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Zum Strafverfahren und zum Redeverbot gegen den irakischen Oppositionspolitiker Awni Kalemji

16. Mai 2006

Im März 2006 waren Veranstaltungen mit meinem
Mandanten in Berlin und Hamburg von der Polizei verhindert worden. Eine
Informationsreise durchs Bundesgebiet musste abgebrochen werden. Nach erfolgter
Akteneinsicht und Korrespondenz mit der Polizei lassen sich folgende Fakten
mitteilen. Das Verfahren ist weder juristisch noch politisch beendet.


1.

Unter dem Aktenzeichen 81 Js 1334/05 ermittelt
die Berliner Staatsanwaltschaft gegen meinen Mandanten wegen “Störung des
öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten” (…§ 126 Strafgesetzbuch).

Ausgangspunkt des Verfahrens war eine
angebliche Äußerung von Herrn Kalemji (“Wir müssen jeden Tag 100 militärische
Operationen gegen die US-Truppen organisieren”) in einem Kurzinterview mit
einem Springerjournalisten. Der Redakteur hatte den von einem Dolmetscher
übersetzen Satz im Bericht in der BZ am Sonntag am 13.März 2005 veröffentlich.
Dies bildete den Ausgangspunkt der Ermittlungen durch die Staatsschutzabteilung
der Berliner Polizei.

Mit Vermerk vom 13.2.2006 hat die
Staatsanwaltschaft Berlin – zunächst – das Ermittlungsverfahren eingestellt.
Grund dafür war, dass der genaue Wortlaut der Äußerung und die Richtigkeit der
Übersetzung ins Deutsche nicht verifiziert werden konnte. Es gab keine
Tonbandaufnahme und die Person des Dolmetschers wurde nicht ermittelt.

Mitte März wurde das Verfahren dann
wiedereröffnet. Bei der Veranstaltung in Berlin am 11.März wurde versucht, eine
erkennungsdienstliche Behandlung meines Mandanten durchzuführen. Da er wegen
des großen Polizeiaufgebots nicht am Veranstaltungsort erschien, erfolgte die
Zwangsmaßnahme (Fotos, Fingerabdrücke) am 12. März durch die Hamburger Polizei.

Eine endgültige Verfahrenseinstellung ist
bislang nicht erfolgt. Dieses ist das Ziel der Verteidigung. Dabei ist nicht
entscheidend, ob Springerjournalisten als Stichwortgeber für den Staatsschutz
agieren. Entscheidend ist, dass …§ 126 nicht verletzt ist. Dies würde nämlich
voraussetzen, dass kritische Äußerungen zur Besatzungspolitik im Irak in
Deutschland als Störung des öffentlichen Friedens wegen Androhung von Mord,
Völkermord oder Kriegsverbrechen angesehen werden.

2.

Die massiven Polizeieinsätze in Berlin und
Hamburg haben die Durchführung der geplanten Veranstaltungen unmöglich gemacht.
Dies war – in konzertierter Aktion – offenkundig auch das Ziel der
Polizeiführungen beiden Städte. So heißt es in einem Vermerk der Hamburger
Polizei (AZ. 011/5K/0167980/2006): “Der Auftritt/die Rede wurde von der Polizei
Berlin verboten. Hintergrund: Bei ähnlichen Veranstaltungen hat der Al Kalemji
Reden mit strafbarem Inhalt gehalten”. Deshalb habe die Polizeiführung
entschieden, “dass der Al Kalemji auch in Hamburg nicht auftreten darf.”

Damit ist offensichtlich, dass die zwangsweise
durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung lediglich Mittel zum Zweck war.
Reden mit strafbarem Inhalt gab es nicht, zu dem Zeitpunkt hatte die zuständige
Staatsanwaltschaft das Verfahren ja eingestellt. Die konkrete Anfrage, ob ein
Verbot der politischen Betätigung gemäß …§ 47 Aufenthaltsgesetz gegen meinen
Mandanten verhängt wurde oder werden sollte, beantwortete die Berliner Polizei
schriftlich am 14.4.2006: “….teile ich Ihnen mit, dass durch die Polizei
Berlin keine ausländerrechtliche Verfügung …erlassen wurde. Diese lag am
11.3….oder einem späteren Zeitpunkt nicht schriftlich vor und wurde mangels
Adressat auch nicht mündlich erteilt”.

Diese Formulierung legt nahe, dass mit einem
Verbot aber zu rechnen ist. Dies stellt nicht nur eine Verletzung von Meinungs-
und Informationsfreiheit dar. Ein ausländerrechtliches Betätigungsverbot würde
auch nach dem Gesetzeswortlaut beinhalten, das z.B. außenpolitische Interessen
der Bundesrepublik durch mögliche Redeinhalte verletzt werden.

3.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Einstellung des
Strafverfahrens zu fordern.

Außerdem muss politisch und juristisch ein
künftigen Redeverbot von Herrn Kalemji verhindert werden, weil dieses gegen
Grundrechte verstößt und einen Präzedenzfall schaffen kann.

Stand: 15.5.2006

Weitere Informationen:
Rechtsanwalt Heinz Jürgen Schneider
Glücksburger Straße 8 22769 Hamburg
Tel. (040) 8513116

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