Nur der Sieg der Intifada und die Niederlage des Zionismus können zu einem gerechten und dauerhaften Frieden führen
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Am 28. September 1995 unterschrieben Rabin und Arafat im Weißen Haus nach jahrelangen Verhandlungen einen „historischen“ Friedensvertrag zwischen Israel und der PLO. Dieser sah vor, dass sich Israel schrittweise aus dem Westjordanland und dem Gasa-Streifen zurückziehen und dort ein unabhängiger palästinensischer Staat entstehen würde. Das Grundprinzip des Abkommen war, nachdem die PLO das legitime Recht auf die Befreiung ganz Palästinas aufgegeben hatte, die Losung „Zwei Völker, zwei Staaten“. Die palästinensische Linke, der antiimperialistische arabische Nationalismus und einige islamische Bewegungen verurteilten die Verträge als Verrat, denn es könne so lange keinen wirklichen Frieden geben, solange der künstliche zionistische Staat im Herzen der arabischen Nation als Brückenkopf des Imperialismus existiere.
Am 5. Oktober präsentierte Rabin die Verträge der Knesset, wo sie mit nur zwei Stimmen Mehrheit angenommen wurden. Nur knapp einen Monat später wurde er von einem israelischen Attentäter ermordet, der auf unerklärliche Weise die Sicherheitsvorkehrungen überwinden hatte können. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass der Mörder nicht allein handelte, sondern mit der Unterstützung und auf Befehl von Teilen des zionistischen Establishments gehandelt hatte.
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Die Liquidierung von Rabin war der Anfang vom Ende des „Friedensprozesses“. Er zeigte die Niederlage jenes Teils der zionistischen Bourgeoisie an, die mit der Unterstützung Arafats über ein von ihr gelenkten Palästinas beschränkter Souveränität nach der Hegemonie und der Expansion im Nahen Osten strebte.
Die intransigentesten Teile des Zionismus gewannen fortan die Überhand. Zuerst Netanjahu, dann Barak und schließlich Scharon betrieben eine systematische Sabotage an den Verträgen. Die Truppen wurden entgegen den Abmachungen nicht zurückgezogen, während die Siedlungstätigkeit nochmals gesteigert wurde. In zahlreichen Interviews betonten die zionistischen Führer wieder und wieder, dass sie weder einen souveränen palästinensischen Staat akzeptieren, noch Ostjerusalem, geschweige denn das Jordan-Tal und die Golanhöhen aufgeben könnten. Mit der bekannten Arroganz verwiesen sie darauf, dass die Siedlungen unverzichtbare strategische Vorposten zur „Verteidigung Israels“ darstellten. Der zionistische Plan war klar: Nachdem man den Palästinensern eine Niederlage zugefügt hatte, würde man ihnen eine Reihe von Bantustans nach dem südafrikanischen Apartheidmodell zugestehen, denen jeder territoriale Zusammenhang abginge und die sich immer in ihrer Schussweite befänden.
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Der Ausbruch der neuen Intifada im September 2000 war daher nicht die Ursache für das Scheitern der Verhandlungen, sondern dessen direkte Konsequenz. Die große Mehrheit des palästinensischen Volkes hatte an den Frieden geglaubt, die Hoffnung auf ein Ende des Konflikts gehegt. Sie stimmten massenhaft für Arafat trotz seiner schwankenden und oftmals pro-israelischen Haltung, sowie seines Paternalismus. Das Ziel des Aufstandes (dessen Motor die ärmsten Schichten sind) war nicht nur Israel mit seiner unterdrückerischen und ausbeuterischen Politik, sondern auch die Palästinensische Nationalbehörde (PNA), die sich zu sehr dem Zionismus untergeordnet und mit dem israelischen Kapitalismus verstrickt erschien.
Anstatt zu wirklichen Friedensverhandlungen zurückzukehren, schlug Israel mit beispielloser Härte zu. Dabei konnte es sich auf die volle Unterstützung der USA verlassen, während die schwankenden und korrupten arabischen Regimes, deren Hauptsorge die Verhinderung jeder wirklichen Veränderung in der Region ist, zusahen.
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Mit der kürzlichen israelischen Militäroffensive, der Belagerung Arafats, der Besetzung der von der PNA verwalteten Städte bezweckt Scharon, der „Großisrael“ noch immer im Kopf hat, folgendes:
a) den Sarg über den Friedenverträgen von 1995 endgültig zu schließen
b) den palästinensischen Widerstand in die Knie zu zwingen und zu enthaupten und dabei das Bündnis zwischen Fatah, Hamas, Dschihad, PFLP und den anderen Befreiungsbewegungen zu zerbrechen
c) eine kollaborierende palästinensische Führung zu schaffen, die einen Marionettenstaat akzeptiert
d) die entscheidende Frage des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge ein für alle Mal wegzuwischen
e) so viel als möglich Territorium zu besetzen um die sogenannte internationale Gemeinschaft vor geschaffene Tatsache zu stellen
f) die Spannungen in der Region aufrecht zu erhalten, um den nordamerikanischen „Falken“ Argumente für einen großangelegten Angriff auf den Irak zu geben.
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Unter diesen Bedingungen vom Frieden zu sprechen, heißt heiße Luft zu produzieren. Um wirkliche Friedensgespräche zu ermöglichen, muss Israel die 1995 eingegangenen Verpflichtungen erfüllen: Rückzuck der Truppen in die Grenzen von 1967 (die Golan-Höhen und der letzte besetzt verbliebene Teil des Libanons), Auflösung der Siedlungen im Westjordanland und in Gasa, das Rückkehrrecht respektieren, Ostjerusalem an die PNA zu übertragen und die Gründung eines souveränen palästinensischen Staates in den 1967 besetzten Gebieten zulassen. Nur in diesem Rahmen hatte die Entsendung von UN-Beobachtern zur Überwachung des vollen israelischen Rückzugs und Einhaltung der Grenzen zwischen den zwei Staaten sowie jenen mit den Nachbarländern Sinn.
Es ist klar, dass eine solche Perspektive nur durch eine radikale Veränderung der israelischen Politik, das heißt erst mit dem Sturz der Regierung Scharon möglich wird. Indes ist Scharon stärker denn je. Abgesehen davon, dass er Washington auf seiner Seite weiß, kann er auf die Unterstützung der Armee, der israelischen Bourgeoisie, sowie auf den beispiellosen Konsens seiner Untertanen zählen. Die sogenannte israelische Demokratie ist tatsächlich ein auf kolonialem Ausschluss basierendes Regime: die jüdische Bevölkerung gehört der herrschenden Kaste an, der allein exklusive Rechte und Privilegien zustehen, während den versklavten palästinensischen Arabern diese verweigert werden.
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Ob es gefällt oder nicht, in Palästina und im Nahen Osten herrscht ein Zustand des permanenten Kriegs niedriger Intensität, der jeden Moment in einen verallgemeinerten Krieg übergehen kann – um so mehr als Bush unter dem Vorwand des antiterroristischen Kreuzzuges nicht nur den Irak, sondern auch Syrien und den Iran bedroht. Der Hintergrund dafür ist, dass der Imperialismus unter keinen Umständen die Kontrolle über die Öllagerstätten verlieren will. Die Existenz Israels als US-imperialistische Enklave war und ist der Hauptgrund des nicht enden wollenden Konflikts.
Wem die Interessen des Weltfriedens und der Menschheit am Herzen liegen, muss den Mut haben der Realität ins Gesicht zu sehen: Der Zionismus (die rassistische Doktrin eines expansionistischen jüdischen Staates, der ethnisch und konfessionell homogen sein soll) ist mit einer nur ansatzweise paritätischen Lösung nach dem Prinzip „Zwei Völker, zwei Staaten“ unvereinbar. Daher kann ein in den 1967 eroberten Territorien errichteter Staat nur ein Schritt zur vollständigen Befreiung ganz Palästinas in der Perspektive einen Sieges über den Zionismus als ganzes sein.
Wem Gerechtigkeit und Freiheit am Herzen liegen, muss schließlich zwei grundlegenden Punkten zustimmen: Dass der Zionismus aus dem Nahen Osten entfernt werden muss und dass die Vereinigten Staaten ihre Flotte abziehen und ihre Militärbasen in der Region schließen müssen. Das heißt keineswegs die jüdische Bevölkerung aus Palästina zu vertreiben, noch einen ethnisch reinen arabischen Staat anzustreben. Die Geschichte wird zeigen, dass eine gerechte Lösung einzig ein einheitlicher demokratischer arabischer Staat mit föderativem Charakter, in dem Juden und Araber über gleiche Rechte verfügen und in dem alle Konfessionen respektiert werden, sein kann.
Der Sturz des Zionismus, des Gendarmen der imperialistischen Weltordnung im Mittleren Osten, ist die Vorbedingung nicht nur für die nationale Befreiung des palästinensischen Volkes, sondern auch für die soziale Befreiung der arabischen Massen, die Opfer von despotischen mit Israel und den USA verstrickten und ihnen servilen Regimes sind.
Antiimperialistische Koordination
5. April 2002