Interview mit Dr. Darshan Pal
Dr. Darshan Pal ist Mitglied des Organisationskomitees von „Mumbai Resistance“ (MR) und Vorsitzender des „All Indian People´s Resistance Forum“ (AIPRF).
Sind Sie mit MR zufrieden?
Ja, absolut. Man kann den Erfolg an einem Beispiel deutlich machen: Ursprünglich dachten wir, dass unser Organisationskomitee sich nach dem Forum auflösen würde. Heute gibt es nicht einmal mehr eine Debatte darüber. Wir wurden regelrecht bestürmt weiterzumachen. Auf unserer Abschlusssitzung beschlossen wir einstimmig die Fortsetzung. Uns ist es wirklich gelungen ein breites Spektrum von kämpferischen Organisationen aus zahlreichen Teilstaaten weit über den Einflussbereich des AIPRF anzusprechen, darunter Zusammenschlüsse der unterdrücktesten Gruppen, der landlosen Bauern, der Dalits (Unberührbare), der Adivanis (Ureinwohner) und auch der Muslime, die erst seit kurzen mit der Linken kooperieren, dafür aber nun besonders intensiv. Insgesamt lag die Beteiligung weit über unseren Erwartungen. Das Kalkül, einen antiimperialistischen Pol zu formieren, ist aufgegangen. Unsere politischen Positionen wurden bis ins WSF hinein aufgenommen, wie beispielsweise die Unterstützung des irakischen Widerstands, die Legitimität aller Kampfformen einschließlich des bewaffneten Widerstands oder die Ablehnung der NGOs. Selbst die Medien konnten uns nicht mehr verschweigen.
Und die Vertreter der Arbeiterschaft?
Die großen Industriegewerkschaften bleiben unter der Kontrolle der offiziellen Linken, aber einige wichtige nationale Teilgewerkschaften, wie jene von Otis oder Rhà´ne-Poulenc, sind zu uns übergegangen. Hier ist der Weg noch weit, denn diejenigen die eine reguläre Arbeit haben, zählen in Indien schon zu den Privilegierten. Eine unserer besonderen Stärken liegt hingegen bei den nationalen Minderheit. Da wir als einzige ihr Selbstbestimmungsrecht bedingungslos unterstützen, beteiligten sie sich an MR. So waren sowohl Yasin Malik, der Vorsitzende der Jammu Kashmir Liberation Front, als auch der Sohn Geelanis, des Präsidenten der Jamaat-e-Islami aus Kaschmir, anwesend. Heute findet sich die stärksten nationalen Bewegungen im Nordosten und auch von dort haben sich zahlreiche Vertreter bei uns eingefunden.
Wurde ihnen von staatlicher Seite freie Hand gegeben?
Hier in Mumbai selbst fühlten sich die Behörden im Rampenlicht der Öffentlichkeit und hielten sich zurück. Zwar verboten sie unsere Demonstration aber es kam zu keinen größeren Übergriffen. Was das WSF betrifft, das ja beispielsweise in Form der KPI(M) den linken Flügel der Institutionen repräsentiert, verhielt es sich ähnlich. Ihre Anführer kamen sogar zu uns herüber und schlugen einen Kompromiss vor, der zu einer Vereinigung der Kräfte führen sollte. Wir sind an Dialog und Kooperation sehr interessiert, aber auf der Basis eines konsequenten Kampfes gegen den Imperialismus. Sie sind sehr unter Druck, da die politische Plattform von MR von vielen ihrer Aktivisten geteilt wird. Nehmen wir das Beispiel der NGOs. Noch vor zehn Jahren haben diese Helden über die Funktion der NGOs in der Einbindung des Dissens geschrieben und vor ihnen gewarnt. Heute organisieren sie das WSF mit ihnen. Jedoch sind diese Umarmungsversuche nur die eine Seite der Medaille. Beispielsweise in Westbengalen, wo die KPI(M) seit Jahrzehnten die Regierung stellt und seit den 90er Jahren das neoliberale Programm umsetzt, wurde unsere Agitatoren von Schlägertrupps der KPI(M) überfallen und geschlagen. Die Polizei verhaftete unsere Leute und nicht die Täter. Noch viel schlimmer ist die Situationen in den vom Agrarkrieg erfassten Zonen. Dort werden immer wieder nicht nur Militante sondern auch Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwälte und von Todesschwadronen der Großgrundbesitzer und der Polizei umgebracht. Zehntausende wurden an der Teilnahme an MR gehindert. Hinzu kommt die Abgelegenheit. Oft sind mehrtägige Fußmärsche erforderlich um zu einer Bus- oder Bahnstation zu kommen. Hätte MR in Hyderabad oder auch Dehli stattgefunden, hätten wir eine vielfaches an Menschen mobilisieren können.
Wie gedenken Sie MR Kontinuität zu geben?
Unsere nächste unionsweite Aktion wird am 20. März, dem Jahrestag des US-Angriffs auf den Irak, stattfinden. Zu diesem Zweck werden in den Teilstaaten Komitees „Freier Irak“ aufgebaut, die für lokale Demonstrationen auf der Basis der Unterstützung des irakischen Widerstands mobilisieren sollen. Die Vorschläge für eine internationale Solidaritätsdelegation und einen internationalen Kongress der Solidaritätsbewegung für den irakischen Widerstand unterstützen wir. Nach Maßgabe unserer Kräfte werden wir uns auch beteiligen. Wir werden vor allem versuchen hier in Südasien die Aktivitäten zu koordinieren. Besonders in Bangladesch und Pakistan kocht es. Was einen separaten antiimperialistischen Aktionstag betrifft, der hier so heftig diskutiert wurde, so müssen wir darüber noch beraten. Die Idee ist gut, nur müssen wir die Mittel finden.
Welche Mittel meinen Sie?
Es bedarf der internationalen Koordination der antiimperialistischen Kräfte in einem losen Komitee, das der Unterschiedlichkeit und auch der Schwäche Rechnung trägt. Bedenken Sie, dass beispielsweise unser Budget weniger als ein Hunderstel jenes des WSF betrug. Und wir haben noch einiges an Schulden. Dieses Komitee soll sich aber nicht auf die Irak-Frage beschränken, sondern zu einer permanenten weltweiten Kooperation der Antiimperialisten führen.
Das nächste WSF soll wieder in Porto Alegre stattfinden. Wird es ein Porto Alegre Resistance geben?
Es ist noch zu früh darüber zu sprechen. Auch fehlen uns die Erfahrungen und Ressourcen auf internationaler Ebene. Wir haben mit Via Campesina lange wegen einer Teilnahme an MR verhandelt. Letztendlich kamen sie doch nicht. Aber vielleicht klappt es ja in Porto Alegre, denn da werden sie angesichts der neoliberalen Politik der Lula-Regierung kaum am WSF teilnehmen können. Unsere politische Unterstützung hat die Idee jedenfalls.
Franz Dinhobel, Mumbai