Site-Logo
Site Navigation

Der palästinensische Staat – ein Konzept der Befreiung oder der Kollaboration?

16. März 2002

Ein Diskussionsbeitrag der Internationalen Leninistischen Strömung

Nachstehend veröffentlichen wir den ersten Beitrag zu einem Diskussionsforum, das den Konflikt im Nahen Osten sowie seine verschiedenen Lösungsmodelle behandeln soll. Die Einrichtung eines solchen Forums wurde von den Teilnehmern der Antiimperialistischen Solidaritätsdelegation beschlossen, um den unterschiedlichen politischen Positionen innerhalb der Palästina-Solidaritätsbewegung Raum für eine notwendige und – so hoffen wir – fruchtbare Auseinandersetzung zu geben. Der erste Beitrag wurde von der Internationalen Leninistischen Strömung verfasst.

Jahrzehntelang war das wichtigste und entscheidendste Ziel der palästinensischen Befreiungsbewegung die Errichtung eines demokratischen Staates in ganz Palästina. Doch nach der historischen Niederlage der arabischen und palästinensischen Bewegung 1967, die zur Besetzung des Westjordanlandes, der Golanhöhen und der Sinai-Halbinsel führte, erschütterte eine Serie von weiteren Niederlagen den palästinensischen Standpunkt. Während des Schwarzen September 1970 wurde der palästinensische Widerstand durch einen vereinigten haschemitisch-zionistischen Angriff blutig niedergeschlagen. Ägypten, das führende und mächtigste arabische Land, erkannte 1978, als späte Folge des Debakels von 1967, Israel als Staat an. 1982 besetzte Israel den Libanon und nahm dem palästinensischen Widerstand somit seine letzte Rückzugsmöglichkeit. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse stieß die Position von Arafats Fatah-Bewegung, Israel anzuerkennen und auf die Gründung eines Staates in den 1967 besetzten Gebieten hinzuarbeiten, nicht nur bei der palästinensischen Bourgeoisie, sondern auch im Volk auf wachsende Unterstützung. Noch mehr mit der Implosion der UdSSR und der totalen globalen Hegemonie der USA schien das Ziel eines demokratischen Staates mit einem Mal in unerreichbare Ferne gerückt. Unter der Vorgabe der Errichtung eines palästinensischen Staates wurden 1993 die Friedensverträge von Oslo unterzeichnet. Heute, fast ein Jahrzehnt später, ist der versprochene palästinensische Staat durch die zionistische Kolonialisierung palästinensischer Gebiete, die sich seit Oslo nicht nur fortgesetzt, sondern sogar noch verstärkt hat, weiter entfernt als je zuvor. Doch bedeutet diese Entwicklung auch, dass die Zwei-Staaten-Lösung somit obsolet und die Forderung nach einem demokratischen Staat in ganz Palästina wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird?
Eine Position der Schwäche
Es ist offensichtlich, dass die allmähliche Verlagerung der palästinensischen Widerstandsbewegung hin zur Zwei-Staaten-Lösung durch die wachsende Überlegenheit des zionistischen Feindes verursacht wurde. Zunächst lag es im Interesse der palästinensischen und arabischen Bourgeoisie die Aussöhnung mit Israel anzustreben und dafür die Ansprüche der Palästinenser auf die 1948 besetzten Gebiete aufzugeben. Doch während die verschiedenen arabischen bürgerlichen Regimes danach trachteten, den Konflikt, wegen dem sie von der einen Seite her durch Zionismus und Imperialismus und von der anderen Seite her durch ihrer eigenen Bevölkerung unter Druck standen, so schnell wie möglich zu lösen, musste die palästinensische Bourgeoisie, die sich in der gleichen Zwickmühle befand, zusätzlich noch um ihre nackte Existenz bangen. Dies ist, in einer langen Reihe von historischen Belegen, eine weitere Bestätigung dafür, dass die arabischen Bourgeoisien weder fähig, noch Willens sind, gegen den Imperialismus zu kämpfen, selbst wenn er ihnen ihr Land raubt. Sie strebten immer die Aussöhnung mit dem Imperialismus an, die schlussendlich nur in weitere Niederlagen führte.
Arafat konnte somit seinen Rechtskurs rechtfertigten, indem er auf den Verrat der arabischen Regimes hinwies. Sich auf eine eigene, vom Hegemoniestreben der panarabischen Regimes vernachlässigte, palästinensische Identität berufend, argumentierte er für einen selbständigen palästinensischen Staat und benützte somit die legitime Enttäuschung der Massen gegenüber den arabischen Regimes, um die Aussöhnung mit Israel zu rechtfertigen, die erst Recht im Interesse dieser Regimes war. Während Arafat die arabischen Regimes für die Niederlage verantwortlich machte, gab er jedoch zugleich den Kampf gegen diese, den eine konsequente Interpretation des arabischen Nationalismus nach sich ziehen würde, auf. Somit schüttete er das Kind mit dem Bade aus.
In dem Maße, in dem den breiten Volksmassen immer mehr die Unmöglichkeit der Zerstörung Israels zu Bewusstsein kam (was umso deutlicher wurde, als Israel nicht nur weiterhin die massive Unterstützung des Imperialismus genoss, sondern auch die antiimperialistische Bewegung weltweit besiegt war), wurden auch sie zunehmend von der Idee eines palästinensischen Staates in Westjordanland und Gasastreifen überzeugt. Ihre Intention war jedoch nicht die strategische Allianz mit dem Zionismus, sondern, zumindest bis sich die internationalen Kräfteverhältnisse ändern würden, schlicht und einfach ein Ende der Besatzung, um in Sicherheit und stabilen Verhältnissen leben zu können. Während die Bourgeoisie eine Rolle als gedungener Verbündeter anstrebte, verlangten die Volksmassen nach einem souveränen, demokratischen Staat.
Das Ausmaß des politischen Niedergangs der palästinensischen Befreiungsbewegung spiegelt sich in der Tatsache wider, dass sogar die historische Linke, angeführt von der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) ihre Position lockerte, und ein Friedensabkommen akzeptierte, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie es schließlich in Oslo ausgehandelt wurde.
Die Rechnung ohne den Wirt gemacht
Andererseits hatte auch der Imperialismus Interesse an einem Friedensabkommen, da er nur so die Lüge der „Neuen Weltordnung“, die weltweit für Friede, Demokratie und Wohlstand sorgen sollte, aufrecht erhalten konnte. So glaubte Washington das Ende der Geschichte verkünden zu können. Das Konzept der Integration besiegter Befreiungsbewegungen, wie es bereits in Mittelamerika und Südafrika erfolgreich angewendet worden war, sollte nun auch im Mittleren Osten zu Ehren kommen, um die Herrschaft des Imperialismus, die davor zwanzig Jahre lang ständig bedroht war, ein für alle mal außer Frage zu stellen. Die USA wollten ihre Hegemonie, die sie mit dem Krieg gegen den Irak neuerlich gefestigt hatten und die nur noch durch die Palästina-Frage bedroht wurde, sichern, da diese ein unberechenbares Pulverfass darstellten, das ihnen jederzeit die ganze Architektur ihrer Herrschaft in der Region über den Haufen werfen könnte.
Auch auf die israelische Gesellschaft hatte die Neue Weltordnung Auswirkungen: Die aschkenasischen Mittelklassen – immer noch unter dem Schock des Libanon-Debakels – strebten eine Demokratisierung, die eine gewisse Entzionisierung nach sich zöge, an, was auch eine Normalisierung des Verhältnisses zu den Palästinensern bedeutet hätte.
Doch während die zionistische Bourgeoisie stets Vereinbarungen und ein normalisiertes Verhältnis zu der arabischen Umgebung angestrebt hatte, um diese riesigen Absatzmärkte mit Produkten ihrer hochentwickelten Industrie überschwemmen zu können, war sie nie dazu bereit, einen palästinensischen Staat, der auch nur die geringsten Anzeichen von wirklicher Souveränität und Unabhängigkeit aufwiese, zu akzeptieren. Sie hatte keinen Grund ihren langfristigen Plan, ganz Palästina zu erobern und zu kolonialisieren, aufzugeben, da sie sich nur zu gut ihrer eindeutigen militärischen Übermacht bewusst war.
Unter dem Druck der USA spielte sie zwar gezwungenermaßen das Friedensspiel mit, hörte aber währenddessen nicht auf, weiterhin das Westjordanland und den Gasastreifen zu kolonisieren, indem sie beide mit neuen Siedlungen und Militärstrassen überzog. Sie strebte eine Bantustan-Lösung an, da diese nicht nur die Unterstützung der sogenannten internationalen Gemeinschaft genoss, sondern auch jene der palästinensischen Führung selbst gefunden zu haben schien. Sollte das nicht funktionieren, könnte sie den Palästinensern immer noch die Schuld zuschieben, die in Oslo einem Abkommen zu Glaubwürdigkeit verholfen hatten, das ihnen im Gegenzug keinerlei Garantie für die Erfüllung ihrer Forderungen gab.
Der unvermeidliche Zusammenbruch von Oslo
Das einzige bedeutende Zugeständnis, das Israel in Oslo machte, war die Bildung der Palästinensischen Nationalbehörde (PNA). Im Gegenzug für die Überwachung und die Kontrolle des palästinensischen Widerstand sowie die Hilfstätigkeit für eine fast in großen Internierungslagern lebenden Bevölkerung, erhielt die palästinensische Bourgeoisie, repräsentiert und verkörpert von der PNA, vom Imperialismus und seinen arabischen Handlangern, gewaltige finanzielle Mittel.
Während die PNA unter Arafats Führung dazu bereit war, beinahe alles zu verkaufen, nur um ihre neu erworbenen Privilegien behalten zu können, gab es trotzdem bestimmte Grenzen, die nicht überschritten werden konnten. Sie konnte weder das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr aufgeben, ohne dafür einen zumindest symbolischen Ausgleich vorweisen zu können, noch konnte sie al-Quds (Jerusalem) als Hauptstadt des palästinensischen Staates aufgeben. Und sie konnte auch nicht eine offenkundige Bantustan-Lösung akzeptieren, die die Palästinenser nicht nur ihrer elementarsten demokratischen Rechte beraubt, sondern ihnen auch jede Verdienstmöglichkeit nimmt, und sie somit finanziell von ausländischer Hilfe abhängig macht. Das Überschreiten dieser Grenzen hätte zu einem Bürgerkrieg zwischen der PNA und den breiten Volksmassen geführt, wodurch Israel noch weiter gestärkt worden wäre – ein Szenario, das die PNA nicht riskieren wollte. Deswegen konnte Arafat das Camp-David-Abkommen, mit dem die Bantustan-Lösung signiert worden wäre, nicht annehmen.
Das Volk reagierte mit der zweiten Intifada, die Arafat ursprünglich benutzen wollte, um seine Verhandlungsposition zu stärken.
Israel zog sich daraufhin jedoch vom Verhandlungstisch zurück und entfesselte eine beispiellose Welle des Staatsterrorismus, die ein wahres Blutbad anrichtete. Während der Zionismus einerseits die Führer der Intifada gezielt tötet, versucht er andererseits die breite Bevölkerung mittels Kollektivbestrafung einzuschüchtern. Arafat selbst ist, wie ein Kind durch seinen Züchtiger, unter Hausarrest gestellt. Da die PNA ihre erreichte Position als Verbündeter des Zionismus nicht verlieren will, beugt sie sich immer mehr dem israelischen Druck, wie zum Beispiel durch die Verhaftung islamischer und linker Führer der Widerstandsbewegung.
Obwohl der Oslo-Friedensprozess ganz offensichtichtlich gescheitert ist und das palästinensische Volk nicht aufhört, mittels der Intifada dagegen zu rebellieren, gibt es doch ein dreigestaltiges Interessensmoment diesen moribunden Friedensprozess so lange als möglich am Leben zu erhalten. Die USA wollen den Mittleren Osten nicht durch das Eingeständnis des Scheitern ihrer Befriedungsbemühungen destabilisieren, denn damit würden sie den durch die von den USA diktierte liberalistische Politik ins Elend gestürzten Volksmassen einen Kristallisationspunkt für ihre Rebellion geben. Der Zionismus, während er gegenwärtig die Palästinenser massakriert, ist ebenfalls an einer Lösung der Palästinenserfrage in Form von Bantustans interessiert, jedoch mit internationaler Billigung, vorzugsweise ohne einen nationalen Führer wie Arafat, und stattdessen mit mehreren regionalen Anführern. Und Arafat und die PNA schließlich versuchen verzweifelt ihre Rolle zu behalten.
So lange es zu keiner Änderung der internationalen oder regionalen Kräfteverhältnisse kommt, wird sich an dieser Situation nichts Wesentliches ändern.
Der israelischen Gesellschaft fehlt das antagonistische Subjekt
Israel ist eine rassistische, kolonialistische Gesellschaft, in der, im Vergleich zu den unterdrückten und vertriebenen Palästinensern, jedes Individuum, ungeachtet der durchaus vorhandenen sozialen Differenzierung, extrem privilegiert ist. Solange mit imperialistischer Unterstützung für die große Mehrheit der Bevölkerung ein Lebensstandard aufrecht erhalten werden kann, der mit dem des Westens vergleichbar ist, wird die Einheit gegenüber den unterdrückten Palästinensern bestehen bleiben, auch wenn es natürlich Spannungen zwischen den herrschenden säkularen Aschkenasim, die den Rassismus aus den westlichen kapitalistischen Gesellschaften mitgebracht haben, und den religiösen, orientalischen Juden gibt.
In dem Maße in dem das zionistische Projekt der Erschaffung einer Nation Erfolg hat, wird die Rückkehr der Siedler in ihre Ursprungsländer – im Unterschied zu früheren Formen des Siedlerkolonialimus – verunmöglicht, was ihre Loyalität zum Staat entscheidend stärkt. Trotz der tiefen inneren Widersprüche schaffte es der Zionismus beispielsweise eine tote Sprache als Nationalsprache zu etablieren. Der Antisemitismus und vor allem die Tragödie des Völkermords an den Juden dienen nach wie vor als kraftvolle Rechtfertigung des Kolonialismus. Während der Antisemitismus ein speziell europäisches Phänomen war, führte die zionistische, kolonialistische Aggression zu einer breiten antijüdischen Stimmung im Mittleren Osten. So wurde es möglich auch den arabischen und orientalischen Juden den zionistischen Mythos zu vermitteln, demzufolge der Antisemitismus die treibende Kraft der Geschichte sei. Dadurch gelang es, den israelischen Staat auch gegenüber den arabischen und orientalischen Juden zu legitimieren.
Die Kategorien „links“ und „rechts“ haben in Israel keine Bedeutung, außer vielleicht um zwischen Säkularismus und Religiösität zu unterscheiden. Tatsächlich bildet das, was gewöhnlich als israelische Linke bezeichnet wird, das historische Rückgrat des Zionismus.
Die Tatsache, dass es in der israelischen Gesellschaft kein antagonistisches Subjekt geben kann, ist durch die Geschichte des Zionismus begründet. Heutzutage scheint die Situation in den westlichen imperialistischen Ländern, in denen das antagonistische Subjekt ebenfalls verschwunden ist, ähnlich zu sein, doch während im Westen die Klassenunterschiede unter dem Druck der sozialen Krise und der antiimperialistischen Befreiungsbewegung, wieder einen antagonistischen Charakter annehmen können, ist der kolonialistische und imperialistische Charakter allen israelischen Klassen organisch innewohnend. Ihr Schicksal ist untrennbar mit dem des Staates verbunden. Nur unter dem Druck einer arabischen und palästinensischen Befreiungsbewegung, die die Existenz Israels selbst bedroht, kann die kolonialistische Einheit aufgebrochen werden. Der einzige Moment in der Geschichte Israels, in dem es eine nennenswerte Opposition gegen die imperialistische Aggression gab (natürlich immer noch weit davon entfernt antagonistisch zu sein), war während des Kriegs im Libanon, in dem die Widerstandsbewegung dem Eindringling beachtliche Verluste zufügen konnte.
Revolutionärer arabischer Volksbefreiungskrieg
Es erscheint klar, zieht man die ungleichen Kräfteverhältnisse in Betracht, dass das palästinensische Volk auf sich allein gestellt niemals in der Lage sein wird sich von der zionistischen Okkupation zu befreien. Seine hervorragende Rolle ist vor allem eine politische als Vorhut der arabischen Befreiungsbewegung, die sich auf die Millionen von Proletariern sowie die ländliche und städtische Armut der ganzen Region stützen muss. Tatsächlich ist es nicht nur das palästinensische Volk, das unter dem Zionismus leidet, sondern die Gesamtheit der arabischen Volksmassen. Diese sind sich wohl der Tatsache bewusst, dass Israel als ein Stachel in ihrem Fleisch dient, der sie spalten und ihre Beherrschung durch dem Imperialismus hörige Marionettenregime ermöglichen soll.
Die Lage der Volksmassen hat sich zusehends verschlechtert. Sie wurden in schlimmstes Elend gestürzt. Die elementarsten demokratischen Rechte werden ihnen verweigert, genauso wie ihre Kultur mit Füßen getreten wird. Die tiefen Klassengegensätze (wiewohl sich diese oft nicht als solche manifestieren) sind in letzter Konsequenz die treibende Kraft hinter den vielfältigen Konflikten mit dem Imperialismus und in der Region selbst. Früher oder später müssen sie zur Explosion kommen. Die Volksmassen werden sich allerdings nur massiv in Bewegung setzen, werden nur in den Gang der Geschichte einzugreifen suchen, wenn eine Schwäche des Gegners, eine Spaltung in seinen Reihen den Sieg über den Tyrannen als möglich erscheinen lässt.
Es ist kein Zufall, dass der Imperialismus einen gewaltigen Militärapparat im Mittleren Osten konzentriert hat. Es kann nicht vorausgesagt werden, wann und in welcher Form dieser Zusammenstoss kommen wird. Aber eine Sache ist klar, er ist unvermeidlich. Indes ist es vorhersagbar, dass die USA und Israel ihre überlegene Militärmacht in vorausschauender und aggressiver Art und Weise einsetzen werden, um jede Rebellion im Keim zu ersticken bevor sie sich auszubreiten vermag. Die Vorbereitungen des Imperialismus laufen auf vollen Touren. Dazu wurde die Allianz mit der Türkei aufgebaut und jene mit den Golfstaaten gefestigt, wobei gerade die letztgenannten Verbündeten zunehmend an Stabilität zu verlieren drohen. Am Beispiel der Kriege des letzten halben Jahrhunderts können wir sehen, dass die zionistische und die imperialistischen Armeen in der ersten Phase vorrücken mögen, da die bürgerlichen Regimes zum notwendigen Widerstand weder fähig noch willens sind. Dennoch lehrt das libanesische Beispiel, dass ein Volkskrieg möglich und durchaus auch erfolgreich geführt werden kann.
Der Widerstand muss einen revolutionären Charakter annehmen, die armen Klassen gegen den Imperialismus mobilisieren und dabei die heimischen Bourgeoisien stürzen, die, wie die Geschichte zeigt, die nationale Befreiung immer verrieten, um ihre Existenz zu erhalten. Die revolutionäre proletarische Partei muss die Führung übernehmen, die anderen subalternen Klassen und vielleicht sogar einige Teile der Bourgeoisie hinter sich versammeln. Dabei ist es nicht entscheidend, ob das industrielle Proletariat soziologisch gesehen signifikant oder ob es gegenüber den anderen armen Klassen sogar privilegiert ist. Die entscheidende Frage ist, ob es eine entschiedene, kompromisslose jakobinische Führung gibt, die in den Volksmassen fest verwurzelt und dadurch befähigt ist, das revolutionäre Programm der Gesamtheit der Gesellschaft aufzuzwingen.
(Die Tatsache, dass die Ergreifung der Staatsmacht erst der Beginn der Revolution ist und dass der Übergang zum Sozialismus schwerwiegende Probleme aufwirft, die nur mittels der Verarbeitung der historischen Erfahrungen gelöst werden können, wird hier nicht behandelt.)
Das historische Problem der revolutionären Führung
Die kommunistische Bewegung war (mit Ausnahme des Iraks) in der arabischen Welt besonders schwach. Das ist nicht so sehr der Klassenstruktur geschuldet – es gab kommunistisch geführte Revolutionen in Ländern, in denen es praktisch kein Proletariat gab – sondern hängt zu aller erst mit der Politik der kommunistischen Parteien selbst zusammen. Mitte der 30er-Jahre trat Moskau in eine strategische Allianz mit dem Entente-Imperialismus gegen Nazi-Deutschland ein. Für die kommunistischen Parteien dieser Länder sowie ihrer Kolonien hieß das, den revolutionären Kampf zu dämpfen und zu einer Politik der „loyalen Opposition“ überzugehen, der auch der Kampf gegen den Kolonialismus zum Opfer fiel (siehe Algerien, Ägypten oder Syrien). Entsprechend der kurzsichtigen und konservativen Logik des Kremls war der Erhalt der Allianz wichtiger als die Förderung der gerade erwachenden antikolonialen Bewegungen.
Doch der schmutzigste und eklatanteste Ausdruck des Verrats Moskaus sollte noch kommen. Die Unterordnung der Interessen der Weltrevolution unter jene der herrschenden Schicht führte die UdSSR dazu, Israel 1948 als erster Staat der Welt anzuerkennen. In Moskau dachte man zu Beginn des Kalten Krieges, man könnte die britische Kontrolle über den Nahen Osten dadurch schwächen, indem man Israel unterstütze, das gegen den Willen der ehemaligen Mandatsmacht errichtet wurde. Die unterdrückten arabischen Massen spielten in den Überlegungen der russischen Führung keinerlei Rolle.
Die oft willkürlichen Schwenks der von Moskau diktierten Politik der kommunistischen Parteien und ihr über weite Strecken opportunistischen Verhaltens gegenüber den lokalen Bourgeoisien behinderten entscheidend ihr Wachstum.
Die Kommunisten überließen dem arabischen Nationalismus das Feld, der es schließlich schaffte Millionen und aber Millionen der Volksmassen hinter sich herzuführen. Zwar führte dieser bedeutende soziale Reformen durch und beschnitt die imperialistischen Interessen. Dennoch vollzog weder der Nasserismus noch der Baathismus einen vollständigen Bruch mit den bürgerlichen Klasseninteressen. Eine unabhängige politische Organisation des Proletariats und der armen Volksmassen wurde niemals zugelassen. Die kommunistischen Kräfte hatten sich anzupassen oder wurden gewaltsam unterdrückt.
In letzter Instanz ist die historische Niederlage des Nasserismus im Sechs-Tage-Krieg 1967 damit zu erklären, dass es ihm nicht gelang die Kampfkraft der Volksmassen sowohl in einem engeren militärischen Sinn als auch in einem weiteren politischen Sinn zu entfalten und sich dann entsprechend auf sie zu stützen.
Nach dieser erniedrigenden Niederlage flutete die Volksbewegung zurück. Dem gegenüber stand die Linksentwicklung des Panarabismus, vor allem unter den Palästinensern.
Bereits nach dem Zusammenbruch der meistem der anciens rà©gimes und dem Aufstieg des Panarabismus versuchte der Imperialismus eine ihm wohlgesinnte politische Kraft zu schaffen und zu unterstützen, die auch über gewissen Einfluss im Volk verfügen würde. Die Wahl fiel auf die konservativen islamischen Kräfte. Um die weitverbreitete Enttäuschung nach dem Fall von Nasser zu kanalisieren und die Gefahr des linken Nationalismus einzudämmen, wurde diese Linie weiter akzentuiert.
Als Folge des Niedergangs und des Verschwindens des arabischen Nationalismus und des Kommunismus blieb die islamische Bewegung die einzige Kraft, die sich gegen das imperialistische Joch auflehnte, wenn auch oft nur rhetorisch. In der ersten Phase mag die zunehmende Unterstützung für den Islamismus mit dem Rückfluten der Bewegung und dem Rückfall in die Passivität zu erklären sein. Dieser wurde unter dem Eindruck der weltweiten Niederlagen der Befreiungsbewegungen vollzogen und fand seinen Höhepunkt im Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der UdSSR.
Doch bereits die islamische Revolution im Iran 1979 fungierte, trotz ihres widersprüchlichen Charakters, als anspornendes Moment im antiimperialistischen Kampf. Insbesondere nach dem Golfkrieg gegen den Irak 1991 und der darauffolgenden Errichtung der „Neuen Weltordnung“ wuchs das soziale Elend sowie die politische und kulturelle Unterwerfung der arabischen Massen auf bisher ungeahnte Ausmaße an. Da der Unmut und der Protest der Volksmassen keinen anderen Weg des Ausdrucks mehr zur Verfügung hatte, bediente er sich der islamischen Organisationen. Dabei kamen vielfach auch die Führungen derartig unter Druck, dass sie sich von ihren ehemaligen Herren in Washington und Tel Aviv distanzieren mussten. Als anschaulichste Bespiel einer solchen Transformation kann die palästinensische Hamas dienen. Genauso nahm das Moment des religiösen Eiferertums sowie des Antikommunismus bei der libanesischen Hisbullah zugunsten der Unterstützung und Organisierung des Volkswiderstands gegen die zionistische Besatzung wesentlich ab. Tatsächlich wurde sie zur führenden Kraft, die sich als zur Kooperation mit anderen Kräften des Widerstands bereit erwies.
Dieser teilweise antiimperialistische Schwenk unter dem Druck der Massen ebnete auch den Weg zur Gründung neuer Organisationen wie beispielsweise des Islamischen Dschihad in Palästina, der offen mit säkularen und kommunistischen Kräften, die zuvor als Feinde betrachtet wurden, gegen den Imperialismus kooperiert.
Indes sind das wohl paradigmatischste Beispiel die arabischen Afghanen Bin Ladens und die ägyptische Gamaa, die im al-Qaida-Netzwerk zusammenflossen. Diese ursprünglich zutiefst antikommunistisch motivierte Bewegung der reaktionärsten Kräfte der feudalen und kapitalistischen herrschenden Klassen, die die massive Unterstützung der USA genoss, sah sich mit veränderten internationalen Kräfteverhältnissen und der wachsenden Unterstützung der Volksmassen für den Panislamismus konfrontiert. Mit dem Angriff auf den Irak und dem westlichen Kreuzzug gegen den Islamismus, der nun nicht mehr nur als religiöses Hirngespinst, sondern vor allem als akute politische Gefahr betrachtet wird, stellte sich Bin Laden schrittweise gegen seine Herren. Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 versetzte der Islamismus der globalen Herrschaft der USA einen schweren Schlag von historischer Bedeutung. (Dabei ist es sekundär, wer der tatsächliche Urheber der Aktion ist, sondern es zählt einzig, wem er im Allgemeinen sowohl von der westlichen Öffentlichkeit als auch von den Volksmassen der unterdrückten Welt zugeschrieben wird – und das ist al-Qaida.)
Al-Qaida ist aber auch beispielhaft hinsichtlich der Grenzen des politischen Islam. Ihr Aufruf für einen globalen Dschihad der Muslime fand bisher kein Gehör. Das kann zum Teil mit dem religiös idealistischen Charakter ihrer politischen Ideologie erklärt werden, der das Verständnis für die treibenden Kräfte der Geschichte abgeht. Noch expliziter als der arabische Nationalismus lehnt der Islamismus den Klassenkampf ab. Während al-Qaida und alle vom Wahhabitismus beeinflusste Bewegungen die arabischen Regimes für ihren korrupten, volksfeindlichen und prowestlichen Charakter vehement attackieren und damit zumindest indirekt durchaus die sozialen Interessen der Volksmassen ansprechen, gehen ihre programmatischen Vorstellungen dennoch nicht wesentlich über eine moderate Wohltätigkeit hinaus, die ihre Mobilisierungskraft beschränken.
Die Bewegung des politischen Islam ist ein hochgradig widersprüchliches Phänomen, das ohne eine konkrete Analyse des betroffenen Landes oder der Region nicht beurteilt werden kann. Auf der einen Seite wurde die Geburt dieser Bewegungen oft entschieden vom Imperialismus unterstützt und sie sind oftmals mit den reaktionärsten Fraktionen der lokalen Bourgeoisie verbunden. Auf der anderen Seite gibt es Fälle, wo die Volksmassen unter der Flagge des Islam ihre Interessen gegen den Imperialismus und seine Kompradoren verteidigen. Mit dem wachsenden Widerspruch zwischen dem Imperialismus und den arabischen Volksmassen sind innere Kämpfe und Spaltungen der islamischen Bewegungen unvermeidlich – ein Prozess, der sich bereits vollzieht. Einige der islamischen Kräfte werden schließlich offen die Bourgeoisie und den Imperialismus unterstützen, andere mögen sich dem Lager der antiimperialistischen Volksmassen anschließen. Das konkrete Ergebnis dieses Kampfes wird nicht zuletzt von der Intervention der revolutionären und kommunistischen Kräfte abhängen.
Die Kommunisten müssen für den Aufbau einer antiimperialistischen Front der armen Klassen wirken, die um deren Interessen gegen die Bourgeoisie und den Imperialismus kämpft – in politischer wie militärischer Hinsicht. Dazu müssen ausnahmslos alle Kräfte mit diesem Anspruch zur Zusammenarbeit eingeladen und aufgefordert und an den progressiven Momenten sowohl des Panarabismus als auch des Panislamismus angeknüpft werden. Ein Bündnis mit den Teilen der islamistischen Bewegung, die tatsächlich gegen den Imperialismus kämpfen, ist heute von entscheidender Wichtigkeit. Unter bestimmten Bedingungen kann eine solche Front selbst ein islamisches Erscheinungsbild annehmen, wenn dies sich als nötig erweisen sollte, um die Massen zu erreichen.
In diesem langen und schmerzhaften Prozess müssen die Kommunisten (die das Vertrauen der Massen verloren haben) als die konsequentesten und unversöhnlichsten Kräfte im Kampf um die Interessen des Volkes gegen den Imperialismus erscheinen. Nur wenn sie ihre Kampffähigkeit praktisch unter Beweis stellen können, werden sie schließlich fähig sein die Führung des Kampfes zu erobern, der früher oder später militärische Formen annehmen wird. Und nur unter ihrer Führung kann der Sieg errungen werden, denn alle anderen Kräfte neigen, wie uns die Geschichte lehrt, zum Kompromiss. Daher sind Konflikte und Spaltungen in dieser Front ebenso unvermeidlich.
Der Kampf um einen palästinensischen Staat als Übergang zum Kampf um einen demokratischen Staat
Die friedliche Koexistenz des angestrebten palästinensischen Staates mit Israel als exklusivem jüdischen Staat ist historisch unmöglich. Israels Existenz selbst ist an den Imperialismus gebunden, dem dieser Staat als strategische Waffe im Nahen Osten dient.
Eine Entzionisierung, eine Demokratisierung würde durch die Rückkehr der Vertriebenen nicht nur schnell zu einer arabischen Bevölkerungsmehrheit führen, sondern müsste auch deren Anspruch auf proportionale Repräsentation nachgeben. Dies zöge aber den Verlust der Privilegien der großen Mehrheit der jüdischen Bevölkerung nach sich, auf der die Hegemonie der zionistischen Bourgeoisie beruht.
In Südafrika wurde die Apartheid gerade zu dem Zweck abgeschafft, wenn schon nicht die politische so zumindest die soziale Herrschaft der weißen Bourgeoisie zu erhalten. Dazu kooptierte man die verbürgerlichte Vertretung der schwarzen Massen. Jedoch war der Imperialismus weder von der militärischen Kontrolle der Region durch die weiße Minderheit abhängig, noch musste er bei einer Übergabe der politischen Macht an die schwarze Mittelschicht um seine bloße Existenz zittern, da diese auf starken wirtschaftlichen Fundamenten ruht. In Israel existiert im Gegensatz dazu keine solche vom imperialistischen Zentrum verhältnismäßig unabhängige Bourgeoisie, der es mehr um die Ausbeutung der Palästinenser ginge – die ein politisches Arrangement zur politischen Stabilisierung erfordern würde – als um ihre Vertreibung. Israel ist zu aller erst ein militärischer Vorposten des US-Imperialismus gegen die arabische Welt.
Daher kann unser historisches Ziel nur die Zerstörung des Zionismus und seines Staates Israel als eines exklusiven jüdischen Staat und die Errichtung eines demokratischen, nicht auf religiös-rassischen Kriterien basierenden Staatswesens sein. Zwar können die Palästinenser mit vollem Recht auf die Errichtung eines arabischen Staates in ganz Palästina bestehen, doch würde eine Garantie nicht nur für individuelle Rechte für die hebräischsprachige bzw. jüdische Bevölkerung, sondern auch das Angebot kollektiver nationaler Rechte der Niederringung des Zionismus politisch dienlich sein. Die exakte Formulierung des Verhältnisses der zwei Nationen zu einander wird wesentlich davon abhängen, wie sehr und in welchem Ausmaß sich in der hebräischsprachigen/jüdischen Bevölkerung die Bereitschaft zeigt und entwickelt mit dem Zionismus zu brechen und sich mit arabischen Befreiungsbewegung zu verbünden. Das maximal denkbare Zugeständnis könnte ein binationaler Staat sein. Die Rechte der hebräischsprachigen/jüdischen Bevölkerung können aber niemals so weit gehen, auch kollektive territoriale Ansprüche einzuschließen. Dies würde eine neue Form des Zionismus bedeuten und zu einer neuerlichen Verbindung mit dem Imperialismus tendieren.
Nichtsdestotrotz ist die Periode dadurch gekennzeichnet, dass die überwiegenden Mehrheit der Volksmassen für einen palästinensischen Staat in den besetzten Gebieten von 1967 eintritt. Während die arabische und palästinensische Bourgeoisie diese Forderung lancierte, um zu einem strategischen Ausgleich mit Israel zu kommen, betrachten die Volksmassen die Parole im Angesicht des überlegenen Feindes als eine Minimalforderung, die den weiteren Kampf für die Befreiung ganz Palästinas offen lässt.
Von einem südafrikanischen Szenario auszugehen, würde heißen, einen Palästinenserstaat mit einer mehr oder weniger stabilen Herrschaft der Bourgeoisie und Israel im Rücken zu errichten – was wiederum einen schweren Rückschlag für die Befeiungsbewegung bedeuten würde. Doch das ist höchst unwahrscheinlich, denn nicht nur einige zionistische Falken lehnen einen souveränen palästinensischen Staat kategorisch ab, sondern die gesamte zionistische Bourgeoisie mit der Unterstützung eines Großteils der Bevölkerung setzt sich vehement dagegen zu Wehr. Einzig eine lose Föderation palästinensischer Bantustans erscheint akzeptabel. Doch selbst darüber, ob dieser nun das Recht zukommt sich Staat zu nennen oder nicht, ist ein heftiger Streit entbrannt.
Daher ist der Kampf für einen souveränen palästinensischen Staat auch in den beschränkten Grenzen von 1967 fortschrittlich, da er direkt gegen den Zionismus und damit in der Konsequenz auch gegen die kollaborationistische palästinensische Bourgeoisie gerichtet ist. Er steht mit dem Kampf um einen demokratischen Staat in ganz Palästina in keinem Widerspruch, denn auch ein palästinensischer Teilstaat kann nur auf den Trümmern Israels errichtet werden.
Den Kampf für einen demokratischen Staat jenem für einen palästinensischen Teilstaat kategorisch gegenüberzustellen, bedeutet nichts anderes als die Massen der bürgerlichen Arafat-Führung zu überlassen. Die Überwindung der versöhnlerischen Linie Arafats und seiner Clique muss damit beginnen, den konkreten Kampf der Massen gegen ihn zu wenden in dem man auf den souveränen Charakter eines solchen Staates besteht. Dieses Vorgehen wird schließlich den Weg für den abermaligen Aufstieg des Kampfes um einen demokratischen Staat ebnen.
Die Tatsache, dass die palästinensische Linke der Forderung Deckung gab und sich dabei letztendlich hinter Arafat stellte, hängt nicht notwendigerweise mit der Parole selbst zusammen (wie es einige Linke behaupten), sondern mit ihrer opportunistischen Auslegung, die ihren himmelschreiendsten Ausdruck in Oslo fand.
Es ist nicht das erste Mal, das sich für die revolutionäre Bewegung eine solche Problemstellung ergibt. Erst kürzlich stellte sie sich in Kolumbien. Die gesamten 80er-Jahre hindurch war sie für Zentralamerika virulent. Schließlich führt sie uns bis in das Jahr 1918 zurück, als das revolutionäre Russland gezwungen war mit Deutschland einen höchst ungünstigen Friedensvertrag zu schließen. Wenn der Feind überlegen, die Massen von ständigen Kämpfen erschöpft und die Avantgarde isoliert war, trat in der revolutionären Bewegung immer eine organische Tendenz zum Nachgeben, zum Kompromiss, zur Kapitulation auf. Parallel dazu erhob sich oft eine subjektivistische, ultralinke Strömung, die dafür eintrat die Konfrontation auf der Basis der reinen Willenskraft fortzusetzen. Da ihnen jedoch die breite Unterstützung abgeht, wäre die Volksbewegung unter einer solchen Führung für den Feind eine leichte Beute.
Wenn sich die Volksmassen nach Jahren oder gar Jahrzehnten des Bürgerkriegs ein Ende der Auseinandersetzung wünschen, so kann dies von der revolutionären Avantgarde nicht ignoriert werden, ohne dabei beträchtlich an Unterstützung zu verlieren. Oftmals muss sie Friedensverhandlungen akzeptieren, im Verlauf derer sie zeigen muss, dass es der Feind ist, der den Frieden unter Erfüllung der elementaren Forderungen mit allen Mitteln verhindern will.
Die Kunst revolutionärer Politik ist es, unter solchen Umständen einen Weg zurück zu finden, die Kräfte geordnet zurückzuziehen, dem Feind einige Brocken hinzuwerfen, die ihn vorübergehend einhalten lassen, um entscheidende Momente für die Konsolidierung und Stärkung der revolutionären Kräfte zu gewinnen. Die Massen müssen Zeit zum Verschnaufen und zur Erholung bekommen, ohne die politischen Ziele aufzugeben. Im Gegenteil, die Massen müssen dadurch enger an die revolutionäre Avantgarde gebunden werden, die erklärt, dass es sich nur um einen vorrübergehenden Rückzug handelt, der nichts mit einer strategischen Zusammenarbeit mit dem Feind zu tun hat, welche die proletarische Führung den kollaborationistischen bürgerlichen Kräften unterordnen würde.
In diesem Sinn sind wir der festen Überzeugung, dass wir den palästinensischen Kampf auf der Basis der vier entscheidenden Forderungen der breiten Volksmassen unterstützen und um diese ein breites Bündnis aufbauen müssen:
Sofortiger Rückzug der zionistischen Truppen aus den besetzten Gebieten!
Schleifung der israelischen Siedlungen!
Rückkehrrecht aller palästinensischen Flüchtlinge!
Für einen souveränen palästinensischen Staat im Westjordanland und im Gasastreifen mit Jerusalem als Hauptstadt!

Diesen Kampf versuchen wir von innen heraus mit der historischen Forderung des palästinensischen Befreiungskampfes zu verbinden, die aber erst dann dominant werden kann, wenn ein verändertes Kräfteverhältnis sie für die Massen erreichbar erscheinen lässt:
Für einen demokratischen säkularen Staat in ganz Palästina!
Es ist klar, dass der Kampf für einen solchen Staat sowie auch dieser selbst nicht nur mit dem heftigen Widerstand des Imperialismus und der Reste des Zionismus zu rechnen haben wird, sondern auch mit jenem der verschiedenen arabischen bürgerlichen Regimes. Ein demokratischer Staat kann daher nur im Rahmen einer demokratischen und antiimperialistischen Föderation des Mittleren Ostens errichtet werden. Um den unvermeidlichen Krieg gegen den Feind gewinnen zu können, muss sich der Kampf auf die breiten Volksmassen stützen und ein Regime der revolutionären Volksmacht errichten. Die entscheidenden Sektoren der Wirtschaft der Länder müssen der Kontrolle des Imperialismus und seiner Kompradoren entrissen und nationalisiert werden. Die Revolution wird nur dann überleben können, wenn sie sich auf die Mehrheit zu stützen weiß. Dazu sind die Entwicklung Richtung Sozialismus und die Unterstützung der internationalen Revolution von Nöten, mit dem Ziel den Imperialismus und Kapitalismus in seinen Zentren selbst zu zerstören.

Internationale Leninistische Strömung
Wien-Rom, Februar 2002

Thema
Archiv