Site-Logo
Site Navigation

Nein zur Militärintervention gegen Libyen!

Die Befreiung muss das Werk des libyschen und arabischen Volkes selbst sein


19. März 2011
Antiimperialistische Koordination (AIK), Initiativ e.V. Duisburg

Der auf Betreiben der Westmächte gefasste UN-Beschluss zum Angriff auf Libyen hat einen klar neokolonialen Charakter. Es geht darum, in eine Situation des Bürgerkriegs von außen einzugreifen, um letztlich ein prowestliches Regime zu installieren. Und noch wichtiger: die antiimperialistische Dynamik der demokratischen Revolutionen zu stoppen.


6847

Das Gerede von der Unterstützung der Demokratiebewegung ist absolut lächerlich. Das sieht man am besten am Beispiel der arabischen Golfstaaten. Diese schlagen gerade die Demokratiebewegung in Bahrain im Namen von (kapitalistisch-imperialistischer) Ordnung und Stabilität blutig nieder. Sie sind sich aber nicht zu blöd, im Namen des libyschen Volkes die arabischen Marionetten für den westlichen Angriff abzugeben. Der Westen selbst ist nicht weniger verlogen. Jahrzehntelang unterstützte, ja züchtete er arabische Diktaturen, um die Region unter Kontrolle zu halten. Bis zum bitteren Ende hielt man an Mubarak, Ben Ali & Co fest. Der schlimmsten Diktatur der Region überhaupt, Saudi-Arabien, hält man unverdrossen die Stange.

Selbst mit Gaddafi hatte man Frieden geschlossen, wunderbare Geschäfte gemacht und ihn dazu eingesetzt, die EU vor unliebsamen Immigranten aus Afrika abzuschotten. Doch anders als die organisch kapitalistisch-prowestlichen Diktaturen in Tunesien und Ägypten blieb Gaddafi immer ein unsicherer und unberechenbarer Geschäftspartner. Gleichzeitig gab es im Land keine organisierte linke Opposition, welche die Demokratiebewegung anstieß, so wie in den Nachbarländern.

Unter diesen Bedingungen packte der Westen die Gelegenheit am Schopf, um die Dynamik der arabischen Revolution zu stoppen. In Tunesien und Libyen waren Washington & Co noch die Hintermänner der Diktatoren. In Libyen konnte man sich nun als Unterstützer der Demokratiebewegung aufspielen, ohne damit eine historisch verbündete Oligarchie im Stich zu lassen. Das Kalkül: Die Chance, dass das, was nach Gaddafi kommt, im Griff behalten werden kann, ist da. Oder anders betrachtet: Das, was man gegen die gesamtarabische Demokratiebewegung an ideologischer Kraft gewinnt, wiegt den potenziellen Schaden auf, der aus dem Verlust eines ungeliebten Verbündeten resultiert.

Wir glauben indes nicht, dass die Revolte vom Westen angezettelt, gesteuert oder gar von Agenten inszeniert worden wäre. Es war schlicht der tunesisch-ägyptische Impuls, der das libysche Volk zur Nachahmung der Rebellion trieb. Ist es den Libyern zu verdenken, wenn sie eine Diktatur loswerden wollen, die den enormen Reichtum des Landes sehr ungleich verteilt und gleichzeitig mit dem Imperialismus kollaboriert?

Doch der Gang der Ereignisse verlief völlig anders als in den Nachbarländern. In Tunesien und Ägypten blieben die Regime intakt. Die prowestlichen Militärs entfernten nur die scheußliche Spitze des Eisberges und hoffen, so durchzukommen. Im Gegensatz dazu schien das Regime in Libyen schlicht zu kollabieren. Wichtige Teile der Armee zerfielen unter dem politischen Ansturm. Nicht nur der Gaddafi-Clan selbst war akut bedroht, sondern die herrschende Oligarchie und jene, die von ihren Brosamen naschen durften, konnten sich ihrer Haut nicht mehr sicher ein. Hinzu kommen – sagt man – Stammesloyalitäten. So gelang es Gaddafi, zu überleben und dann sogar in die Konteroffensive zu gehen.

Die Rebellion war indes vor die Aufgabe der Bildung eines revolutionären Regimes gestellt – was sie völlig überforderte. In den Tagen nach der Einnahme von Benghasi hing am Gebäude des Volkskomitees ein großes Transparent mit der sinngemäßen Aufschrift, dass sich das libysche Volk selbst befreien könne und sich westliches Eingreifen verbitte. Ein knappes Dutzend bewaffneter britischer Agenten wurde von Rebellen aufgegriffen und noch des Landes verwiesen. Doch bald sollte sich die Position der reaktionären Exilopposition durchsetzen. Man kann davon ausgehen, dass westliche Kräfte aller Art da die Finger mit im Spiel hatten. Bald war das Transparent abgenommen und es dauerte nicht mehr lange, bis das Komitee von Benghasi den Westen zum militärischen Eingreifen einlud.

Damit hat die Bewegung ihre progressive Stoßrichtung verloren. Eine Opposition, die sich auf die Militärmacht des Imperialismus verlässt, ist schlimmer als ein Regime, das in seiner Todesstunde noch einmal einen auf Antiimperialismus macht.

Dabei wären die Chancen, Benghasi zu verteidigen, nicht schlecht gestanden. Gaddafi mag Reste einer konventionellen Armee zur Verfügung haben, die zumindest noch Artillerie bedienen kann. Zu einem Häuserkampf gegen das eigene Volk, gegen einen Volkswiderstand, den nicht einmal US-Soldaten zu führen in der Lage sind, die bis oben hin indoktriniert und mit chauvinistischem Hass erfüllt sind, sind die desperaten Söldner Gaddafis nicht fähig. Bei der Abwehr eines westlichen Angriffes sieht das schon anders aus.

Potenziell antiimperialistische Kräfte in Libyen haben es nun schwer. Sie müssen gegen drei Fronten politisch wie letztlich auch militärisch kämpfen. Zuerst gegen die westliche Intervention und dann sowohl gegen Gaddafi als auch die Diener des Westens von Benghasi. Nur so kann die politische Kraft des Volksaufstandes und seine Legitimität gegenüber den arabischen Massen und allen Kräften weltweit, die gegen den kapitalistischen Imperialismus kämpfen, wieder hergestellt werden.

Wie in Tunesien und Ägypten kann die Forderung nach einer konstituierenden Versammlung Kristallisationspunkt einer antiimperialistischen Volksopposition sein.

Thema
Archiv