„Ist der wilde Westen zurück“? Diese Frage stellten sich weltweit viele, die die Szenen, die sich im Kapitol (Washington D.C) abgespielt haben, verfolgt haben: Demonstrierenden, die mit Gewalt in das Kapitol eingedrungen sind, die sich immer wiederholende Parole „We are the people“, das Hissen von diversen Flaggen, und wer genau bei den Übertragungen zu gehört hat, konnte zahlreiche Proklamationen von Bibelversen heraus hören, um zu erklären warum die USA korrupt ist und Trump (and the people) sich dagegen wehren müssen. Die klaren Forderungen der Demonstrierenden: Trump muss Präsident bleiben (bzw. er hat nie die Wahl verloren). Natürlich ist der politische Zeigefinger schnell da und benennt die Teilnehmenden als Rassist oder Faschist. Hierbei soll diese Stellungnahme keine Verteidigungsschrift dieser Protestierenden sein, noch negieren wir nicht, dass es innerhalb der Proteste markante white supremacy Züge gibt, und zwar nicht nur auf individueller Basis, sondern auch auf institutioneller Ebene. In Gegensatz zu den Black live matter Bewegungen, wo auf Geheiß von Trump die National Guard herausgerückt ist, hat Trump diesmal nicht nur die Proteste aufgeheizt, sondern wenig unternommen, um die Lage zu deeskalieren. Ebenfalls gibt es Videos auf twitter, worin sich die Sicherheitskräfte ein „Selfie“ mit den Protestierenden im Kapitol gemacht haben lassen.
Trotzdem kann die Analyse nicht entlang eines moralisierenden Diskurses laufen. Die sich ständig wiederholenden Statements „Das kennt man nur von Dritte Welt Länder“; „Das Herzstück der U.S Demokratie wird angegriffen“ zeugen von einem verfestigten imperialistischen Narrativ, die stark in den Medien verankert ist. Man darf nicht vergessen, dass viele Regionen des globalen Südens durch westliche Interventionen unter Führung der USA destabilisiert wurden. Ebenfalls, dass das Herzstück der US- Demokratie in der Geschichte öfters Kriege und/oder Sanktionen etc. legalisiert hat. Natürlich stellen die Ereignisse von gestern eine Blamage für das US Narrativ dar, dass sich so oft als „die Demokratie“ par excellence darstellt. Dennoch ist das nichts neues. Die Unterstützung des israelischen Staates bei der Unterdrückung des palästinensischen Volkes, die unzähligen militärischen Interventionen sowie den Einsatz von hybriden Kampfführungen (Drohnenkriege) zeigten immer wieder auf was die USA eigentlich im Kern ist. Doch dieser Kern wurde stets mit Hilfe einer linksliberalen Schicht in Namen der „Menschenrechte und Verbreitung der westlichen Demokratie“ aufrechterhalten. Aus diesem Grunde sind die wirklich kritischen Tendenzen nicht die Gefahr, die von Trump oder seinen Anhänger ausgeht, sondern der moralisierende Diskurs, der jegliche sozioökonomischen Faktoren ad acta legt, die die zunehmende Anhängerschaft und Wandel der republikanischen Partei durch den Trump befördert. Denn die politische Triangulation bestehend aus: 1) Anti-globalisierung, 2) Anti-immigration, 3) Fundamentalistisch-Religiös, stellt das Kernstück des Erfolges Trump um tief in die Unterschicht hineinzuwirken (Vertikale Verbreitung) und auch in den verschiedenen Latino/Black/Asian communities (Horizontale Ausbreitung), dar. Die gestrigen Proteste werden als plumpen Ausdruck einer faschistischen Bewegung unter Diktator Trump abgestempelt. Trump ist das Übel an dem man alle prekären sozialen, ökologischen und politischen Tendenzen des Neoliberalismus projizieren kann. Diese Denkweise, die stark innerhalb der „progressiven Kräfte“ getragen wird, führt zu einer Legitimierung die Globalisierung und Ausbeutung vieler Regionen, außerhalb und innerhalb der USA, weiter zu tragen, denn man darf das rechtsreaktionäre Übel namens Trump nicht zulassen. Ebenfalls soll dies keine Verteidigung Trumps sein, aber durch das Ausblenden der sozioökomischen und ökologischen prekären Situation des tiefen US-Amerika, wird der Kollaps der US-Gesellschaft weiter geführt. Die sozialen Verwerfungen werden wahrscheinlich zu weiteren solcher Konflikte führen, denn Bidens middle-class foreign policy bedeutet nichts anderes als die Steigerung der US-Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten der Mehrheit. Es mag sein, dass die demokratische Partei in den USA als die „guten“ gesehen werden. Doch erleben wir, m.E., dass Crescendo zu einem autoritären Liberalismus. Der Vorwand gegen rechts zu sein wird instrumentalisiert um einen „starken Staat“ aufzubauen der pauschal die politischen Rechte einer Bevölkerung unterminiert, sowie die Neoliberale Wirtschaftsstruktur die Türen öffnet um aus der Covid-19 Krise herauszukommen auf Kosten der 99% und der Umwelt.