemen austauschen und abstimmen. Die Teilnehmer der vergangenen Jahre waren unter anderem: Hillary Clinton, Donald Rumsfeld, Joschka Fischer, Angela Merkel, Joe Biden, David Cameron, Bill Gates und Wladimir Putin.


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Dieses Jahr standen auf der Teilnehmerliste:

 

•          Olaf Scholz (Bundeskanzler, BRD)

•          Kamala Harris (Vizepräsidentin, USA)

•          Jens Stoltenberg (Generalsekretär, NATO)

•          Wang Yi (Direktor für auswärtige Angelegenheiten, China)

•          Ursula von der Leyen (Präsidentin, Europäische Kommission)

•          Annalena Baerbock (Außenministerin, BRD)

•          Andrzej Duda (Präsident, Polen)

•          Emmanuel Macron (Präsident, Frankreich)

•          Boris Pistorius (Verteidigungsminister, BRD)

•          Dmytro Kuleba (Außenminister, Ukraine)

•          Zugeschaltet: Wolodymyr Selenskyj (Präsident, Ukraine)

 

Vertreter aus Russland und Iran wurden dieses Jahr ausdrücklich nicht eingeladen.

Finanziert wird die Sicherheitskonferenz aus Mitteln der Bundesrepublik Deutschland, des Freistaats Bayern sowie diverser Sponsoren (Amazon Web Services, Bayer, EnBW, Ernst&Young, Goldman Sachs, Google, Merck, Palantir, Qualcomm, Commerzbank, Deloitte, Leonardo, Lockheed Martin, Microsoft, Rheinmetall, Uniper etc.). Als Partner werden folgende Namen genannt: Atlantic Council, Atlantik-Brücke, BDI, Bill&Melinda Gates Foundation, BMW Foundation Herbert Quandt, McKinsey&Company, Rockefeller Brothers Fund, Bayerischer Rundfunk, Deutsche Welle, YouTube, Siemens Energy, BMW, Allianz u.v.m.

Für Kritiker aus dem pazifistischem Lager geht es bei dieser Konferenz aber um das Gegenteil von Sicherheit, und sie werfen den mächtigsten Staaten vor hier zukünftige militärische Auseinandersetzungen abzustimmen und zu planen. Aus diesem Anlass veranstaltet das Anti-Siko Bündnis jedes Jahr eine Demonstration und Friedenskonferenz in München. Teil dieses Bündnis sind z.B. Attac, DKP, Deutscher Friedensrat, DiEM25, zahlreiche Friedensinitiativen und auch die Unabhängige Grüne Linke, eine Gruppierung innerhalb der Partei Bündnis90-Die Grünen. Die Anzahl der Teilnehmer variiert von Jahr zu Jahr je nachdem welche militärischen Konflikte gerade stattfinden, so war der Zulauf besonders groß vor und während des Konflikts mit dem Irak. Angesichts des Kriegs in der Ukraine wurde auch für dieses Jahr eine rege Teilnahme erwartet, doch kam es schon im Vorfeld der Demonstration zu Unstimmigkeiten mit einer neuen Gruppierung innerhalb der Protestbewegung. Während der Covid-Pandemie entstand eine Protestreihe unter dem Namen “München steht auf (MSA)”. Am Anfang der Pandemie bestand diese Gruppierung aus wenigen Verschwörungstheoretikern und Pandemieleugnern. Als die Medien und Politik allerdings den Impfdruck stark erhöhten erfuhr diese Bewegung großen Zulauf aus allen Teilen der Bevölkerung und es entwickelte sich eine sehr breite Bewegung die ihren Höhepunkt im Winter 2021/2022 fand. Aufgrund der Dynamik dieser Proteste hatten die Behörden daraufhin per Allgemeinverfügung alle Demonstrationen mit Covid-Bezug unterbunden, was wiederum zu den illegalen Montagsspaziergängen führte. Nachdem die Impfpflicht im Bundestag scheiterte und Covid an Bedeutung verlor, hatte das auch Auswirkungen auf die MSA Demonstrationen. Der Anteil der breiten Bevölkerung nahm immer stetig ab und übrig blieb, wie am Anfang der Bewegung, eine kleine Anzahl von Verschwörungstheoretikern und Extremisten. Der Kopf dieser Bewegung, Melchior Ibing, ist politisch relativ unerfahren was man auch an seinen teils wirren Aussagen erkennt, z.B. hat er sich in Videobotschaften wiederholt als überzeugter “linksliberaler” dargestellt. Da in Deutschland gerade eine linksliberale Koalition regiert fragt man sich unweigerlich warum dieser Mann überhaupt eine Protestbewegung organisiert. Außerdem kritisiert er immer wieder “neoliberale” Wirtschaftspolitik, was vermuten lässt, dass er seine ganz eigene Definition von “linksliberal” hat. Melchior Ibing versucht nun MSA mithilfe der Ukraine-Krise als “Bürgerrechtsbewegung” zu etablieren und wandte sich an das Anti-Siko Bündnis mit der Anfrage einer Kooperation. Er erhielt die Antwort, dass dies grundsätzlich möglich wäre unter der Voraussetzung einer öffentlichen Abgrenzung vom rechten politischen Spektrum inkl. der AfD. Dazu war MSA jedoch nicht bereit und verwies darauf, dass die AfD die einzige Partei war die sich gegen die Coronapolitik auflehnte. Da sich beide Bewegungen nicht einigen konnten wurde schlussendlich getrennt demonstriert. Die traditionelle Anti-Siko-Demo am Karlsplatz und MSA am Königsplatz. Außerdem fanden noch Veranstaltungen der AfD und Mucraine statt. Hier ein Versuch, das Geschehen des Tages einzuordnen.

 

AfD – Karl-Stützel-Platz

Um 11 Uhr versammelten sich 200 – 300 Anhänger der AfD und ebensoviele Gegendemonstranten. Beide Gruppierungen wurden von der Polizei getrennt, so dass es nur zu verbalen Ausschreitungen kam. Die Gegner der AfD kamen offensichtlich aus dem Milieu der Antifa und auffällig viele trugen eine Maske obwohl die Veranstaltung im Freien stattfand. Unter anderem wurde skandiert: “AfD Rassistenpack, wir haben euch zum Kotzen satt!” und “Wir kriegen euch alle!”

AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum erwähnte die durch die Widerstandsbewegung gescheiterte Impfpflicht und die vielen Menschenleben die dadurch gerettet wurden. Nun könne die Protestbewegung auch erreichen, dass die Regierungen gezwungen werden mit Russland über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Sie kritisierte vor allem, dass alle Verhandlungsangebote Putins abgelehnt wurden. Dann zitierte sie eine Rede Schäuble’s von 2011, dass Deutschland seit 1945 nicht mehr souverän gewesen sei. Hier drängte sich mir der Verdacht auf, dass sie sich der Reichsbürgerszene anbiedern will.

Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer beschwerte sich, dass die bürgerliche Partei AfD von Rot und Grün immer wieder als Nazipartei diffamiert wird und das der heutige Faschismus eine Regenbogenflagge trägt. In Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen des amerikanischen Imperialismus, skandiert er “Ami go home!” und erwähnt dabei die “Anständigen Linken” wie Wagenknecht und Lafontaine. Am Ende seiner Rede zitiert er sogar Ernst Thälmann: “Einen Finger kann man brechen, aber fünf Finger sind eine Faust!”.

Die Frage nach Moral und Gerechtigkeit kam bei der Veranstaltung nicht auf, es ging hier eher darum Deutschland mit möglichst billiger Energie zu versorgen. Auch das Sondervermögen von 100 Mrd. € für die Bundeswehr sowie die Aufrüstung im Allgemeinen wurde nicht in Frage gestellt.

Die Teilnehmer der AfD-Veranstaltung gingen danach zu MSA am Königsplatz. Die linken Gegendemonstranten hingegen begaben sich zu Anti-Siko am Karlsplatz.

 

MSA – Königsplatz

Um 13 Uhr begann die Veranstaltung von München steht auf. Die AfD-Anhänger hatten sich unter die Teilnehmer gemischt und der nationalistische Charakter war trotz des Verbots politischer Symbole sichtbar. Die Teilnehmer mit rechter Gesinnung wichen auf die deutsche Nationalflagge aus, teilweise waren auch bayrische, österreichische und russische Flaggen zu sehen. Nach offiziellen Schätzungen nahmen bis zu 10.000 Menschen teil. Auffällig war auch, dass viel Dialekt gesprochen wurde, offensichtlich waren viele Demonstranten aus dem Umland angereist. Es gab auch vereinzelt vulgäre Transparente wie “Ihr könnt euch eure Panzer in den Arsch stecken” und die Veranstaltungsleitung wies bei der Eröffnung darauf hin, dass Judensterne und Reichsflaggen nicht erlaubt sind. Es war nötig dies zu erwähnen da diese Symbole bei vergangenen Veranstaltungen gezeigt wurden.

Nach der Eröffnung wurde als erstes eine Videogruß von Dr. Daniele Ganser abgespielt und er betonte mal wieder, dass wir alle zur Menschheitsfamilie gehören.

Der erste Redner war Dr. Diether Dehm und er legte gleich los indem er auf die ukrainischen Nazis verwies und ein Verbot von “Slava Ukraini” forderte. Außerdem betonte er, dass die Ukraine-Krise nur die Vorbereitung für einen Konflikt mit China sei. Zum Schluß seiner Rede versuchte er dann mit mäßigem Erfolg zusammen mit dem Publikum sein Lied “Ami Go Home” zu singen.

Generell herrschte unter den Teilnehmern eine ähnliche Stimmung wie bei der vorangegangenen AfD-Veranstaltung. Der Wunsch nach Frieden war eher getrieben von ökonomischen Gründen, es gab weder Kritik an der NATO-Politik noch waren Fahnen linker Organisationen zu sehen.

Zu einem späteren Zeitpunkt als ich den Königsplatz bereits verlassen hatte sprach noch Dr. Jürgen Todenhöfer.

 

Anti-Siko – Karlsplatz

Die traditionelle Demo am Karlsplatz war mit ca. 2.000 Teilnehmern schwächer besucht als erwartet. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass dies an der Spaltung der Bewegungen lag, da die Teilnehmer von MSA wohl kaum an dieser Demo teilgenommen hätten. Hier war der Charakter wohl zu links und urban für die eher rechtslibertäre Klientel von MSA. Bei dieser Veranstaltung war es jedenfalls nicht nötig darauf hinzuweisen, dass Judensterne und Reichsflaggen verboten sind. Bei Anti-Siko waren hauptsächlich linke Flaggen verschiedenster Gruppierungen präsent (DKP, MLP, der Funke, Partizan, YPG etc.). Mein Eindruck war eher, dass Teile des linken Spektrums aus zwei Gründen zu Hause geblieben sind. Ein Teil der Bevölkerung ist immer noch traumatisiert vom Hass der Linken gegen Ungeimpfte und den geforderten Freiheitsbeschränkungen. Der andere Teil ist nicht gekommen weil es sich ihrer Meinung nach um einen Angriffskrieg Russlands handelt und es richtig ist die Ukraine militärisch zu unterstützen. Das hatte zur Folge, dass die Teilnehmer sehr weit links zu verorten waren, es fehlte die Unterstützung von moderaten Linken oder dem sozialdemokratischen Lager.

Nach den Redebeiträgen der “Sozialistischen Deutschen Arbeiter Jugend” und des “Munich-American-Peace-Commitee” formierte sich der Protestzug in Richtung Marienplatz zur Schlußkundgebung mit Sevim Dagdelen (Partei Die Linke).

 

Mucraine – Odeonsplatz

Am Odeonsplatz versammelten sich die Befürworter der Waffenlieferungen an die Ukraine. Hier dominierten Flaggen der Ukraine und EU, vereinzelt war auch “Volt” und die “Partei der Humanisten” zu sehen. Ein Redner war Mitglied der ukrainischen Delegation und hatte die Sicherheitskonferenz extra verlassen, um zu den Demonstranten zu sprechen. Er erwähnte, dass Kamala Harris auf der Konferenz soeben die Menschenrechtsverletzungen Russlands beklagte und das die USA sich dafür einsetzen werden die Verursacher zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Aussage wurde inzwischen von den Medien bestätigt.

Der Ruf “Slava Ukraini” wurde immer wieder über die Lautsprecheranlage skandiert und ständig wurden Parolen wiederholt wie “Danke Deutschland”, “Waffen für die Ukraine stoppen Genozid” oder “Sieg für Ukraine ist Freiheit für Europa”. Zu tumultartigen Szenen kam es dann als der Protestzug der Anti-Siko den Odeonsplatz passierte. Die Demonstranten wurden zwar durch ein Polizeiaufgebot getrennt aber die Unterstützer der Ukraine wurden sehr emotional und aggressiv. Einzelne Demonstranten beschimpften die NATO-Kritiker als “dreckige Kommunisten” und über die Lautsprecher wurde ständig “Lumpen-Pazifisten – geht zu Putin” wiederholt.

Nachdem die Protestler der Anti-Siko den Odeonsplatz passiert hatten beruhigte sich die Lage wieder etwas. Ein Redner betonte, dass Russen die Ukraine verlassen müssen, präzisierte aber nicht ob damit nur die russischen Streitkräfte oder auch die russische Zivilbevölkerung gemeint war. Eine Rednerin aus Litauen solidarisierte sich mit der Ukraine und forderte den Ausschluss Russlands von den Vereinten Nationen. Außerdem sollen Russen generell keine Visa mehr für die EU bekommen, da sie alle Spione sind. Danach sprach noch jemand von der Partei “Volt” und warnte vor dem “russischen Expansionswahn”.

Zu diesem Zeitpunkt glaubte ich nicht mehr an die angekündigten Beiträge von Hofreiter und Strack-Zimmermann und begab mich zur Abschlusskundgebung von Anti-Siko. Laut diesem Bericht sind aber beide tatsächlich noch zum Odeonsplatz gekommen.

 

Anti-Siko – Marienplatz

Nach den Beleidigungen vom Odeonsplatz kam der Protestzug schließlich am Marienplatz an wo Sevim Dagdelen (Partei Die Linke) ihre Rede hielt. Sie kritisierte, dass beim Völkerrecht mit zweierlei Maß gemessen und der Bruch desselben bei NATO-Mitgliedern toleriert wird. Als Beispiele nannte sie die Foltergefängnisse der USA in Guantanamo Bay und Abu Ghraib und die türkische Invasion in Syrien von 2018. Dagdelen erwähnt auch die britischen Bemühungen die Friedensverhandlungen mit Russland zu torpedieren. Zum Schluß verwies sie noch auf das Manifest von Wagenknecht und Schwarzer und auf die entsprechende Demonstration in Berlin am 25. Februar.

 

Fazit

Die linke Szene in München und Bayern ist zutiefst gespalten und momentan bringen rechte Bewegungen den Protest effektiver auf die Straße. Als Reaktion darauf fordern immer mehr Menschen eine Querfront, in der linke und rechte Kräfte für gemeinsame Ziele streiten, z.B. Friedensverhandlungen mit Russland. Die Beweggründe für dieses gemeinsame Ziel sind jedoch grundverschieden und linke Bewegungen riskieren dabei ihr moralisches Profil zu verlieren. Da sie auch zahlenmäßig unterlegen sind laufen sie Gefahr innerhalb einer Massenbewegung in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. In diesen schwierigen Zeiten sollte der Fokus auf “Qualität” statt “Quantität” liegen, als Basis für ein gesundes und nachhaltiges Wachstum der linken Protestkultur. Deswegen halte ich die Entscheidung von Anti-Siko nicht mit MSA zu kooperieren für richtig und konsequent.

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