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Bewegungsfreiheit: unbekannt

12. September 2006

Gemäß
Genfer Konvention ist Kollektivbestrafung ein Kriegsverbrechen

“Hast du schon
gehört? Wir haben heute einen Märtyrer. Nachts gegen vier Uhr haben vier Männer
versucht, den Checkpoint Huwwara zu umfahren. Die Israelis haben sie gesehen
und befohlen, anzuhalten. Das taten sie auch, aber dann haben die Israelis das
Feuer eröffnet. Einer war sofort tot, drei andere sind jetzt im Krankenhaus.
Hast du heute nacht die Schüsse gehört?” – “Ja”. Dieses Gespräch fand in Nablus
statt.

Wegen
des nächtlichen Zwischenfalls haben israelische Soldaten, die den Checkpoint
zwischen Nablus und Huwwara besetzen, die Sicherheitsvorkehrungen ein bißchen
verschärft. Jeder Mann muß einzeln durch die stählerne Drehtür, dann werden ihm
Handfesseln angelegt und er wird von oben bis unten durchsucht. Ein weiterer
Soldat zielt währenddessen mit einer M16 auf den Kopf des Gefesselten.
Anschließend werden die Fesseln wieder aufgeschnitten. Der nächste. Ab und an
begehren die Männer auf. Sie trällern einen sirrenden Laut, ähnlich dem eines
johlenden Kriegsrufes. Auch dies ist eine Technologie kulturellen Widerstandes.

Die
Frauen werden von den Männern getrennt untersucht. Die Frauenreihe hat kein
Dach gegen die Sonne. In den langen Gewändern und Tüchern drängen sie sich.
Einige nehmen Rücksicht auf Frauen mit Kindern, einige Alte kennen keine
Nachsicht. Die palästinensische Friedenspreisträgerin Nabila Espanioly sprach
einmal von der Schwierigkeit, unter der Besatzung seine menschliche Gesundheit
zu bewahren. An diesen Kontrollposten gibt es keine Menschlichkeit. Die Frauen
drängen sich zu sehr. Ein winziger Soldat ruft ihnen zu, sie sollen
zurücktreten und eine Reihe bilden, sonst dürften sie nicht passieren. Aber
jede hat in den letzten 30 Minuten einige Zentimeter gewonnen und die will
niemand mehr hergeben. Ich auch nicht. Weil seine Order nicht befolgt wird,
zielt er nun mehr nicht nur mit seiner Waffe auf die Wartenden, sondern lädt
durch. Keine der Frauen zeigt sich beeindruckt.

Zwischen
Nablus und Ramallah gibt es insgesamt drei Checkpoints. Heute, am 20. 8. 2006,
gab es vier. Der vierte ist ein sog. fliegender Checkpoint. Sie wechseln
regelmäßig ihre Position. Umkehren zwecklos.

Nach
einer Woche in Nablus steht man wieder einmal an diesen Kontrollposten, die
Israel und die gesamte “westliche Zivilisation” vor Terroristen beschützen
sollen. Wenn dann einer mit einer Waffe auf deinen Kopf zielt, sagst du dir nur
noch: na schieß doch. Mir doch egal. Im Gegensatz zur Mehrheit der
Palästinenser kann ich dieses Land und die Stadt Nablus jederzeit verlassen.
Ich habe in Nablus im übrigen keine Terroristen getroffen. Lediglich Menschen.

Evamaria Haupt, Ramallah

Evamaria Haupt ist Studentin in Deutschland und bereiste das Westjordanland im August 2006.

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