Nein zum Extremismus-Gesetz 2.0!

27.05.2021
Der "Politische Islam", politisches "Framing" und die Gesetzesvorlagen der Regierung Kurz
M. M. Weinberger
Die Regierungen Kurz haben sich einer identitären Kampagne verschrieben – diese richtet sie gegen einen nebulösen Feind mit "anderen Werten", den "Politischen Islam", um selbst daran zu wachsen. Die Resultate dieser unsäglichen Politik bedrohen unter anderem in der Form des "Extremismus-Gesetzes" die Grund- und Menschenrechte in Österreich.
Die Mobilisierungen zum Schutz der Meinungsfreiheit müssen weitergehen!

Der Kampf gegen den „Politischen Islam“ ist eine Kernagenda aller Kurz-Regierungen, sei es die ÖVP/FPÖ-Regierung Kurz I oder die türkis-grüne Bundesregierung Kurz II. Im ernsthaften akademischen Bereich konnte sich der bewusst undefinierte Begriff, der eine ganze Religionsgemeinschaft (Islam) unter Verdacht stellt, nicht durchsetzen. Deshalb wurde außerhalb desselben mit der Dokumentationsstelle „Politischer Islam“ eine pseudo-wissenschaftliche Bastion für die Durchsetzung von Diskurshoheit geschaffen. 

Die Diskursmacht soll mittels eines politischen „Framings“ erreicht werden: Gegen politische Gegnerinnen und Gegner werden Diffamierungen vorgebracht, die sie in die Nähe des „Politischen Islam“ rücken, gekennzeichnet laut dem von der österreichischen Regierung übergebührlich beanspruchten „Experten“ aus US-amerikanischen Security-Think-Tanks, Lorenzo Vidino, durch „Antiimperialismus und Antizionismus“. 

Oder in die Nähe der Muslimbrüder, die „ein Projekt der langfristigen gesellschaftlichen Umgestaltung“ verfolgen würden und „andere Werte“ hätten, die sie zu einer größeren Bedrohung als den Dschihadismus machten (https://www.idea.de/spektrum/forscher-politischer-islam-ist-gefaehrlicher-als-dschihadismus). Die Ähnlichkeit zur Rhetorik der identitären Bewegung ist unübersehbar – man erinnere sich nur an die unselige „Unsere Werte“-Wahlkampagne der türkisen Liste Kurz. Ohnehin ist man bei der Sammlung solcher Vorwürfe zur rechtsextremistischen, rassistischen Seite hin offen. 

Oder in die Nähe der Hamas, die, stereotyp und analog zum IS als „radikal-islamische Terrormiliz“ bezeichnet, dazu benützt wird, den Palästinenserinnen und Palästinensern jedes Recht und jede Berechtigung zu verweigern und deren Handeln als „Terrorismus“ zu qualifizieren. 

Oder in die Nähe von Antisemitismus – die Perfidität dieses Labels besteht darin, dass eine verbrecherische und völkermörderische Ideologie, der rassische Antisemitismus, umgewertet wird. Jüdinnen und Juden werden mit israelischem Nationalismus identifiziert und im Umkehrschluss wird die Ablehnung ebendieses Nationalismus als antisemitisch disqualifiziert.

Oder in die Nähe von „Nationalismus“, der kulturalisiert wird: Die Rede ist dann von „Türken“, „Afghanen“, „Tschetschenen“, „Arabern“ – „Andere“ mit „anderen Werten“.

Alle diese Vorwürfe werden unter dem Begriff des „Extremismus“ zusammengefasst. Wohlgemerkt handelt es sich bei den Vorwürfen im Rahmen einer „Framing“-Strategie nicht um eine bewiesene Nähe, sondern um eine behauptete. Für „Framing“ werden keine Beweise benötigt, die bloße Behauptung genügt. Bilder ersetzen Tatsachen – ein demokratiepolitisch gefährliches Spiel.

Wozu das alles? Es geht den Regierenden dabei um Instrumente für die politische Handhabe, die sie gegen kritische Stimmen anwenden möchten, und um eine identitäre Mobilisierung gegen Minderheiten, die den eigenen Macht- und Handlungsspielraum erweitert. Das zeigte sich an der „Operation Luxor“: Anstatt den Terroranschlag vom 2. November 2020 zu verhindern, wurden alle Kapazitäten dafür gebunden, denn diese war der Regierung offenbar wichtiger, als eine konkrete Gefahr auf der Grundlage konkreter Informationen und konkreter Straftaten auszuschalten. Das zeigt sich aber auch an den Verboten aller Solidaritätsbezeigungen und Kundgebungen im Zusammenhang mit Palästina, die kulturchauvinistisch begründet werden. Vor allem zeigt sich das aber an dem geplanten und schon geschnürten neuen „Anti-Terror-Paket“, aufgesetzt auf den zuvor schon geschaffenen und mittlerweile breit angewendeten §278b StGB Terroristische Vereinigung und §278c StGB Terrorfinanzierung. 

Die Absicht der Regierung mit diesen neuen Gesetzen ist eine zweifache. 

Erstens sollen Strafinstrumente geschaffen werden, die angewendet werden sollen – allen voran die „Sicherungshaft“, wodurch auf bloßen Verdacht hin Leute weggesperrt werden können. Da sich diese zwar im Koalitionsübereinkommen der Türkisen und Grünen findet, aber auf breite Ablehnung von Verfassungsjuristinnen und -juristen stieß, wurde (zunächst?) der Maßnahmenvollzug „reformiert“ und zu einer Dauerhaft für „terroristische“ Straftäterinnen und Straftäter umfunktioniert. 

Zweitens soll eine Gesinnungsjustiz etabliert werden, die aus Meinungen Straftatbestände macht. Kurz und Konsorten haben immer und immer wieder bewiesen, wie arrogant und verächtlich sie sich über die Verfassung und den Rechtsstaat hinwegsetzen. Sie wollen die Justiz durch Gesetze zwingen, politisch „Recht“ in ihrem Sinne zu sprechen. Ein Kernbestandteil davon ist der Straftatbestand des „religiös begründeten Extremismus“. Dieser richtet sich gegen die Musliminnen und Muslime als Ganze, die – nicht direkt angesprochen, obwohl gemeint – unter einen Generalverdacht gestellt werden und daran gehindert werden sollen, sich politisch zu engagieren. Es handelt sich um eine kulturchauvinistische Spaltung der Gesellschaft. Aber die Vorhaben der Regierung richten sich nicht nur gegen die Musliminnen und Muslime, sondern gegen alle, die sich an deren Seite für antikoloniale Anliegen oder solche einsetzen, die eine „Gegenidentität“ gegen die "Leit-Identität“ setzen. Doch selbst jene, die sich dieser identitären Regierungskampagne intellektuell entgegenstellen – auch sie geraten unter Extremismus-Verdacht. 

Es handelt sich daher bei dem „Extremismus-Gesetz“ und dem „Anti-Terror-Paket“ um politische Gesinnungsjustiz und eine neue Phase des Autoritarismus. Das müssen wir mit aller Kraft verhindern. Die Meinungsfreiheit muss gewahrt bleiben.

 

Demokratische Grundrechte verteidigen!

Nein zum Extremismus-Gesetz!