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NS-Verbotsgesetz neu

24. April 2024
V. Martin Weinberger

NS-Verbotsgesetz neu – Unter dem Mantel von „Nie wieder“ zur Kriminalisierung der Solidarität mit Palästina? Zionistischer McCarthyismus führt zur „gröblichen“ Verharmlosung des NS-Terrors, indem er ihn mit dem palästinensischen Widerstand gleichsetzt.


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Seit Oktober 2023 dauert das Massaker seitens der israelischen Regierung in Gaza an. Seit dem Beginn zeigt sich die österreichische Regierung als „solidarisch“ mit dem Völkermord und versucht all jene zum Schweigen zu bringen, die dagegen aufstehen und sich mit Palästina im Geiste eines „Nie wieder“ solidarisieren, sich auf die Aufgabe eines neutralen Österreichs, auf das Völkerrecht, auf die Konvention zur Verhinderung von Genozid berufen. Das tut sie mit einer Strategie der Repression, mit Anzeigen nach dem Verwaltungsgesetz, wegen „Gutheißung terroristischer Straftaten“ und „Verhetzung“, mit der Untersagung von Versammlungen und mit der Kriminalisierung legitimer Forderungen nach einer Befreiung Palästinas. In diesem Kontext der unbedingten Treue zum zionistischen Siedlerkolonialismus wurde auch das NS-Verbotsgesetz novelliert.

Im November 2023 beschloss der Ministerrat die Regierungsvorlage und im Dezember 2023 erließen Bundesrat und Nationalrat das NS-Verbotsgesetz neu – sie ist damit seit Jänner 2024 geltendes Recht. Diese Novellierung ist Bestandteil des Regierungsabkommens von ÖVP und Grünen und Teil der nationalen Strategie gegen Antisemitismus nach dem Regierungsprogramm. In dieser nationalen Strategie ist die Novellierung des Verbotsgesetzes von 1947 eine von 38 geplanten Maßnahmen und sogar eine eigene strategische Säule, betitelt „Effektive Strafverfolgung“. In diesem Rahmen wird auch das Strategieabkommen mit Israel 2022 als Meilenstein gefeiert:

„Diese Kooperation umfasst Bereiche wie Wirtschaftsbeziehungen, Sicherheitspolitik, Terrorismusbekämpfung, Klimapolitik, Jugendaustausch sowie das Gedenken an die Opfer des Holocaust.“ (https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/880/imfname_1516072.pdf, S. 16)

Worum es dabei wirklich geht, wird ebenso deutlich ausgesprochen:

„Der rassistische Antisemitismus – die ideologische Grundlage nationalsozialistischer Judenvernichtung – steht heute nur mehr vereinzelt im Vordergrund der Agitation. Im Zentrum stehen vielmehr der sekundäre und antiisraelische/antizionistische Antisemitismus.“ (S. 37)

Und auch das Justizsystem wurde mit einer implementierten Maßnahme entsprechend ausgerichtet:

„Die IHRA-Arbeitsdefinition zu Antisemitismus wurde in die Vorträge und in das Skriptum Grundrechte integriert. Darüber hinaus werden einschlägige Straftatbestände (Verbotsgesetz, Verhetzung etc.) im Rahmen der Strafrechtskurse für Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter und auch in den regelmäßig stattfindenden Praxisseminaren für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte behandelt.“ (S. 65).

Gleichzeitig wird neben vielen anderen Punkten auch klargestellt: „Eine besondere Gefahr könnte von (Protest-)Kundgebungen ausgehen, die durch antisemitisch eingestellte Personen initiiert und organisiert werden.“ (S. 40) – es kann nach den letzten Monaten keinen Zweifel daran geben, gegen welche Kundgebungen hier in erster Linie vorgegangen werden soll.

Das NS-Verbotsgesetz ist ein Verfassungsgesetz und war schon lange Zeit mit Grund umstritten. Geschaffen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es erlassen, um einer Machtergreifung oder dem Erneuttätigwerden (Wiederbetätigung) des NS-Regimes konsequent entgegenzutreten. Umstritten war das Gesetz vor allem auch deshalb, weil es ein Vorbehalt gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit darstellt und Meinung unter Strafe stellt. Die Novellierung soll das schwere Gesetz nun leichter und breiter anwendbar machen: Für die „Grunddelikte“ wird die angedrohte Freiheitsstrafe herabgesetzt auf sechs Monate bis zu fünf Jahren. Neu und hochgefährlich ist jedoch ein anderer Teil des erneuerten Gesetzespaketes: Die Verwendung bzw. Verbreitung verbotener Symbole wird mit 10.000 Euro und im Wiederholungsfall mit 20.000 Euro gestraft – gemeint sind die Symbole die nach dem Symbolegesetz verboten sind (https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk1413#XXVII_I_02285). Das Innenministerium legt diesen Fall dar:

„Wer in Zukunft Abzeichen der NSDAP oder Symbole der Hamas öffentlich trägt, soll gleich streng bestraft werden.“ (https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=384E684977502B6E5467633D).

Von besonderer Tragweite für die palästinasolidarische Bewegung sind zudem zwei weitere Punkte in diesem den faschistischen NS-Terror verharmlosenden Gesetz, das diesen mit Widerstand gegen koloniale Besatzung gleichsetzt:

1. Einerseits wird „jegliches Verharmlosen oder Relativieren des nationalsozialistischen Völkermordes oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ strafwürdig, nicht mehr nur „gröbliches“ (https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=384E684977502B6E5467633D). Wann dieser Tatbestand erfüllt ist, obliegt der Einschätzung der Behörden. An der Repression gegen die Palästinasolidarität der letzten Monate und die wiederholten Versuche, letztere als „dem Nationalsozialismus vorschubleistende“ Bewegung zu diffamieren, kann man sich jedoch ein Bild machen, wie das im offiziellen Österreich vollzogen wird. Innenminister Karner stellt klar:

„Die Verherrlichung oder das Gutheißen von Terrorismus, Extremismus oder Antisemitismus hat in unserem demokratischen Zusammenleben keinen Platz. Neben dem konsequenten Einschreiten der Polizei sind auch strenge Strafen von entscheidender Bedeutung.“ (https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=384E684977502B6E5467633D)

2. Es wurde auch die „gehässige“ tätliche Herabwürdigung einer Fahne oder eines Hoheitszeichens, sei es die Österreichs, seiner Bundesländer oder eines anderen Staates (welcher wohl gemeint ist?) unter Strafe gestellt. Dies wurde kurzfristig in den Gesetzesentwurf aufgenommen.

Beamte, die nach dem Verbotsgesetz bestraft werden, verlieren übrigens künftig unmittelbar ihren staatlichen Posten und werden aus dem Dienst entlassen – ein automatischer Amtsverlust.

Beschlossen wurde das Gesetz durch alle Parlamentsparteien, mit Ausnahme der FPÖ, die meinte, dass „mit dem Gesetz […] aber am eigentlichen Problem – ‚importiertem‘ Antisemitismus – ‚vorbeigearbeitet‘“ (https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231130_OTS0216/ns-wiederbetaetigung-justizausschuss-ebnet-weg-fuer-verbotsgesetz-novelle) werde.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler berief sich bei dem Gesetzesbeschluss auf das „Nie wieder“. „Es brauche daher klare Gesetze und strenge Strafen, um das ‚Niemals wieder‘ umzusetzen.“ (https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk1413#XXVII_I_02285)

Justizministerin Zadić stellte zudem unmissverständlich klar, in welche Richtung die Ausweitung des Gesinnungsgesetzes zielt:

„Als die Novellierung begonnen wurde, habe man nicht damit gerechnet, dass das Thema Antisemitismus so sehr zum Thema werden würde. Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel habe der Antisemitismus und die Verherrlichung von Gewalt und Terrorismus in erschreckendem Maße zugenommen. Das Verbotsgesetz müsse darauf reagieren.“ (https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2023/pk1435#XXVII_I_02285)

Und darin liegt der eigentliche Kern dieses politischen Projektes und der Novellierung des NS-Verbotsgesetzes – in der Schaffung eines Instrumentes der Gesinnungsjustiz gegen das Eintreten für das Anliegen Palästinas und unter dem Mantel einer „Strategie gegen Antisemitismus“. In diesem Kern handelt es sich jedoch vielmehr um eine „Umdeutung des Antisemitismus“ und einen Verrat am „Nie wieder“.

Martin Weinberger

 

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