Es war eine aufsehenerregende Konferenz, die Israels drittgrößte Stadt Haifa am Wochenende erlebte. Hochkarätig besetzt, beschäftigte sie sich zwei Tage lang mit der Zukunft Israels unter dem Motto: „Für das Rückkehrrecht und einen säkularen demokratischen Staat in Palästina“. Unter den etwa 300 Teilnehmern befanden sich sowohl Mitglieder der arabischen Minderheit in Israel als auch zahlreiche jüdische Intellektuelle, Akademiker und politische Aktivisten, die dem Zionismus kritisch gegenüberstehen.
In einer ersten Stellungnahme zeigten sich die Organisatoren mit den Ergebnissen sehr zufrieden. So meinte Samieh Jabbarin, einer der Initiatoren: „Die Zwei-Staaten-Lösung blockierte uns lange. Aber die Atmosphäre hat sich geändert, und es gibt nun eine breite Diskussion über einen gemeinsamen Staat. So beteiligten sich an der Konferenz nicht nur die radikale Linke, sondern auch Kräfte, die als moderat gelten.“ Während die arabische Presse dem Ereignis breiten Raum gab, schwiegen es die englisch- und hebräischsprachigen Medien tot. „Aber dieses Vorgehen werden sie längerfristig nicht durchhalten, wie man an der starken Beteiligung von jüdischen Demokraten sieht“, kommentierte Jabbarin.
Getragen wurde die Konferenz im arabischen Theater zu Haifa von der linken Bewegung „Abnaa el Balad“ (Söhne und Töchter der Landbewegung), deren Generalsekretär Mohamed Kanane die Eröffnungsrede hielt – ein Mann, der eben erst eine viereinhalbjährige Haftstrafe abgesessen hat. Er war verurteilt worden, weil er sich mit Vertretern der „Volksfont zur Befreiung Palästinas“ (PFLP), der führenden linken Formation der Palästinenser, getroffen haben soll. In Vertretung Asmi Bisharas, dem unter dem Vorwurf des „Landesverrats“ verfolgten Knesset-Abgeordneten, sprach Awad Abed Al-Fatah für die „Nationale Demokratische Versammlung“ (BALAD). Vertreten waren auch die „Demokratische Front für Frieden und Gleichheit“ (HASASH), an der die Israelische Kommunistische Partei beteiligt ist, sowie die „Islamische Bewegung“.
Gerade von jüdischer Seite wurden bekannte Persönlichkeiten aufgeboten. So zum Beispiel Yehuda Kupferman von der Universität Tel Aviv, der sich wiederholt gegen einen drohenden israelischen Angriff auf den Iran ausgesprochen hat. Ein weiterer Redner, Eitan Bronstein, ist Mitbegründer der Organisation „Zochrod“. Diese versucht, den Israelis die Vertreibung der Palästinenser, die von den Arabern „Nakba“ (Katastrophe) genannt wird, in Erinnerung zu rufen. Professor Uri Davis, Gründer der Bewegung gegen israelische Apartheid in Palästina, sprach über die „Gebotenheit eines demokratischen Staates“ nach internationalem Recht.
Auf der Konferenz wurden zudem die Aussichten erörtert, unter israelischen Juden selbst eine Bewegung gegen den in Haifa häufig als „neue Religion“ bezeichneten Zionismus zu bilden. Dabei ging Yakov Rakbin von der Universität Montreal davon aus, daß die ultraorthodoxen Gegner des Zionismus mehr Chancen hätten als „Noam Chomsky oder Ilan Pappe, die von der Linken kommen und oft als jüdische Selbsthasser oder sogar als antisemitische Juden diskreditiert werden“.
Auf der Konferenz wurde ein Komitee gegründet, das die Entwicklung einer gemeinsamen Bewegung von Juden und Arabern für einen demokratischen Staat fördern soll. Mitglieder sind unter anderen die jüdischen Aktivisten Nitza Aminov, Tirza Tauber und Uri Davis. Eines der erklärten Ziele des Komitees ist es, die Bewegung auch nach Europa auszuweiten.
Die israelischen Behörden gingen nicht gegen die Konferenz vor, obwohl diese die derzeitige Verfaßtheit des Staates Israel offen infrage stellte. Yoav Bar vom Organisationskomitee meinte, daß ein Verbot oder andere Repressionen wegen der starken Beteiligung von Juden nicht möglich gewesen sei, ohne das international gepflegte Image als „einzige Demokratie des Nahen Ostens“ zu beschädigen.