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Die Welt geht unter ˗ die EU und ihr Haushalt

17. Februar 2013
Von A.F.Reiterer

Hannes Swoboda war in den 1990ern Stadtrat in Wien und sogar im Gespräch als Nachfolger Zilks, als Bürgermeister. Wie ernst dies war, ist unklar. Jedenfalls hat ihn Häupl überholt. Und dann passierte ihm das, was vielen Politikern passiert, die man zu Hause nicht mehr brauchen kann, oder die eine Wahlniederlage erleiden: Man schickte ihn nach Brüssel, als EP-Abgeordneten.


Und dort fühlt er sich nun seinen Peers verpflichtet. Die österreichische Bevölkerung ist ihm ein Dorn im Auge. So schimpft er nach dem „Budget-Gipfel“ in Richtung Faymann: Er habe zu sehr vom österreichischen Standpunkt verhandelt und zu wenig „Europa“ im Auge gehabt. Faymann nickt ohnehin immer schon im Voraus, wenn Brüssel befiehlt: Angesichts des Ergebnisses ist Swobodas Sprechblase entweder ein schlechter Witz oder ein abgesprochenes Spiel. Sein Vorsitzender kann jetzt sagen: Seht, sogar der Swoboda schimpft auf mich, weil ich so hart war. Für EU-Parlamentarier ist es ja ein anrüchiger Gedanke, die Bevölkerung zu vertreten.

Wie regelmäßig, konzentriert sich beim MFR, beim Mehrjährigen Finanzrahmen der EU, /i>die österreichische Journaille, zusammen mit den Politikern, auf das am wenigsten Wichtigste: die Eckzahl. Es ist dasselbe Spiel, welches mit dem „Sparen“, also den Leistungskürzungen zu Hause gespielt wird. Es ist ein Ablenkungs-Manöver. Anstelle zu fragen: Wo geht das Geld eigentlich hin, wer leidet darunter, wer profitiert? wird in epischer Darstellung besprochen, ob 975 oder 959,99 Mrd. beschlossen wurde. Der Supermarkt-Preis ist offenbar für den britischen Konservativen Cameron gedacht. Es sind im Übrigen 997 Mrd., eine Billion also, denn um die Geschichte zu vernebeln wurden ein paar Dutzend Milliarden als Outside expenditures aus dem Haushalt heraus genommen. Machen wir einen Blick auf die Ausgaben, bisher und in Hinkunft, denn es ändert sich kaum etwas.

Nach wie vor gehen 5 Sechstel aller Gelder in die Regionalpolitik und die Landwirtschaft – Smart and Inclusive Growth bzw. Sustainable Growth: Natural Resources heißt das im Brüsseler Jargon. Man will die Tatsachen vernebeln. Man muss an einem Beispiel etwas genauer hinsehen. Die letzten detaillierteren Daten für die Subventionen an die Landwirtschaft gibt es für 2008. Dann hat der Europäische Gerichtshof die Veröffentlichung verboten – man soll nicht auf böse Gedanken kommen. Denn von den über 700 Millionen Direktzahlungen an österreichische Landwirtschaftsbetriebe ging nur ein Drittel an Bergbauern, wer immer darunter verstanden wird. Die Hälfte geht an Unternehmen, welche mehr als 100.000 Euro erhielten. Zum Vergleich: Diese Untergrenze ist etwa das Fünffache eines mittleren Jahresgehalts der unselbständig Beschäftigten. Begründet wird diese Subvention für die Landjunker bekanntlich immer mit Nachhaltigkeit und Landschaftspflege und ähnlich schönen Worten. Unter diesen Landschaftspflegern hat damals das Industrie-Unternehmen Rauch (Fruchtsäfte) über 16 Mill. eingestrichen. Ob und wieviel die Herrschaften heute bekommen, wissen wir nicht, weil, wie schon gesagt, der EuGH Schritte gegen zu große Neugier unternommen hat. Es würde lohnen, die anderen Großempfänger aufzuzählen, aber dafür fehlt der Platz.

Würde man diese Geschenke an die unterschiedlichsten profitablen Firmen einstellen, könnte man gleich einmal 150 Milliarden, die Hälfte des österreichischen BIP streichen. Aber, wie Faymann und Spindelegger noch einmal betont haben: Man hat besonders für „die Landwirtschaft“ gut verhandelt…

Die Regionalpolitik im engeren Sinn wird etwa ein Drittel des gesamten Haushalts lukrieren. Nun wissen wir aus der Entwicklungspolitik ganz gut, dass solche Zahlungen die Quelle von Korruption pur sind. Wenn es nur auf einen vergleichsweisen Mittelfluss ankäme, wäre uns das Mezzogiorno-Problem seit Jahrzehnten kein Begriff mehr. Statt dessen wird dort seit einem Jahrhundert die Mafia angefüttert, und die Politiker kaufen sich Stimmen. Die Wirtschafts- und Sozialstruktur verbleibt auf Dritte-Welt-Niveau. Und das ist kein italienisches Problem seit Berlusconi. Das ist in Griechenland, in Spanien, in den Baltischen Ländern, in der Slowakei, in Rumänien, usf., ganz ähnlich.

Und der Rest des „smarten Wachstums“? Dem werden wir schließlich den Koralm-Tunnel verdanken. Dieses Jörg Haider- und Franz Voves-Gedächtnis-Loch ist keineswegs nur auf die korrupten und provinziellen Landeshauptleute zurück zu führen. Warum legt sich Bures dafür gar so ins Zeug? Es geht um gesamteuropäische Verkehrsnetze, bei der Koralm um die Baltik-Adria-Transversale. In Hinkunft sollen nicht nur Südtiroler Frächter die deutschen Erdäpfel zum Schälen nach Italien und dann wieder zurück bringen. Ähnliche Wahnsinnigkeiten sollen weiträumig erfolgen und auch auf der Bahn subventioniert werden.

Der Wirtschaftsminister Mitterlehner hat vor Jahren, damals noch hoher Beamter in der Wirtschaftskammer gemeint: „Jede Subvention, die wir umbringen können, ist eine gute Sache!“ Das war damals natürlich neoliberale Ideologie, denn die Wirtschaftskammer und ihre Mitglieder halten für sehr viele und sehr hohe Subventionen die Hand auf. Heute würde Mitterlehner ungern an seinen Spruch erinnert werden. Denn nun geht es um „Netto-Leistungen“ und „Rückflüsse“. Also: Man schickt erst viele Milliarden nach Brüssel, und dann erhält man die Hälfte von dort zurück. Und die Burgenländer freuen sich, dass sie nun EU-Regionalförderung bekommen und begreifen nicht, dass ohne EU doppelt so viel vorhanden wäre.

Tatsächlich ist diese Projekt-Finanzierung seitens der EU ein doppeltes Mittel der Macht-Konzentration. Nun wird in Brüssel entschieden, wer das indirekte und das direkte (Ko-Finanzierung!) österreichische oder deutsche oder italienische Geld bekommt. Und die Provinz-Politiker wenden dementsprechend auch ihre Dankbarkeit und ihre Aufmerksamkeit nach Brüssel.

Es werden also in den kommenden Jahren Jahr für Jahr viele Hunderte Millionen, insgesamt einige Milliarden, mehr nach Brüssel fließen als bisher schon. Warum fragt hier eigentlich niemand: Und woher kommt das Geld? Das ist doch sonst sofort die erste Frage, wenn es um ein oder zwei Millionen für irgendeine nützliche soziale Leistung geht?

Wahrscheinlich fragt niemand, weil es sowieso klar ist, woher es abgezwackt wird: Es wird wieder eine Pensionskürzung geben. Es wird Belastungen und Rationierungen im Gesundheitswesen geben. Und die Kettenhunde des Finanzkapitals und der politischen Klasse, die Felderer, Tomandl und Marin, werden uns wieder entgegen jaulen: Hunde, wollt Ihr ewig leben?

12. Feber 2013

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