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Ein Versuch, Moslems politisch mundtot zu machen

14. Juni 2006

Zur
Bedeutung der Aussage von Innenministerin Prokop über „integrationsunwillige“
Moslems

Kaum war die Aussage von Innenministerin Prokop, 45% der
Moslems in Österreich wären laut einer Studie integrationsunwillig,
ausgesprochen, beeilten sich auch schon Vertreter der SPÖ und der islamischen
Vereine in ihrem Nahbereich, zu erklären, dass diese Zahl selbstverständlich
viel zu hoch sei, tatsächlich gar nicht aus der Studie hervorgehe und in
Wirklichkeit nur eine verschwindende Minderheit sich nicht im schönen Österreich
integrieren wolle. So sehr kann der Islam gar nicht zum Feindbild und Sündenbock
gestempelt werden, als dass seine offiziellen Repräsentanten in Österreich sich
nicht trotzdem noch bemüßigt fühlen würden, klare Worte zu
vermeiden.

Ansonsten würden diese Prokops Aussage als das bezeichnen was
sie ist, nämlich eine Kampfansage an islamische Menschen, als innen- und
außenpolitisch verheerendes Signal.

Prokops chauvinistische Äußerungen
kommen im Wahljahr vielen sehr gelegen. Die „österreichische Kultur“ sei in
Gefahr, hört und liest man bereits an allen Ecken und Enden, schon bald werde
nichts mehr von der österreichischen Kultur übrig sein, diese werde in einer
Flut aus schwarzhaarigen Bartträgern und Kopftuchträgerinnen untergehen. Eines
stimmt daran: Die österreichische Kultur ist am Aussterben, sie existiert, v.a.
in den Ballungszentren, nur noch als klischeehaft übersteigerte
Touristenattraktion. Dieser Umstand ist allerdings keineswegs ein Resultat der
Immigration aus dem Süden und Osten, sondern vielmehr dem seit Jahrzehnten immer
größere Teile der Welt überschwemmendem US-Imperialismus zu „verdanken“, der
sich eben auch darin äußert, dass kaum jemand noch einen Satz ohne amerikanische
Ausdrücke zustande bringt und dass Konsumverhalten und Lebensstil großer Teile
der Bevölkerung dem in den USA üblichen immer ähnlicher werden. Wenn es also
darum geht, diejenigen an den Pranger zu stellen, die „unsere Kultur auf dem
Gewissen haben“, dann sind Moslems und andere Immigranten, egal woher, ohne
Frage ebenso das falsche Opfer wie in der Frage der Arbeitslosigkeit.
Arbeitsplätze gehen durch Globalisierung und Neoliberalismus verloren, nicht
durch Immigration und kulturelle Unterschiede. Allerdings tritt es sich
bekanntlich nach oben nicht so leicht und angenehm wie nach unten.

Der
Islam hat in seiner Funktion als verbindendes Element gegen den US-Imperialismus
eine starke kulturell-politische Bedeutung. Gerade in kultureller Hinsicht ist
der Islam eines der wenigen verbliebenen Elemente weltweit, die sich überhaupt
noch dem Amerikanismus entgegenstellen und daher von diesem am massivsten
bedroht werden, sei es in politischer, kultureller oder militärischer Hinsicht.
Die „Integrationsunwilligkeit“ vieler Moslems ist oft nichts anderes als eine
Verweigerungshaltung gegenüber dem Anspruch der amerikanischen „Kultur“, für
alle Menschen erstrebenswert und das Maß aller Dinge zu sein. Insofern ist die
„Integrationsunwilligkeit“ also eine starke politische Artikulation. Der Sager
der Innenministerin zielt darauf ab, diese Möglichkeit zur politischen
Artikulation zu diskreditieren und zu beschneiden. Gegen solche politischen
Knebelungs- und Entmündigungsversuche protestieren wir mit aller
Entschiedenheit, ebenso wie wir das Recht verteidigen, sich dem Amerikanismus zu
verweigern und sich zur islamischen Identität zu bekennen (was eine
Selbstverständlichkeit wäre, wenn man in den Kreisen der Innenministerin
tatsächlich auf Integration aus wäre und nicht auf Zwangs-Assimilierung und
Beseitigung aller kulturellen Unterschiede).

Zweifellos sind beim
Zusammenleben verschiedener Nationen und Kulturen Kompromisse, Entgegenkommen
und Toleranz von allen Seiten nötig, im konkreten Fall sowohl von der
Mehrheitsbevölkerung als auch von der islamischen. Das bedeutet aber in erster
Linie gegenseitigen Respekt und nicht Zwang zur gemeinsamen Kapitulation vor der
weltweiten Einheitskultur. Vielmehr ist es der gemeinsame Widerstand gegen diese
Einheitskultur und ihre kriegerischen, kapitalistischen Profiteure, der für das
Überleben der einzelnen Kulturen unerlässlich ist.

Die Darstellung des
Islam als Bedrohung hat natürlich vor dem Hintergrund der nach wie vor nicht
gestillten Kriegslust der USA und ihrer Verbündeten gegen den arabischen und
zentralasiatischen Raum eine zusätzlich verheerende Wirkung, nämlich die, dass
der Blick auf den wahren Aggressor verstellt wird. Eine Bedrohung für die Welt
sind zweifellos die, die permanent Krieg führen und nicht der Iran, der noch nie
einen Krieg begonnen hat und dem das Recht auf Selbstverteidigung ebenso zusteht
wie jedem anderen Staat. Die österreichische Regierung biedert sich jedoch immer
stärker denen an, die nichts anderes als Krieg im Sinn haben, nämlich den USA
und der aufrüstenden EU. Damit steigt auch die Gefahr, dass Österreich in Kriege
hineingezogen wird.

Von diesen tatsächlichen Gefahren für den Frieden
versucht man mit der Terror-Hysterie abzulenken, die natürlich auch durch die
Aussage von Prokop nach allen Regeln der Kunst weiter geschürt wird, womit
Repressalien gegen Moslems der Mehrheitsbevölkerung als „unerlässlich“ verkauft
werden sollen (und von den österreichischen Haus- und Hof-Moslems
unwidersprochen bleiben). Schließlich gehe es ja gegen potentielle „Islamisten
und Terroristen“. Wer gegen den amerikanisierten Lebensstil den Mund aufmacht,
gilt bereits als „Hassprediger“, wer dazu aufruft, sich nicht in die
Konsumgesellschaft einzugliedern, wird als „gefährlich“ und „radikal“
eingestuft. Dass es hier darum geht, jede potentielle oder tatsächliche
Opposition gegen den Kapitalismus und mundtot zu machen, liegt für Menschen mit
demokratischem Restverstand auf der Hand. Was gegen „Islamisten“ angewendet
wird, ist in weiterer Folge gegen jeden anderen genauso anwendbar.

Der
einzig entscheidende Kampf, der weltweit geführt wird, ist der zwischen reich
und arm, so sehr die Mächtigen auch versuchen, uns etwas anderes weiszumachen.
Die Seite der Reichen versucht eine Weltordnung unter US-amerikanischer
Oberhoheit zu errichten, in der ihre Profite abgesichert sind und die
überwältigende Mehrheit von den Abfällen vom Tisch der Reichen zu leben hat.
Österreich ist dabei keine Ausnahme. Daran wird kein Integrationszwang und keine
Abschiebepolitik der Welt irgendetwas ändern. Im Gegenteil, es wird noch sehr
viel an gemeinsamer Integrations-Unwilligkeit brauchen, um dem Einhalt zu
gebieten.

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