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Klimawandel: Globales Problem, aber keine globalisierte Lösung

11. September 2019
Von Gernot Bodner

Die Wirkung der „Fridays for Future“-Bewegung ist erstaunlich: Der Klimawandel hat sich beinahe als Konkurrenz-Thema zum Dauerbrenner Migration im laufenden österreichischen Wahlkampf etabliert. Ein solcher Themenwechsel in der Bedeutungsempfindung der Wähler (sicher mit einem gewissen „Bias“ Richtung Mittelschicht und Jugend, aber nicht nur) ist auf jeden Fall positiv für die anti-neoliberale Opposition. Und es ist Anlass für Überlegungen, wie sich systemkritische Kräfte in dieses gesellschaftspolitische Thema einbringen können.


Die zerstörerische Wirkung der (ungeregelten) industriellen Produktion auf vielfältige Umweltprobleme – Verschmutzung, Bodenverlust, Artensterben und offenbar auch das globale Klima – nimmt bedrohliche Züge an. Der UN-Weltbiodiversitätsrats warnt vor einem Aussterben von etwa einer Million Arten in den kommenden Jahrzehnten, in Österreich werden laut Umweltbundesamt täglich ca. 12 Hektar Land verbaut (12 Fußballfelder) und naturwissenschaftliche Studien zeigen einen Zusammenhang sinkender Erträge bei wichtigen Nahrungspflanzen wie Weizen mit der Zunahme von Wetterextremen.

Die Komplexität, das Weltklima zu verstehen und für Prognosen zu modellieren, bringt fraglos Unsicherheiten. Die retrospektive Abgleichung mit der gemessenen Temperaturentwicklung legt aber nahe, dass der intensive Energie- und Ressourcenverbrauch der industriellen Produktionsweise seine Spuren in der natürlichen Umwelt und im Klima hinterlassen hat.

Dabei ist wichtig zu betonen, dass der ökologische Fußabdruck der Gesellschaft „Klassencharakter“ hat: die Armen sind kaum Verursacher und hauptsächlich Leidtragende. Das gilt globale, zwischen Nationen im „Norden“ und „Süden“, aber auch national für die hitzegeplagte Mindestpensionistin in Wien und den Mödlinger Villenbesitzer. Jede Lösung muss daher auf dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit aufbauen, will sie effizient die Ursachen bekämpfen und die Verursacher treffen. Gerechtigkeit in der Lasten- und Kostenverteilung ist auch unerlässlich, will man die unteren Schichten für Klima- und Umweltengagement gewinnen.

Diese Erkenntnis der sozialen Dimension ist durchaus in der aktuellen Bewegung unter dem Stichwort „Klimagerechtigkeit“ vorhanden. Diskussionsbedarf herrscht vor allem bei der Frage, wie dies zu erreichen ist. Hier liegt ein Stolperstein, über den es eine kritische Auseinandersetzung in der Bewegung zu führen gilt.

Die durchaus korrekte Wahrnehmung des Klimawandels als globales Problem verleitet zu der Annahme – auch aus der kulturellen und sozialen Prägung der Protagonisten der „Fridays“-Bewegung (Mittelschicht, Jugend) –, dass es nur globale Instanzen sein können, die dem Problem Einhalt gebieten können. Die Establishment-nahen Teile pochen auf die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, die kritischeren Kräfte setzen auf globale NGOs als Repräsentanten der Zivilgesellschaft und natürlich fehlen auch nicht die Parolen der globalen Klimarevolutionäre („system change, not climate chance“).

Das übersieht jedoch, dass transnationale Instanzen über Jahrzehnte die Regulationsmöglichkeiten der Wirtschaft (und damit auch des Aspekts der Umweltverschmutzung und Klimaschädigung der kapitalistischen Produktionsweise) untergraben und demokratische Einflussmöglichkeiten der Bevölkerung massiv zurückgefahren haben. Dass dies unter dem Mäntelchen schöner Worte passiert, ist nicht verwunderlich und die verbreitete Angst vor der Klimakatastrophe ist ein nur zu guter Vorwand eines weiteren transnationalen Demokratieabbaus. Nach über 20 Jahren (Kyoto-Protokoll 1997) sollte aber klar geworden sein, dass die Resolutionen der Klimagipfel nichts weiter als geduldiges Papier sind, das den neoliberalen Eliten freie Hand in ihrem anti-demokratischen Entscheidungsmonopol unter der Legitimation der Klimawandelbekämpfung gibt. Emissionsreduktion erfordert Markteingriff und Rückbau des ungezügelten Freihandels. Im globalen neoliberalen System ein Tabu ersten Ranges. Das Establishment setzt daher auf Marktlösungen (z.B. CO2-Zertifikate), von denen neue „Klima-Eliten“ wohl profitieren werden, ohne jedoch im Geringsten ein ausreichendes Gegensteuern bewirken zu können, geschweige denn die soziale Dimension des Klimawandels berücksichtigen. Die reale Treibhausgas-Emissionsentwicklung dokumentiert nur zu deutlich: die beste Zeit für das Klima war die globale Wirtschaftskrise nach 2007, nicht die schönen Worte von Paris.

Von links-souveränistischer Seite sollte dieser entscheidende Aspekt in die Diskussion eingebracht werden. Die Regelung von Umwelt und Klima braucht eine Regelung der Wirtschaft und dazu eine entsprechende, demokratisch legitimiert, Regelungsinstanz: den Nationalstaat. Besonders in der jugendlich geprägten „Fridays“-Bewegung gilt es dringend, dem hier hegemonialen Bild des Nationalstaats als altmodisch und regressiv gegenzusteuern und ihn – analog zum Sozialstaat – als demokratischen Hoffnungsträger und Gestaltungsinstrument für Klimagerechtigkeit und eine „grüne Zukunft“ neu und progressiv zu entwickeln.

Wien am 10. September 2019

 

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