Über die Spaltung der sächsischen NPD-Landtagsfraktion
und mögliche Ansatzpunkte einer antagonistischen Linken
Es ist im Wesentlichen das Versagen der
Linken, die den Aufstieg der NPD als östliche soziale Protestpartei ermöglicht
hat. Einerseits ist da die PDS, die den westlichen Raubtierkapitalismus in Form
der Regierungsbeteiligungen und -duldungen ihren Segen erteilt und damit den
Wählerauftrag verraten hat. Auf der anderen Seite ist da die traditionelle
Antifa, die sich im Konflikt zwischen liberalistischer Oligarchie und sozialem
Protest von rechts eindeutig Seite für die herrschende Macht bezieht und damit
zum politisch korrekten Bollwerk des Systems geworden ist.
Eine antagonistische, wirklich
antikapitalistische Linke muss indes den sozialen Unmut und Protest ernst
nehmen, ihn ansprechen und ihn wo immer möglich der Rechten entreißen. Dazu ist
es wichtig zu zeigen, wie sehr sich die NPD im Rahmen des kapitalistischen
Systems bewegt. Nicht nur, dass der Verfassungsschutz seine Hände mit im spiel
hat, sondern auch was ihre politische Linie sowie das Verhalten ihrer
Abgeordneten betrifft, wie man an der Dezimierung ihrer sächsischen Fraktion
sieht:
Ende letzten Jahres, mitten in die
Vorweihnachtszeit, platzte eine politische Bombe, die dem ein oder anderen
Antifaschisten die Vorfreude auf Heiligabend mit einem breiten Lächeln versüßte,
die NPD aber alles andere als in Festtagsstimmung versetzte. Innerhalb
kürzester Zeit traten die Abgeordneten Klaus Baier, Mirko Schmidt und Jürgen
Schön aus der Nazi-Partei aus. In der Begründung für die Rückgabe des
NPD-Parteibuches waren sich die drei einig: die NPD habe ihre wahren Ziele
verraten und man wäre enttäuscht über die politische Entwicklung der Partei
bzw. über den Wählerverrat, war man doch als radikale Opposition zu Hartz IV
und als „Anwalt des kleinen Mannes“ aus den Landtagswahlen hervorgegangen.
Schön gab unterdessen neben den politischen,
menschliche Gründe für seinen Ausstieg an. Mirko Schmidt gab nachher in einem
Interview mit der „Sächsischen Zeitung“ zum Besten, dass sich um die soziale
Arbeit im Sächsischen Landtag sowieso
nur die PDS gekümmert habe, während die NPD demokratische Grundsätze verlassen
habe und sich mehr um eine Verherrlichung des Nazifaschismus und um eine geschichtsrevisionistische
Befriedigung ihrer revanchistischen
Klientel gekümmert habe.
Pikanterweise half den drei Nazi-Defätisten
bei ihrem Ausstieg aus der Szene der Sächsische Verfassungsschutz, der u.a.
Personenschutz im Fall Baier und Schmidt anordnete. Die NPD bewertete das als
Indiz einer langjährigen Arbeit für den Verfassungsschutz und sah einen Betrug
am Volkswillen, in dessen Auftrag ja die NPD mit zwölf Mandaten in den Landtag
geschickt wurde. Unbestreitbar gab es Kontakte zu den sächsischen Schlapphüten,
doch liegt es näher, dass sich Baier und Schmidt, wissend um die
Gewaltbereitschaft der rechtsradikalen Szene, in Sorge um das Wohl ihrer
Familien entschieden, diesen Weg einzuschlagen, als direkt vor Apfel und seiner
Anhängerschaft vorstellig zu werden und ihnen das Parteibuch samt Begründung
persönlich zu überreichen.
Diese Hilfe brauchte Klaus-Jürgen Menzel nicht.
Den hat kein Geheimdienst der Welt abgezogen, der muss sich auch keine Sorgen
um seine Familie machen, der wird auch keine Drohungen erhalten wie sein
ehemaliger Kollege Baier. Den bekennenden Hitler-Fan haben seine
Gesinnungsgenossen einfach rausgeschmissen. Und zwar weil er eine ältere Dame,
eine 80jährige Gläubigerin, um ihr Geld prellte. Besagtes Mütterchen wendete
sich mit einem Brief vor kurzem erst an die NPD-Fraktion. Doch das ist nicht
das einzige Vergehen das sich der pflichtbewusste Deutsche zu Schulden kommen
lässt. Auf ihrer Homepage schreibt die Nazi-Fraktion: „Dazu kommen zahlreiche
andere finanzielle Unregelmäßigkeiten, die nach und nach über Menzel bekannt
wurden. Angefangen von einer Verurteilung wegen Subventionsbetrugs, die er der
Fraktion verschwieg, über betrügerische Jagdreisen, nicht vereinbarungsgemäß
zurückgezahlte Darlehen von Kameraden und anderen Personen bis zu Mietschulden
und erheblichen Steuerschulden.“ Woher dieser Wandel?, mag man die
Salonfaschisten fragen. Denn als die Wahlliste zur Landtagswahl
zusammengestellt, das heißt von Delegierten eines Landesparteitages gewählt
wurde, war der NPD die Strafakte Klaus-Jürgen Menzel durchaus bekannt. Damals
störte niemanden das Kamerad Klaus eine zweijährige Haftstrafe ausgesetzt zur
Bewährung wegen ungenehmigter Vermittlung von Jagdreisen auf seinem
Vorstrafenkonto zu verbuchen hat. Und erst im Oktober diesen Jahres hob der
Sächsische Landtag seine Immunität auf, um den Weg frei zu machen für ein
Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage und Strafvereitelung. Auch das hat
niemanden zu seinem Ausschluss veranlasst.
Denn im Grunde genommen wird es etwas anderes
sein was seine Fraktionskollegen und Parteibosse zur Weißglut treibt. Nämlich
seine Radikalität und Brutalität. Menzel ist bei einer Massenschlägerei in der
Dresdner Neustadt mit von der Partie, schmeißt Steine auf Linke, muss von seinen
Kameraden im Landtag auf dem Weg zum Rednerpult zurückgerissen werden. Vor
knapp zwei Wochen ließ er im MDR
verlauten, dass er „nach wie vor zum Führer steht, daran habe sich nichts
geändert“, erst vergangene Woche kam Menzel dann mit scharfer Munition in den
Landtag- obwohl Waffen und deren Zubehör laut Landtagsordnung strikt untersagt sind.
Am selben Sitzungstag beteuerte Menzel gegenüber Peter Porsch, den
Fraktionschef der PDS, bezugnehmend auf „mehrere Sorten Österreicher“: „Aber eins muss ich Ihnen sagen: Wenn ich Sie so vor mir
sehe, dann wird mir der andere nur noch sympathischer“ Später meinte der
66 Jahre alte Mann er habe seinen persönlichen Freund, den österreichischen
Rechtspopulisten Heinz-Christian Strache (FPÖ), gemeint.Den Radikalsten der
Kameradschaftsszene in Sachsen hält er die Treue. Im Plenum hört man von ihm
Sätze wie: „Odin sei mein Zeuge, die
Subventionen sind mir von den Juden in Brüssel aufgedrängt worden. Damit wollen
sie die deutsche Volkssubstanz auflösen“. Vor den Fernsehkameras lässt der
gelernte Landwirt ebenfalls die Sau raus: „Ich halte den Führer nach wie vor für einen großen Staatsmann,
vielleicht einen der größten, den wir je gehabt haben. Dazu stehe ich.“
oder: „Wenn schon an ein Datum
gebunden, dann möchte ich gerne die Grenzen vom 1. September ’39, mit
Einschluss von Sudetenland und Österreich.“ Das alles schmeckt einer
Partei nicht die endlich das Image einer prügelnden Splittergruppe, einer
sektiererischen Randpartei ablegen konnte und sich zum alltäglichen Bestandteil
der Menschen Deutschlands machen konnte.
Die ländlichen Gegenden in Sachsen, in
Mecklenburg-Vorpommern, und auch in Teilen Brandenburgs hat sie für sich
entdeckt, zum Teil regelrecht besiedelt und faschisiert. Das wird, mit einer
gehörigen Portion Sozialchauvinismus und einer Brise Populismus serviert auf
rassistischer Stimmungsmache vor Wahlen, auf Dauer reichen können Erfolge zu
verteidigen, aber bestimmt nicht um neue zu erringen. Wenn die NPD auch
westdeutsche Parlamente besetzen will, am Besten noch mit Prozentzahlen im
zweistelligen Bereich, den langersehnten Einzug in den Bundestag schaffen will,
muss sie noch tiefer in die Gesellschaft vorstoßen, gutsituiertes Bürgertum
ansprechen und für diese Klientel wählbar werden.
Dazu muss sie vor allem das Image einer „Ostdeutschenpartei“
ablegen. Der Nährboden ist gut: knapp ein Viertel der Deutschen wünscht sich
„eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“ –
und die NPD wird sich anbieten. Im Grunde zeichnet sich ein Wendepunkt in der
Strategie der Partei ab: im Osten in den Köpfen der Menschen verankert, kommunalparlamentarisch
zuhauf vertreten, Geldquellen gesichert (Holger Apfel: „Durch unsere
wohltätigen Gönner, auch aus der Hochfinanz, werden wir niemals pleite gehen“):
Nun kann/muss man sich neuen Zielen zuwenden. Der Beginn des
Transformationsprozesses zur allgemein-bürgerlichen Partei beginnt. „Aus der
Mitte des Volkes“ ist ihre Losung, wählbar für alle Schichten zu werden das
Ziel. Krawallmacher wie Klaus-Jürgen Menzel stören da nur.
Steve Uebrück, Leipzig