Die US-Wahlshow zeigt: das gute Amerika gibt es nicht

09.11.2020
Von Antiimperialistische Koordination
Wenn die Spaltung des kapitalistischen Kernlandes schon kein Klassenkampf ist, so schwächt sie zumindest die US-Hegemonie

 
 
Der knappe Wahlsieg Bidens ist ein Debakel für die „vernünftigen“ Eliten des globalen Zentrums. Der Rowdy-Clown Trump konnte mit enormen Anstrengungen nicht nur ca. zehn Millionen mehr Wähler mobilisieren als vor vier Jahren, sondern der Wahlkampf konsolidierte auch seinen sozialen Block. Das ist vielleicht das wichtigste Einzelmoment dieses Wahlspektakels. Dass sich die Linke einschließlich Blacklivesmatter hinter die liberalen Eliten, verkörpert von Biden, stellte, ist ein Zeichen ihrer Schwäche.
 
Die Republikaner waren zuvor eine Partei des obersten Drittels gewesen, jedenfalls nicht mehr fähig Wahlen zu gewinnen. Trump hat sie massiv nach unten hin erweitert, dabei aber auch einige ihrer Grundfesten erschüttert, wie den Freihandel, die globale Führung über Nato & Co oder auch das formale Bekenntnis gegen die Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe zu sein. Er hat den weißen Suprematismus und den kapitalistischen Individualismus mit der Wut der kleinen Leute über die US-Eliten verbunden (natürlich demagogisch gemanagt und an keinem wirklichen Bruch interessiert). In einem gewissen Sinn hat er den liberalen Konsens zerstört, ein Herrschaftsinstrument von größter Wichtigkeit im Land selbst und in der Welt.
 
Das bedeutete nicht nur die Kündigung des Freihandelsvertrags Nafta, was Trumps nicht gerade als Vorkämpfer des Neoliberalismus herausstellt, genauso wie sonstige Handelseinschränkungen. Trotz allem ostentativen Chauvinismus vom Typus „Make America great again“ bringt er eine Tendenz zum Rückzug aus der imperialistischen Führungsrolle zum Ausdruck. Der Versuch des Ausgleichs mit Nordkorea, völlig im Gegensatz zur traditionell aggressiven Haltung Washingtons, ist vielleicht das beste Beispiel dafür. Der Herrschaftsapparat hat das dann erfolgreich torpediert.
 
Auch sein Weckruf an die rassistischen Milizen, zum Bürgerkrieg bereit zu sein, bedeutet letztlich die Aufkündigung des nach dem 1960er Jahren gefundenen Konsenses der US-Eliten, der Bewegung der Afroamerikaner (neben der traditionellen Repression) mit dem Zugeständnis der formalen Gleichheit (und sogar anfänglich affirmative action) den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das ist für die Eliten brandgefährlich, denn es ist überhaupt nicht mehr gesagt, dass die Einheit der Weißen über die Klassenspaltung obsiegen würde.
 
Es verwundert nicht, dass im Kernland des Weltkapitalismus als Reaktion auf die globale Krise auch eine Art rechter Populismus entstehen würde, der die erfasst, die vom Liberalismus zurecht enttäuscht sind. Zu tief ist der Rassismus und Individualismus eingegraben, zu sehr gehört er zur kulturellen DNA des Landes, als dass politisch-sozialer Protest sich organisch progressiv äußern könnte.
 
Eine weitere Frage ist, ob Trump dem Trumpismus erhalten bleibt. Für einen rechten Populismus bleibt sicher großer Platz, nur ob das Establishment der Republikaner da weitermachen will? Auf der anderen Seite bleibt ihnen wiederum nichts anderes übrig, denn sonst wären sie wohl zu keinen Mehrheiten fähig. Welche persönliche Konsequenz der Narzisst Trump aus der verloren Wahl zieht, bleibt unklar. Gibt er auf und verfällt in die Depression oder spornt es ihn an, als Greis es in vier Jahren nochmals zu versuchen?
 
 
Doch nun zur anderen Seite: Es ist verständlich, dass für viele, insbesondere Schwarze und Latinos, die Wahl zu einem Referendum gegen den offenen Rassisten Trump wurde. Es ist dennoch ein Zeichen großer politischer Schwäche, wenn der Kandidat des liberalen Establishments zur einzigen politischen Alternative gemacht wird. Biden verkörpert wie Hillary Clinton das System und seinen Niedergang. Berni Sanders und die neuen Führungsfiguren wie Alexandra Ocasio Cortez hatten nicht den Mut und die Fähigkeit den notwendigen Bruch zu machen, sich nicht hinter Biden zu stellen und selbständig zu kandidieren. Das hätte mit großer Wahrscheinlichkeit Trump im Präsidentenamt gehalten, aber die Demokratische Partei nachhaltig beschädigt und mit einigen Dutzend Millionen Stimmen eine fortschrittliche politische Alternative geschaffen.
 
Selbst Trump hat einmal eingeräumt, dass Sanders ein gefährlicherer Gegner für ihn gewesen wäre als Biden. Klar, die Kraft der antisozialistischen Hasstiraden bleibt in den USA auch nach unten hin erheblich, doch viele Exponenten der Sanders-Linken hatten im Vorwahlkampf sehr klar und deutlich gezeigt, dass sie viel mehr als Biden in der Lage gewesen wären, Trumps Block von unten her, von der Armut her, zu zersetzen – und eben auch unter Weißen großen Appeal gehabt hätten. Die Unterordnung unter Biden hat das verunmöglicht und Trump geholfen.
 
Die Blacklivesmatter-Bewegung war von größter Bedeutung für die USA und hatte ursprünglich beide Parteien herausgefordert. Doch in der Wahlkampagne wurde sie unweigerlich in den politischen Hintergrund gedrängt. Dabei wäre auch das eine Gelegenheit eine politische Alternative zu bilden, außerhalb des traditionellen Parteiensystems und auch nicht nur beschränkt auf die Bewegung der Afroamerikaner.
 
Es gilt endlich eines zu verstehen: das „gute Amerika“, die Führungsmacht des globalen Liberalismus gibt es nicht mehr. Ihr letztes Aufbäumen in Form von Obama ist kläglich gescheitert. Die sozialen, kulturellen und politischen Zersetzungserscheinungen verlangsamten sich lediglich, wenn überhaupt.
 
Trump hat darauf reagiert, die niedergehende Republikanische Partei mit einer Art rechtspopulistischen Revolte gerettet, mit der aber die globale Machtprojektion kaum mehr zustande zu bringen war. Eine linke Revolte gegen die Demokratische Partei wäre zumindest genauso möglich gewesen, die aber nur durch den vollen Bruch wirksam werden kann. Das hätte dem Trumpismus viel von seiner Kraft genommen.
 
Der Kampf für die Gleichstellung der Nichtweißen bleibt für ein antikapitalistischen Projekt im Zentrum des Kapitalismus zentral, doch darauf beschränken darf es sich nicht. Auf einen Teil der weißen Arbeiterschaft und der Unterschichten kann nicht verzichtet werden. Darum muss auch die soziale Frage im Zentrum bleiben, denn sie ist ohnehin unmittelbar mit der Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe und Kultur verbunden.
 
Für das Einknicken gegenüber Biden wird ein hoher Preis zu zahlen sein. Er hat der Linken einige Versprechungen gemacht. Doch in der Logik der Eliten muss Biden doch Appeasement gegenüber dem Trump-Block machen – als Präsident „aller“ Amerikaner.
 
Das einzig Positive: die Wahl repräsentiert einen weiteren (kleinen) Schritt im Abstieg der USA. Vor drei Jahrzehnten zeigte sich ihre totale Überlegenheit in der Generosität gegenüber den alten Gegnern – am klarsten in Südafrika, wo man auf einmal nach einem Jahrhundert die Apartheid als Herrschaftswerkzeug aufgab und letztlich die Kommunistische Partei mit der Verwaltung des Kapitalismus betraute – wie sich zeigte zu recht. Und gleichzeitig konnte man sich der vollen Unterstützung der Eliten bei den Militärschlägen gegen Unbotmäßige sicher sein, wie gegen den Irak oder Jugoslawien.
 
Die ultraimperialistischen Neokons, die unter Bush die Macht im Apparat an sich rissen, scheiterten daran, den Irak unterzuordnen, der halb in die Hände des Iran und halb in jene des sunnitischen Jihadismus fiel. Obama versuchte in realistischer Weise vom Imperium zu bewahren was zu bewahren war. Hinter dem chauvinistischen Siegesgeschrei Trumps konnte der weitere Rückzug der USA, der von den weißen Unterschichten durchaus gewünscht wird, versteckt werden. Biden wird bei der Verteidigung des Imperiums weitermachen, aber dessen zunehmender Verlust von Hegemonie und Einfluss ist irreversibel.
 
Alle, die für eine gerechtere Weltordnung eintreten, seien dennoch gewarnt sich zu früh zu freuen: die USA bleiben dennoch die überlegene Führungsmacht, auch wenn sie den zunehmenden Multipolarismus nicht verhindern können.
 

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