Lichtblick im chauvinistischen Trend: Martin weist Strache in seine Schranken
1. Wir bemerken eine fortgesetzte Erosion der „Mitte“, des gesetzten Liberalismus, der den österreichischen Kapitalismus führt. Hohe Verluste für die SPÖ, hohe Verluste für die Grünen, Verluste für die ÖVP. Unter dem Einfluss der großen Wirtschaftskrise ist ein ähnlicher Prozess in vielen Staaten Europas zu erkennen, wenn man beispielsweise die Pulverisierung der britischen Labour-Party, oder der ungarischen sozialdemokratischen Regierungspartei betrachtet. Dazu kommt noch der nochmalige europaweite Rückgang der Wahlbeteiligung. Besonders dramatisch ist der Niedergang des Linksliberalismus, der an Glaubwürdigkeit massiv eingebüßt hat. Über Jahre trug er die liberalistische Politik der Marktreligiösen mit. Nun betreiben sie Staatsinterventionismus zugunsten des Großkapitals – doch das können die Rechtsliberalen genauso, wenn nicht besser. Das Motto hieß also: statt zum Schmiedl gleich zum Schmied. Die Lüge vom „sozialen Europa“ wurde abgestraft.
2. Auf der anderen Seite muss man auch festhalten, dass trotz der Erosion in der Regel aber das politische System weitgehend stabil bleibt. Dafür stehen (trotz Verlusten) die institutionelle Stärkung von ÖVP, CDU oder Sarkozy. Das sich auftuende politische Vakuum bringt das institutionelle Gebälk noch nicht ins Wanken.
3. Noch einmal zur Krise des Linksliberalismus: Gerade die Sozialdemokratie befindet sich in der Zwickmühle. Teile ihrer Kernwählerschaft wünschen sich ein härteres Auftreten gegen die Krise und den Koalitionspartner. Das ist keine antikapitalistische Stimmung, aber doch die Forderung nach einem angriffslustigen Sozialstaat und nach dem Ende des Liberalismus. Weil die SPÖ sich aber praktisch nicht von der ÖVP unterscheidet, setzt Frustration ein, die Wähler bleiben zu Hause, oder laufen (in Wien) zur FPÖ über. Damit hat die SP-Führung ein strategisches Problem. Erstens weiß man gar nicht mehr, wie man nach links schwenkt, zweitens ist damit im Augenblick auch keine Wahl zu gewinnen. Eine „linke“ SPÖ könnte den rechten Strache und seine FPÖ stoppen, würde aber die gemäßigten Mittelschichten an ÖVP und Grüne verlieren.
4. Die FPÖ hat mit ihrer chauvinistischen, Islam-feindlichen Kampagne von niedrigem Niveau stark dazu gewonnen, insbesondere in den Wiener Arbeitervierteln. Doch Hans Peter Martin konnte den Aufstieg der FPÖ in beeindruckender Art und Weise aufgefangen. Martin steht für den Wunsch nach Demokratisierung des Systems und Protest gegen die korrupten Eliten. Das ist bei Gott nicht revolutionär, Martin bleibt dabei eine recht einsame Figur und ist zusätzlich von der Kronen-Zeitung abhängig. Sein Erfolg zeigt aber, dass Protest nicht notwendigerweise mit dem rassistischen Gift der FPÖ vermischt werden muss. Gleichzeitig belegt er, dass die Systemparteien (Grüne mit eingeschlossen) trotz aller politisch korrekter Phrasen Strache mit ihrer liberalistischen Politik nur weiter anfachen. Nur gegen die Eliten kann Strache verhindert werden, nicht mit ihnen. Wenn es Martin gelingt eine Öffnung seiner Bewegung zu vollziehen, dann hat diese das Potential für eine echte Oppositionsrolle.
Antiimperialisten (AIK)
für eine antikapitalistische Opposition