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Offener Brief an Prof. Konrad

1. Januar 2006

vom Verein Palästina (Steiermark)Herr Professor Konrad!

Bereits im
Vorfeld der geplanten Palästina-Veranstaltung bemerkten wir mit großer
Verwunderung, wie Sie Hand in Hand mit der anarchistischen Studentengruppe
“Mayday” gehen. Anstatt bei den Veranstaltern nachzufragen, warum wir die
Veranstaltung “Palästina – selbständiger Staat oder israelische Kolonie” in
dieser Form an der Uni durchführen wollten, haben Sie sich vor den Karren dieser
Studentengruppe spannen lassen. Diese Verwunderung ist blankem Entsetzen
gewichen, als wir am 16. Dezember im Hörsaal der Resowi feststellen mussten, wie
Sie eine Palästina-Veranstaltung als Plattform für Ihre Interessen genutzt
haben! Wie beschämend für Sie!
Ihre Ressentiments gegenüber dem
palästinensischen Volk waren unüberseh- und unüberhörbar! Wie sonst lässt sich
erklären, dass Sie keinen einzigen Satz darüber verlieren, wie wichtig
Veranstaltungen über die Lage in Palästina auf der Uni sind? Wie erklären Sie,
dass sie über das traurige Schicksal eines jüdischen Professors an der
Karl-Franzens-Universität sprechen, aber kein einziges Wort für das Schicksal
des palästinensischen Volkes finden?
Wohl bemerkt, dass war eine
PALÄSTINA-Veranstaltung!! Und es wäre einem in Graz angesehenen
Geschichteprofessor, noch dazu ehemaligem Rektor der Karl-Franzens-Universität,
sehr gut zu Gesichte gestanden, wenn Sie für das palästinensische Volk klare
Worte der Solidarität ausgesprochen, Gerechtigkeit, einen freien unabhängigen
Staat und Frieden gefordert hätten.

Weiters weisen wir Ihre
Unterstellung, der ursprüngliche Veranstaltungstermin wäre im Zusammenhang mit
dem Gedenktag an die Reichsprogromnacht geplant gewesen, aufs Schärfste zurück.
Diese Ihre Ansicht zeigt von Ihrem Eurozentrismus. Der 9. November ist ein
weltweiter Aktionstag gegen den Bau der Apartheidmauer, der sich zu einer
Aktionswoche vom 9. zum 16. November entwickelt hat. Dieser Tag wurde aus Anlass
des Falls der Berliner Mauer gewählt – so wie diese Mauer gefallen ist, muss
auch die Apartheidmauer fallen. Dieses wäre für Sie durch eine kurze Rückfrage
bei den Veranstaltern leicht zu erfahren gewesen! Aber spätestens hier hat sich
ihre nur mehr als durchsichtige Argumentation entblößt.

Im Allgemeinen
vermissen wir die Präsenz arabischer Geschichte und im Besonderen
palästinensischer Geschichte am Zeitgeschichte-Institut Graz – um nicht zu
sagen, sie wird schon auffällig im Rahmen der Lehrveranstaltung und Forschung
ausgegrenzt. Dabei ist dieser Raum von großer Bedeutung für Europa – in der
Vergangenheit wie auch in der Gegenwart. Gerade das Geschichte-Institut sollte
ihren Studierenden (und damit auch zukünftigen
GeschichtelehrerInnen!!)
ermöglichen, ihr mangelndes Wissen und ihre eurozentristische Wahrnehmung
bezüglich der Geschichte des palästinensischen Volkes zu korrigieren. Als
Institutsvorstand sollten Sie eigentlich nicht durch Ihre Aktivitäten gängige
Vorurteile noch verstärken, sondern zumindest beiden Seiten Möglichkeiten zur
Artikulation geben. Auch in Graz leben Zeitzeugen dieser Geschichte
(palästinensische Flüchtlinge), die sicher gerne bereit wären, die eine oder
andere Vorlesung zur Geschichte Palästinas und zum Nahost-Konflikt zu
bereichern. Weiters können wir Ihnen gerne bei der Vermittlung einer kompetenten
Gastprofessur zu diesem Thema behilflich sein.

Als Professor wäre es ja
auch Ihre Pflicht zu vermitteln, dass Geschichte auch zum Lernen für die
Gegenwart verpflichtet. Gerade die Geschichte der Progrome in Europa, der
Kriegsverbrechen der Nazis, des Holocausts und des Antisemitismus verpflichtet
dazu, zu den Verbrechen am palästinensischen Volk nicht zu schweigen! In
Wirklichkeit steht heute das palästinensische Volk am Rande des Abgrunds und ist
in seiner Existenz bedroht. Ansonsten werden eines Tages Ihre Enkelkinder vor
Ihnen stehen und Sie mit Ihrer Mitschuld an den Verbrechen am palästinensischen
Volk konfrontieren!

Letztendlich sind auch wir Araber ein semitisches
Volk. Und der Rassismus aus rechtsextremen Kreisen hat sich sowohl in der
Geschichte als auch in der Gegenwart immer gegen beide semitische Völker
gerichtet: Juden und Araber.
Die einen nun gegenüber den anderen zu
bevorzugen – wie Sie es tun – zeigt ja nicht unbedingt von Überwindung von
Antisemitismus, sondern bedeutet eine Fortsetzung der Geschichte unter anderen
Vorzeichen. Der Rassismus in Europa gegenüber Muslimen und Arabern hat
mittlerweile ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Als Universitätsprofessor haben
Sie diesbezüglich eine besondere Verantwortung, die Sie auch wahrnehmen sollten.

Ihre Worte zur Eröffnung der Palästina-Veranstaltung am 16. Dezember kommen
einem Aufruf zur Entsolidarisierung gleich: dadurch machen Sie sich mitschuldig
an den Völkerrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen in
Palästina seitens des israelischen Staates.
Die Lage unseres Volkes ist so
dramatisch, dass bereits ein Nicht-Einnehmen einer solidarischen Position als
zustimmendes Schweigen gewertet werden kann.

Genug Palästinenser haben an
jenem Abend ihre Worte registriert. Im Namen der palästinensischen Gemeinde hier
in Graz und Steiermark verlangen wir Ihre Entschuldigung.

Für den
Verein Palästina (Steiermark):

Al -Hussein Waleed

Dieses
Schreiben wird mitgetragen von: Palästina Forum Österreich
Palästinensische
Gemeinde Österreich

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