Die Globalisierung befindet sich in einer gigantischen Krise und mit ihr die jeweiligen Entwicklungsmodelle rund um die ganze Erde. Eine unglaubliche Flut aus Notenbankgeld und Staatsverschuldung hat 2020 die Eskalation einer Finanzkrise verhindert – aber die dahinterliegenden Probleme sind immer größer geworden: In China stößt das System von zusätzlichen Schulden und zusätzlichen gigantischen Investitionen an seine Grenzen – 40 GW neuer Kohlekraftwerke werden 2020 geplant, aber die vorhandenen sind nicht ausgelastet und schreiben Verluste (abgesehen davon, dass zusätzliche Kohlekapazitäten eine Katastrophe für das Weltklima bedeuten). Saudiarabien bräuchte einen etwa doppelt so hohen Ölpreis, um sein Budget zu stabilisieren. In Chile zerbricht das Wachstumsmodell des neoliberalen Musterschülers Lateinamerikas. Die Eurozone kann ihre inneren Widersprüche durch Zentralbankgeld und Budgettransfers irgendwie zusammenkitten – aber wie lange noch? In den USA hat das billige Notenbankgeld einen Boom von Unternehmensverschuldung ausgelöst – Schulden die in erster Linie Dividenden und Aktienrückkäufe finanziert haben. Mittlerweile hat die Finanzmarktblase ungeheure Ausmaße angenommen: Während die Weltwirtschaft von der Pandemie massiv getroffen ist, jagen die Börsen neuen Rekorden hinterher – wenn der kleine Elektroautohersteller Tesla mehr wert ist, als der Rest der Autoindustrie zusammen, dann ist das ein Zeichen für massive Verwerfungen an den Finanzmärkten. Was, wenn im Casino das nächste Mal die Panik ausbricht?
Damit wird die Frage nach neuen Entwicklungsmodellen immer dringender – und wir haben vorsichte Achsen für einen solchen Versuch dargelegt: Deglobalisierung, Souveränität und Demokratisierung, Umverteilung und linkskeynesianische Nachfragesteuerung, ökologische Wende und staatliche Investitionslenkung.
Aber natürlich gibt es dabei Probleme:
Wie viel Souveränität ist unter Rahmenbedingungen der Globalisierung überhaupt möglich? Und diese völlig hinter sich zu lassen ist wohl keine Alternative – wer per US-Sanktionen völlig aus der Weltwirtschaft gedrängt wird (Iran…), befindet sich in einer sehr schwierigen Situation. Auf der keynesianischen Nachfragesteuerung lastet das Scheitern der französischen Linksregierung der frühen 1980er Jahre immer noch schwer, vom aktuellen Debakel in Venezuela ganz zu schweigen. Und die Probleme des französischen Dirigisme oder das Scheitern der sowjetischen Entwicklungsdiktatur zeigt die Grenzen der Investitionslenkung.
Die Probleme alternativer Wirtschaftspolitik sollen daher Ausgangspunkt der Debatte sein, mit einer besonderen Berücksichtigung der Regierung Mitterand als letzter echter Gegenentwurf zum Neoliberalismus in Westeuropa. Die Perspektive wird dabei aber auf zukünftige Möglichkeiten einer neuen Gestaltung der Wirtschaft gelegt. Denn die Schwierigkeiten des Bruchs mit dem neoliberalen Regime dürfen nicht in Untätigkeit und Resignation enden.