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Wenn sich das Volk im Nebel verliert

21. September 2011
von Subhi Hadidi

Es gibt unter Gruppen der syrischen Oppositionellen im Ausland einige, welche exzessiv an Konferenzen, Kongressen und Besprechungsveranstaltungen teilnehmen, sodass es bereits krankhaft wirkt.


Mehrmalige Konferenzen wurden in Brüssel, Antalya, Istanbul und Berlin abgehalten. Laufend wirbt man für Komitees, Organisationen und Führungsräte mit klangvollen Namen wie Syrischer Kongress für den Wandel, Syrische Oppositionskoordination, Komitee für den Nationaldialog, Patriotische Koalition zur Unterstützung der syrischen Revolution, Nationalrat, Exilkomitee für die Stärkung des demokratischen Wandels oder Nationaler Rat für den Wandel. Letzterer wurde erst vor kurzem ins Leben gerufen.

Meistens sind die Absichten der Beteiligten ehrlich, sachlich und verantwortungsbewusst. Man betont die Unterstützung des Volksaufstands mit allen Mitteln sowie auf die Vereinigung seiner Kräfte. Oberste Priorität ist dabei jedoch die Vereinigung der oppositionellen Gruppierungen. Mit Hilfe dieser Ziele werden immer breitere Massen erreicht, zumindest geht dies aus den Abhandlungen und Veröffentlichungen hervor.

Bei diesen Konferenzen werden oft Offenbarungen erwartet, so als ob „das gesamte Spektrum der syrischen Gesellschaft repräsentiert würde“, wie man so schön sagt. Daher wirft man lauthals mit Details der ethnischen, religiösen und tribalen Abstammung der Kongressteilnehmer um sich oder prahlt mit der politischen und geistigen Identität, sei sie nun säkular oder islamisch, liberal oder links!

Auf den ersten Blick mag das alles ganz schön und gut aussehen, auch notwendig und nützlich. Ein weiteres Paradigma innerhalb der patriotischen Aktion muss jedoch den Volksaufstand in Syrien vorantreiben oder ihn im Ausland repräsentieren, auch wenn das Problem nicht dort liegt.

Reichen gute Absichten, so rein sie auch sein mögen, tatsächlich, um zu behaupten, dass ein Kongress einen repräsentativen Charakter hat, der den minimalen demokratischen Prinzipien entspricht? Erlauben sie den Teilnehmern weit genug zu gehen (sogar weiter als nötig), bis zur Bildung eines „Übergangs-„ oder „Nationalrats“?

Die Antwort, welche die einfachsten Regeln der Demokratie diktieren, wäre nein. Natürlich können gute Absichten nicht repräsentativ sein, da sie abstrakt sind. Die Träger dieser guten Absichten, so zuverlässig und glaubwürdig sie auch sind, können nicht das Volk vertreten, nur weil sie auf den Volksaufstand und die Heimat bedacht sind.

Wenn die protestierenden Bürger auf die Straßen gehen und sich auf den Plätzen versammeln und ihr Leben aufs Spiel setzen, dann ist es für ein demokratisches System, das sie nicht entmündigt und ihren Willen übergeht. Die Demokratie beraubt niemanden seiner Stimme und manipuliert niemandes Gedanken. Gerade weil die syrischen Oppositionellen im Ausland das Privileg friedlich gewählter Vertretung genießen, müssten sie mit gutem Beispiel vorangehen.

Ist der demokratische Charakter der der Versammlungen aufgrund der Tatsache, dass die meisten der Teilnehmer in westlichen Demokratien lebt, garantiert? Sind groß angelegte Konferenzen mit übertrieben schwierigen Thematisierungen aber ohne klare, repräsentative Regeln erlaubt? Sind Konferenzen die auf dem Prinzip „Alle sind herzlich willkommen“ oder „Konferenz für die, die teilnehmen“ erlaubt? Und die innovativen Konzepte des „Beobachtermitglieds“ und des „Gastmitglieds“?

Vergessen wir nicht die Anstrengungen und Mühen, die beim Aufpolieren der Kongresse mit Hilfe von Starmitgliedern wie Exilparteiführer oder Akademikern mit gut klingenden Titeln oder chronisch anwesenden Gästen aufgebracht werden müssen!

Wer befugt wen? Wann? Wo? Und wie? Es geht nicht nur um Nachfragen, Befragen und Fragen, sondern auch um Organisation, Disziplin und Verantwortung. Es gibt nur wenige Ausnahmen und wir reden hier nicht von den Organisationen in Syrien oder Oppositionsparteien, die das Volk und sich selbst respektieren. Aber es wurden Abgesandte auf irgendwelche Konferenzen geschickt ohne jegliche akzeptablen Ideen und Sichtweisen der reglementierten Demokratie. Es ist allgemein genau das Gegenteil passiert, obwohl man sehr darauf bedacht war mit großer Zurückhaltung in der Öffentlichkeit vorzugehen. Und dies ist meiner Meinung nach ein großer moralischer und politischer Fehler der sich nicht gehört, da er täglich Duzenden Menschen das Leben kostet.

Im jüngsten Beispiel äußerte gestern die „Koordination der Syrischen Revolution“ ihr Bedenken zur Vielfalt der Konferenzen und rief dazu auf, alle Repräsentationsprojekte aufzuschieben.

Um meine persönlichen Einstellungen mit politischer Praxis zu verbinden, scheint es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass mich diese Überlegungen verpflichten, dankend die Teilnahme an solchen Konferenzen, Treffen und Gesprächen, die im Ausland ohne spürbar demokratische und repräsentative Basis abgehalten werden, abzulehnen und dies werde ich auch in Zukunft machen.

Wenn es für einen politisierten, gelehrten und betroffenen Syrer schon schwierig geworden ist das Wesen des „Übergangsrates“ und des „Nationalrates“ zu unterscheiden, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass sich das „allgemeine Volk“ im politischen Nebel verliert. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich für das syrische Volk in den meisten Landesteilen sowie gesellschaftlichen und politischen Bereichen im Nebel befindet?

Man kann einem Demonstranten, der sich geradewegs auf seinen möglichen Tod zubewegt, keine Vorwürfe machen, wenn er einen Höflichkeitsgruß an seine konferenzgeilen Brüder im Ausland richtet, bevor er sich höflich umdreht und sich einer großen Kundgebung zuwendet, die in Richtung Zukunft blickt, nach nationaler Einheit und Regimesturz ruft. Dort herrscht kein Nebel!

Erschienen in Aquds Al-Arabi, 21.08.2011
Aus dem Arabischen übersetzt von Stefanie Tassold

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