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Prinzipien der baskischen abertzalen Linken

18. November 2009

Initiative linker Basken für eine demokratische und friedliche Lösung des Konfliktes

PRINZIPIEN DER BASKISCHEN ABERTZALEN LINKEN

Wir sind Männer und Frauen verschiedener Generationen,  die für  eine soziale  Befreiung und die Unabhängigkeit des Baskenlandes gearbeitet haben und weiterhin eintreten. Unser Ziel ist die Bildung eines eigenen Staates, weil wir davon ausgehen, dass dies die einzige Form ist, um das Überleben und die Entfaltung des Baskenlandes in Einklang und in Solidarität  mit  den  anderen  Völkern  Europas  und der  Welt zu garantieren.  Dies  ist  unser legitimes  politisches  Projekt,  das  wir  mit Unterstützung  der  Mehrheit  der  baskischen Bevölkerung erreichen wollen.

Die  aktuelle  politische  Aufteilung,  die  das  Baskenland  in  zwei  Autonomieregionen (Euskadi  und  Navarra)  und  einen  französischen  Teil  aufteilt  und  unsere  Rechte  als Bürgerinnen  und  Bürger  beschränkt,  hat  sich als  Rahmen  erwiesen,  der den  politischen und bewaffneten Konflikt in unserem Land perpetuiert.

Er  verhindert,  dass  die  Bürgerinnen  und  Bürger  im  Baskenland  selbst über  ihre  Zukunft entscheiden  können.  In  diesem  Sinne  ist  der  gewalttätige  bewaffnete  Konflikt,  mit  den allgemein  bekannten  menschlichen  und  politischen  Kosten,  über  Jahrzehnte  verlängert worden. Unser wichtigstes Ziel ist heute, diese Situation zu überwinden.

Die  letzten  drei  Jahrzehnte  des Konflikts  eröffnen  ein  anderes  Panorama:  Wir sind  eine politische Bewegung, der die Geschichte immer wieder Recht gegeben hat – angefangen mit  der  Forderung  nach  einem  demokratischen  Bruch  mit  dem  franquistischen  Regime 1976  über  das  NEIN  der  Baskinnen  und  Basken  zur  spanischen  Verfassung  1978,  die Verhinderung  des  AKW  Lemoiz  1976-83  und  das  NEIN  zur  NATO  1986.  Das  zeigt  sich aber auch in  unseren Anstrengungen, den Betrug des  Autonomiestatuts sichtbar  zu  machen, und in unserer grundsätzlichen Opposition gegen den neoliberalen Kapitalismus.

Die  Unabhängigkeitsbewegung  hat  aber  nicht  nur  auf  dem Feld  der Opposition  und  des Protestes politische und ideologische Kämpfe gewonnen. Die von der baskischen abertzalen  Linken unterbreiteten  Lösungsvorschläge sind von wichtigen  Teilen  der Gesellschaft, oft auch der Mehrheit aufgegriffen worden. Die Initiativen für eine Verhandlungslösung und für  den  Aufbau  nationalstaatlicher  Institutionen  und  die  von  uns  unterbreiteten Demokratisierungsvorschläge  haben  den  politischen  Prozess  im  Baskenland ohne  jeden Zweifel vorangebracht.

In  den  letzten  Jahren  hat  es  in  wichtigen  Fragen  Entwicklungen  gegeben,  die  einen grundlegenden  Wandel  der politischen  Situation  nicht nur wünschenswert,  sondern  auch möglich  machen:  In  der  politischen  Debatte  sind  im  letzten  Jahrzehnt  die  Schlüsselprobleme  klar  benannt  worden,  die  es  zu  lösen  gilt;  die  unermüdliche  Arbeit  Tausender Personen und gesellschaftlicher Akteure haben uns nah an die ersehnte Verhandlungslösung herangeführt. Die Notwendigkeit, die fatalen Konsequenzen des Konflikts hinter uns zu lassen,  ist allgemein  deutlich  geworden.  Ein Ende des  bewaffneten  Konflikts  und  der politischen  Blockade  sind  heute  ebenso  wie  eine  gerechte,  stabile  und  dauerhafte Verhandlungslösung möglich.

ERSTER SCHRITT FÜR EINE DEMOKRATISCHE LÖSUNG DES BASKISCHEN KONFLIKTS

Wir haben auf dem Weg zur Befreiung Manches richtig, Anderes falsch gemacht und stehen  an  der  Schwelle  eines  politischen  Wandels.  Heute  geht  es  darum,  diesen  Wandel unumkehrbar zu machen. Um diese Veränderung zu  verwirklichen, müssen wir  auch uns selbst verändern. Eine grundlegende Selbstkritik war notwendig, und wir haben sie geleistet.

Die baskische abertzale Linke wird nicht darauf warten, was andere politische Akteure zu tun  bereit  sind.  Für  uns  klar,  dass  wir  selbst  handeln  müssen.  In  der  neuen  politischen Phase sind neue Strategien, neue politische Bündnisse und neue Instrumente nötig. In  der  neuen  Phase  geht  es  darum,  eine  nationale  Anerkennung  des  Baskenlands  und seines Selbstbestimmungsrechtes zu erreichen. Dafür müssen wir Kräfte sammeln und die Konfrontation  mit  dem  spanischen und  französischen  Staat  auf  jenes Terrain  zu führen, auf dem diese am schwächsten sind: auf das Terrain der Politik. Massenmobilisierung, die Arbeit  in  demokratischen  Institutionen,  ideologischer  Kampf  und  die  Suche  nach internationaler Unterstützung – das werden die zentralen Säulen der neuen Strategie sein müssen.

Das  grundlegende  Instrument  dieser  neuen  politischen  Phase  ist  der Demokratisierungsprozess. Dass wir  ihn  in  Angriff  nehmen,  ist eine unilaterale Entscheidung  der baskischen  abertzalen Linken. Zu seiner Umsetzung  und zur Überwindung des Konflikts werden wir uns um bilaterale und multilaterale Vereinbarungen bemühen: mit den politischen Akteuren  im  Baskenland,  der  internationalen Gemeinschaft  und  den Staaten.

Anders  ausgedrückt:  Die  baskische  abertzale  Linke  setzt  auf  die Demokratisierung, um den politischen und sozialen Wandel zu erreichen. Diese Entscheidung ist in den Reihen der baskischen abertzalen Linken im Rahmen einer breiten und verantwortungsvoll geführten Diskussion gereift. In dieser Debatte haben sich die soziale Basis und die Aktivisten der baskischen abertzalen Linken auf folgende Prinzipien  verständigt,  die  wir  der  Bevölkerung  des  Baskenlandes,  den  politischen, gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren des Landes sowie der Internationalen Gemeinschaft hiermit bekannt geben wollen:

1.  Der auf friedlichem und demokratischem Weg ausgedrückte  Wille der Bevölkerung ist der einzige  Bezugspunkt  für  eine demokratische Lösung. Das gilt  sowohl  für  den  Beginn und  die  Entwicklung des Demokratisierungsprozesses als auch  für  die Vereinbarungen,  die  einer freien Abstimmung der  Bevölkerung unterzogen  werden sollten. Die baskische abertzale Linke  verpflichtet sich dazu, so  wie es auch  die  anderen  Akteure tun  sollten,  in jeder  Etappe  des Prozesses  die  von  den  baskischen Bürgerinnen  und Bürgern frei, friedlich und demokratisch getroffenen Entscheidungen anzuerkennen.

2.  Die  politisch-territoriale  Ordnung  des  Baskenlandes  muss  Ergebnis  des demokratischen Volkswillens sein und die Rechte  aller Bürgerinnen und Bürgern  gewährleisten. Der  heute  bestehende  gesetzliche  Rahmen  darf  den  freien  und demokratischen Entscheidungen der  Bevölkerung  nicht  im Weg  stehen, sondern  muss  die  Ausübung der demokratischen Rechte sicherstellen.

3.  Die  Vereinbarungen, die im Verlauf eines  Demokratisierungsprozesses  getroffen werden,  müssen  die allgemeinen – individuellen  oder kollektiven – Rechte  gewährleisten, wie  sie  in  der  Allgemeinen  Erklärung  der Menschenrechte,  im  UN-Sozialpakt  und  im UN-Zivilpakt  sowie  in  den anderen  internationalen  Menschenrechtsvereinbarungen festgehalten sind.

4.  Der  gleichberechtigte  politische  Dialog  zwischen  allen  politischen  und  gesellschaftlichen  Akteuren  ist  das  wichtigste  Werkzeug, um zu  einer Übereinkunft zwischen  den unterschiedlichen  politischen  und  kulturellen  Identitäten  im  Baskenland  zu  kommen. Die  baskische  abertzale  Linke bekräftigt  ihren  Wunsch,  sich  an  diesem  Dialog  zu beteiligen.

5.  Aus  dem  Dialog  zwischen  den  politischen  Akteuren  im  Baskenland  sollte  eine Vereinbarung hervorgehen, die  einem  allgemeinen  Referendum unterzogen  wird. Dieses Abkommen sollte nicht nur gewährleisten, dass alle politischen Projekte unter gleichen  Voraussetzungen  und  ohne  jede gewalttätige  Beschränkung  verteidigt  werden können. Es sollte auch beinhalten, dass alle Projekte umgesetzt werden können, wenn diese von einer Bevölkerungsmehrheit im  Baskenland  erwünscht und unterstützt werden.

6.  Der Demokratisierungsprozess muss sich ohne jede Gewalt, Zwang und Einmischung entfalten  können  und  ausschließlich  auf  politische  und  demokratische  Mittel  stützen. Wir  sind  davon  überzeugt,  dass  diese  politische  Strategie  Fortschritte  bei  der Demokratisierung ermöglichen wird. Südafrika und Irland sind Beispiele hierfür.

7.  Wir  bleiben  dem  Friedensvorschlag  von  Anoeta  verpflichtet.  Ihm  zufolge  sollten  alle politische  Kräfte  des  Baskenlandes  unter  gleichen  Voraussetzungen  in  einen Dialogprozess treten, um einen demokratischen Mechanismus zu vereinbaren, mit dem die Bürgerinnen und Bürger frei über ihre Zukunft entscheiden können. Dieser Prozess sollte auf den Prinzipien beruhen, die der US-Senator Mitchell für den irischen Konflikt ausgearbeitet und vorgelegt hat.

Auf der  anderen Seite  sollten  ETA und  der  spanische Staat Verhandlungen  über die Demilitarisierung des Landes, die Freilassung der baskischen politischen Gefangenen, die  Rückkehr  der  Flüchtlinge  und  eine  gerechte  und  gleiche  Behandlung  aller  Opfer des Konflikts aufnehmen.
Wir  bekräftigen  unsere  bedingungslose  Unterstützung  eines  friedlichen  und  demokratischen  Prozesses,  damit  das  baskische  Volk  frei  und  ohne  jede Einschüchterung  über seine Zukunft entscheiden kann.

Baskenland, 14. November 2009

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Anmerkung zum baskischen  Begriff  "Abertzale":
Die Bedeutung  des  baskischen  Begriffs "Abertzale" ist eng verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische  Bewegung.  Als solche  umfasst  sie  ein  breites  Spektrum  von  Organisationen,  wie zum Beispiel  politische  Parteien,  Gewerkschaften  und  kulturelle  Organisationen,  sowie  bedeutende  Teile  der Frauen-  ,  Umwelt-  und Internationalismusbewegungen,  die  das  gemeinsame  Ziel  der  Befreiung  des Baskenlandes  haben. So wie Republikanismus eine besondere Bedeutung im irischen Kontext besitzt, kann der Begriff Abertzale nicht nur einfach als Unabhängigkeitsbewegung übersetzt werden, ohne seine progressive Bedeutung zu betonen.

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