Site-Logo
Site Navigation

PDS-Austritt

11. Oktober 2001

von: Günter Ackermann, 08. Oktober 2001

Liebe Genossin Hanna,
hiermit erkläre ich meinen Austritt aus der PDS.

Gründe:
1. Die FAZ schreibt am 8. Oktober 2001:
„Sie (die PDS, G.A.) erkennt aber das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen an, plädiert für einen internationalen Strafgerichtshof und im Innern für die Verstärkung der Polizeikräfte und die Lockerung des Bankgeheimnisses. Gehrcke beteuert, der „Friedensappell“ habe „Türen geöffnet“ heraus aus dem fundamentalpazifistischen Gefängnis, in das sich die Partei vor eineinhalb Jahren in Münster begeben hatte, auf einem Parteitag, auf dem die Linke das Friedensthema zu ihren Gunsten propagieren konnte.“
Ich bin kein Fundamentalpazifist, wie Genosse Gehrke so schön formuliert, ich bin noch nicht einmal Pazifist, sondern schlicht und einfach Marxist. Für mich gilt noch immer, was Karl Liebknecht schrieb: „Der Hauptfeind eines jeden Volkes steht in seinem eigenen Land,“ Der Hauptfeind – das sind jene Kräfte, die in den Konzernen und Banken ihre schmutzigen Geschäfte betreiben, die um ihrer Profite willen ganze Landstriche zu Elendsgebieten machen, es sind die Kräfte, die im Juli in Genua ihre Regierungen untereinander ausmauscheln ließen, wie sie die Welt noch besser unter der Knute der Profitinteressen aussaugen können. Sie schrecken nicht zurück Kriege zu führen, Menschen zu ermorden und Not und Elend zu verbreiten.
Die Tat eines Durchgeknallten, wenn es denn der allgemein genannte bin Laden war, der hinter den Anschlägen in den USA steckt, war nur die verbrecherische Antwort auf die Verbrechen des Imperialismus auf die Menschen in allen Ländern der Erde.
Die PDS, die eigentlich berufen ist als sozialistische Partei, benennt das nicht. Sie versteckt sich hinter dem angeblichen Gewaltmonopol der UNO. Mal abgesehen davon, dass es dieses Gewaltmonopol nicht gibt, so hat die Geschichte gezeigt, dass die UNO bisher niemals gegen die Interessen der imperialistischen Staaten gehandelt hat, sondern immer der Vollstrecker derer Interessen war. Der bisher einzigen Krieg, den die UNO geführt hat, der Korea-Krieg, war der Krieg der USA gegen das Vordringen des Sozialismus in Asien.
Auch jetzt hält sich die UNO an diese Regel. Die bisherigen Resolutionen des Weltsicherheitsrates unterstützen die Haltung der USA. Ob die Bomben, die Menschen in Afghanistan töten, aus blau angestrichenen Flugzeugen abgeworfen werden, oder die Raketen, die Kabul und andere Städte treffen, anstelle des weißen Sterns das UN-Symbol tragen, bleibt gleich. Für den Krieg, den die USA jetzt führen, waren die Anschläge nur der Anlass.
Wir haben vor dem Parteitag in Münster lang und breit über dieses Thema diskutiert, ich werde es nicht weiter ausführen.
2. Mehr Polizei fordert die PDS. Mal abgesehen davon, dass ganze Heere von Polizisten diese Anschläge nicht hätten verhindern können, bedeutet mehr Polizei auch immer mehr Kontrolle der Bürger und mehr Einschränkung demokratischer Rechte. Wenn eine Partei, die sich als linke Partei verkauft, das fordert, steht sie nicht mehr links.
Die PDS tut so, als seien Polizisten die lieben netten Freunde und Helfer, die alten Omis und kleinen Kindern über die Straße helfen. Die Aufgaben der Polizei sind ganz andere. Wir haben es im Januar 2000 erlebt, als in Berlin die Polizei Jagd auf Demonstranten der LL-Demo machte, oder bei den diversen brutalen Überfällen auf Demonstranten z.B. im Sommer 2001 in Genua. Mehr Polizei auf die Straßen fordert eine Partei, die sich als sozialistisch bezeichnet.
3. Als ich vor 7 Jahren in die PDS eintrat, hatte ich die Hoffnung, es wäre die Chance mit einer starken linken Partei die gesellschaftlichen Verhältnisse in der BRD umzugestalten. Das wurde zwar bald als Irrtum erkannt, denn auch damals schon schmuste die Parteiführung mit der SPD und verschleierte deren Rolle in der BRD. Aber ich hatte die Hoffnung, man könne die PDS als Resonanzboden verwenden für eine sozialistische Politik. Ich nahm in Kauf, dass sich Kräfte in der PDS breit machten, deren politische Position ich zutiefst ablehnte. Ich sagte, wenn wir als Sozialisten wahrgenommen werden, weil wir in der PDS sind. und nebenher der Preis gezahlt werden muss, die bürgerliche Seite der Partei zu verschleiern, dann kann ich in dieser Partei arbeiten. Erfolge bei den Kommunalwahl 1999, bei der wir den Wahlkampf als konsequent linke Partei führten, schienen eine Bestätigung hierfür zu sein.
Bei selbstkritischer Betrachtungsweise war das ein Irrtum. Alle Versuche, eine linke Politik am Ort offensiv zu vertreten, blieben in den Anfängen stecken. Verhängnisvolle Fehlentscheidungen von Teilen der Fraktion taten ein Übriges. So wollte die Fraktionsmehrheit der Härtefallkommission zustimmen, die die SPD zur Profilierung als Migrantenfreund des rechten Dezernenten Jürgen C. Brandt einrichten wollte. Eine Kommission, die keinerlei Kompetenzen hatte und nur am Gängelband Brandts geführt worden wäre. Erst die massive Intervention der linken Kräfte im Kreisvorstand, in der Fraktion vertreten durch Genossen Dimitri Tsalos, verhinderte die Fehlentscheidung. Die Kommission, die später auf unseren Druck eingerichtet wurde, ist unabhängig und hat Kompetenzen. Sie hat sich aber noch nicht einmal konstituiert. Das ist der einzige greifbare Erfolg in den zwei Jahren – durch Druck des linken Flügels in der Partei und der Minderheit der Fraktion.
Mir wurde immer mehr klar, dass wir als Linke, als Marxisten und Kommunisten, die Funktion in dieser Partei haben, die Menschen im Land über den wahren Charakter der PDS als sozialdemokratische Partei zu täuschen.
4. Mit dem Beschluss des Leitantrages in Dresden hat die PDS die Weichen gestellt, noch weiter hinein in den sozialdemokratischen Sumpf zu gehen. Dieser Leitantrag bekennt sich ausdrücklich zum Programmentwurf 1 von Brie-Klein-Brie. Ein Entwurf, der, wie Andrà© Brie zugab, vom Geist des rechtssozialdemokratischen Philosophen Karl Popper getragen ist. Dieser Entwurf ist nicht verbesserbar, auch wenn einzelne Passagen „linker“ formuliert werden würden.
Ich werde meiner bisherigen Partei nicht in diesen Sumpf folgen. Ich bin Kommunist und will als Kommunist politisch arbeiten. Wenn die Partei hierfür nichts taugt, müssen die Kommunisten sie verlassen.
Wir alle haben in der PDS politisch gearbeitet und Hoffnungen in diese Partei gesetzt, haben Wahlkämpfe geführt und uns für sie eingesetzt. Wir haben unsere Schuldigkeit getan, haben uns nichts vorzuwerfen, außer dass wir uns nicht verbiegen lassen und nicht bereit sind, Klassenverrat zu begehen. Wir sollten gehen.
Liebe Genossinnen, liebe Genossen,
ich gehe mit Wehmut, aber ich gehe, es muss sein. Wenn mir Kreisvorstandsmitglied Horst-Werner Rook beim Austritt von Dimitri Tsalos sagte, man solle Reisende nicht aufhalten, so stimme ich ihm zu. Wir Kommunisten sollten die Reise der PDS in den kapitalistischen Sumpf nicht mehr aufzuhalten versuchen. Es ist sinnlos und beschädigt uns nur.
Ich werde der linken Politik erhalten bleiben und wohl an manchen Aktionen teilnehmen, wo auch ihr seid. Wenn ihr gegen Krieg und Unterdrückung, gegen Rassismus und Faschismus antretet, wenn ihr gegen Abbau demokratischer Rechte eintretet, bin ich immer dabei, solange ich es kann. Wir Kommunisten haben schon immer an vorderster Front für das alles gekämpft und haben große Opfer bringen müssen. Aber ich meine, mit dieser Partei ist das alles nur sehr eingeschränkt möglich.

Mit sozialistischen Grüßen
Günter Ackermann

Thema
Archiv