Von Afghanistan und Irak zum französischen NEIN zu Euro-Amerika
Vom 14.-17. Juli fand das Fest der Schurken, organisiert vom Antiimperialistischen Lager, in Piombino, Italien, statt. Musik des Widerstands von innerhalb und außerhalb Europas, modern und traditionell, Theater und Literatur bildeten den Rahmen des politischen Programms, welches Zeugnis für die Schwierigkeiten des Imperialismus ablegte – jene Schwierigkeiten, die Anlaß zum Feiern gaben.
Afghanistan
Ein Repräsentant der „Radikalen Linken Afghanistans“(LRA), der direkt aus der Widerstand leistenden Stadt Jalalabad angereist war, berichtete, dass der Widerstand gegen die US-Besatzung einer Welle gleich immer mehr anschwelle. Die Volksbewegung, deren Zorn sich im Mai gegen die Besatzungstruppen, auch gegen die europäischen, entladen hatte, beeinflusse das gesamte Land. Typisch für die von den USA eingesetzten „Demokratien“ wurden Dutzende von jenen, die auf die Straßen gingen um gegen die Besatzung zu protestieren, von der Polizei Karzais und von den NATO-Truppen getötet, hunderte verletzt und inhaftiert. Etwa dreißig von ihnen wurden in das berüchtigte US-Gefängnis Bagram verschleppt, auch bekannt als das afghanische Guantanamo. Unter ihnen waren auch einige Kommunisten, welche an der Bewegung teilgenommen hatten. Nach der Folter durch US-Soldaten laufen sie nun Gefahr entweder nach Guantanamo deportiert zu werden oder dem Regime in Kabul übergeben zu werden, welche sie mit der Todesstrafe bedroht.
Der Genosse rief die europäischen Völker dazu auf, ihre Regierungen dazu zu zwingen, ihre Truppen zurückzuziehen, für die Freilassung der politischen Gefangenen zu kämpfen und deren Familien zu unterstützen. Das Antiimperialistische Lager startete eine Kampagne um Geld für sie zu sammeln.
Das französische NEIN
Am Freitag fand ein runder Tisch zu den Perspektiven Europas nach dem großen Sieg des NEIN im Referendum zur Europäischen Verfassung statt. Die zwei Sprecher – Jean-Pierre Page, der frühere Verantwortliche für Internationale Beziehungen der CGT und ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der PCF, und Patrick Donati von den „Komitees für das NEIN“ – bestanden auf dem populären Charakter des französischen NEIN.
Das NEIN bestrafe die europäischen Oligarchien und besonders die französische politische Klasse, bestehend aus zwei Polen, der UMP, die regierende Mehrheit, und auch der PS, der parlamentarischen Opposition. Beide führten Kampagnen für ein JA, unterstützten damit die antidemokratische und ultraliberalistische Verfassung. Den beiden Sprechern zufolge hatte daher der Wahlausgang eine starke soziale und antiliberalistische Konnotation.
Aber bei genauer Prüfung der Ereignisse des 29. Mai war diese Wahl auch gegen Euro-Amerika gerichtet, gegen ein Europa, das mehr und mehr amerikanisiert wird, nicht nur was das soziale und kulturelle Modell betrifft, sondern auch in ökonomischer Hinsicht.
Das französische NEIN gibt Europa eine neue Hoffnung und viele Interventionen der Zuhörerschaft drehten sich um die Frage wie man Initiativen gegen die EU formen könnte mit dem Ziel eine europaweite Bewegung aufzubauen.
Irak
Am Samstag legte Awni al-Kalemji, Sprecher der „Irakischen Patriotischen Allianz“, die schwierige Situation dar, mit der sich die US-Besatzung im Irak konfrontiert sieht. Weder die militärischen Operationen noch die politischen Versuche der Besatzer, ihr Marionettenregime zu stabilisieren, brachten Resultate. Trotz all der Jubeltöne in den Medien über die „Wahlen“ im Jänner steige die Anzahl der Angriffe des Widerstands gegen die US-Armee noch immer an. So versuchten die USA nun auf „Verhandlungen“ mit dem Widerstand aufzuspringen, was ihnen jedoch Schwierigkeiten bereiten werde. Al-Kalemji wand jedoch auch ein, dass in jedem Befreiungskampf sich auch Leute fänden, die sich für solch ein dreckiges Spiel hergeben würden. Aber für den Widerstand sei es klar, dass Verhandlungen nur mit dem bedingungslosen Abzug der Besatzungstruppen möglich würden. Bezüglich der politischen Widerstandsfront, die zu schaffen sich die IPA seit Beginn der Besatzung auf ihre Fahnen geschrieben hatte, die aber nach wie vor noch nicht ins Leben gerufen werden konnte, antwortete al-Kalemji, dass diese früher oder später aktiv würde. Man dürfe nicht vergessen, dass die Widerstandsbewegung noch immer jung sei und viele Jahre vor ihr lägen. Und bis jetzt seien bereits wichtige Hindernisse aus dem Weg geräumt worden.
Am selben Tag fand das Treffen der italienischen Komitees Freier Irak statt, mit der Beteiligung von Awni al-Kalemji und Jean-Pierre Page. Es war der Vorbereitung der Konferenz in Unterstützung des Irakischen Widerstands am 1.-2. Oktober in Italien gewidmet.
Die neue Herausforderung: die Religion
Die Debatte am Sonntag widmete sich der Krise der kapitalistischen Modernität und der neuen Welle der Religiosität als Reaktion darauf. Heute ist es klarer als jemals zuvor, dass das kapitalistische Modell der Entwicklung die umfassenden Bedürfnisse des Menschen nicht befriedigen kann, geschweige denn zu seiner Emanzipation zu führen im Stande ist. Die konkrete kommunistische Bewegung sowie die Staaten, die bestrebt waren die Transformation zum Sozialismus durchzuführen, folgten zumindest teilweise demselben positivistischen Ansatz. Auch für sie waren Wissenschaft und Technologie die höchsten Werte. Nach ihrer Niederlage und der Transformation der historischen Linken in den zweiten Pol des imperialistischen Systems, betrachten die Unterdrückten der Welt sowohl die Werte der Aufklärung als auch die kommunistischen Werte als einfache Ausflüsse (kapitalistischer) Modernität, welche sie ablehnen als das System, von dem sie unterdrückt werden.
Das spektakuläre Erstarken des Islam ist eine Antwort auf diese Niederlage – so wie es auch breit verstanden wird. Aber könnte es eine ähnliche Tendenz auch in Europa geben? Und was hat es mit der überwältigenden Welle protestantischen Fundamentalismus auf sich in den USA?
Laut Moreno Pasquinelli, führendes Mitglied des Antiimperialistischen Lagers, der die Einleitung zu diesem Thema hielt, finde sich eine breite Ablehnung des anglosächsischen liberalistischen Modells in der gesamten europäischen Gesellschaft. Da die offizielle Linke das letztere Modell angenommen hat, könnte es christlichen Strömungen zufallen, diese Gefühle des Protests auszudrücken. Elemente, welche diese Annahme untermauern, sind die Ablehnung der Kirche die US-Aggression gegen den Irak zu unterstützen, sowie die deutliche Kritik an dem, was der Papst Materialismus, Individualismus und Relativismus zu nennen pflegte – was nach dem Untergang des realen Sozialismus ein direkter Angriff hauptsächlich gegen den Liberalismus ist. Pasquinelli erinnerte auch daran, dass das Christentum bei der Entstehung verschiedener sozialrevolutionärer Bewegungen eine wichtige Rolle spielte, nicht nur bei seiner Entstehung, sondern während seiner ganzen Geschichte hindurch. Während Marx die Religion Opium für das Volk nannte, entging ihm auch der Aspekt des Protests nicht. Es geht hierbei nicht um die Frage ob man sich mit Kirche assoziieren soll, sondern um die Nutzung des fortschrittlichen Moments dieses neuen Trends zur Religiosität, weg von der zivilen Religion des kapitalistischen Fortschritts.