Bericht aus Palästina
Vom 15. bis 28. August wird die antiimperialistische Solidaritätsreise “Risse in der Mauer” nach Palästina stattfinden. Zweck der Reise ist es der palästinensischen Bevölkerung und Widerstandsbewegung die Solidarität mit ihrem legitimen Kampf um Selbstbestimmung und Freiheit von der Besatzung auszudrücken. Folgenden Bericht sendet die Vorbereitungsgruppe für die Reise, die sich bereits in Palästina befindet.
Beinahe zeitgleich mit Siedlerdemonstrationen in der Altstadt von Jerusalem fand in Shafaram ein Massaker an Palästinensern, die innerhalb der 1948 besetzten Gebiete leben, statt, bei dem vier Menschen, zwei Christen und zwei junge muslimische Frauen (21 und 23, zwei Schwestern) umgebracht wurden. Ein 19-jähriger israelischer Soldat, der vor kurzem von der Armee desertiert war, nachdem er erfahren hatte, dass er beim Abzug aus dem Gazastreifen Dienst versehen würde, eröffnete in einem Linienbus das Feuer. Er tat dies erst, nachdem er sicher sein konnte, dass alle jüdischen Fahrgäste ausgestiegen waren. Er tötete vier Menschen und verletzte etwa 27 weitere. Er wurde anschließend selbst von den Bewohnern der Stadt getötet.
Seine Eltern hatten bereits zwei Wochen zuvor den israelischen Behörden gegenüber ihre Sorge, ihr Sohn könnte ein Verbrechen begehen, geäußert, die Behörden jedoch hatten nicht reagiert. Nachdem er die Armee verlassen hatte, war er in der radikalen Siedlung Tapuah gewesen, deren Bewohner mehrheitlich Teil der Kahane-Kach-Bewegung sind. Dort dürfte er bereits die Tat angekündigt haben. Die Kahane-Kach-Bewegung geht auf Meir Kahane zurück, der eine zutiefst rassistische Politik gegenüber Arabern vertrat, deren Kern der Transfer der arabischen Bevölkerung aus Palästina darstellt.
Obwohl es in Israel juristische Grundlagen dafür gibt, wegen einem angekündigten Verbrechen auch ohne Beweise den Verdächtigen zu inhaftieren, wird diese Administrativhaft praktisch nur für Palästinenser aus politischen Gründen eingesetzt. Die Administrativhaft ermöglicht die Inhaftierung ohne Beweise für bis zu sechs Monaten, ist dann jedoch beliebig oft um weitere sechs Monate verlängerbar.
Die Begräbnisse der Opfer des Anschlages am folgenden Tag waren nicht nur Trauerzug, sondern standen auch unter dem Motto “One murderer, many criminals” um aufzuzeigen, dass dieses Massaker nicht als verrückter Amoklauf eines Einzelnen gesehen werden kann, wie das durch die Aussagen hochrangiger israelischer Politiker dargestellt wurde, sondern Ausdruck eines zutiefst rassistischen Systems ist. Betont wurde außerdem, dass dieses Ereignis nicht von der Unterdrückung in den 1967 besetzten Gebieten getrennt werden kann.
In Jerusalem fanden sich am 4. August am späten Nachmittag Tausende Menschen vor der Klagemauer ein, um ihren Protest gegen die Siedlungsräumung im Gazastreifen auszudrücken. Überall war die Farbe orange zu sehen, welche ein Zeichen besonders für die Siedlung Gush Kativ ist. Am Abend fanden provokante Demonstrationen von Siedlern in der Altstadt von Jerusalem statt, die einmal mehr den exklusiv jüdischen Anspruch auf die Stadt Jerusalem deutlich machten.
Doris Höflmayer
Sonja Hinsch
Haifa, 6. August 2005