Seit Anbeginn der Covid-19-Pandemie versucht die österreichische Regierung die daraus entstandene gesundheitliche und soziale Krise vorrangig mittels autoritärer – Methoden zu lösen, welche auf ein jahrzehntelange neoliberale Kahlschlagpolitik aufbauen. Während einerseits nichts getan wurde, das Gesundheits- und Bildungssystem auszubauen und -schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern, wurden andererseits mittels einer Angstkampagne eine Reihe von Überwachungs- und Disziplinierungsmaßnahmen beschlossen, ebenso wie Lockdowns und Ausschlüsse – die besonders die ärmeren Schichten trafen. Mit der Impfpflicht, die ab Februar in Kraft treten und ab Mitte März durchgesetzt werden soll, wird diese Politik auf die Spitze getrieben – obwohl sie auf massiven Widerstand in der Bevölkerung stößt.
Auch wenn wir die Schutzwirkung der Impfung für Risikogruppen sehen, ist eine Impfpflicht keine demokratische gesellschaftspolitische Lösung im Sinne der öffentlichen Gesundheit. Den sich durch die Pandemie verschärfenden Problemen unterbezahlter Pflegekräfte, fehlender Investitionen und Einsparungen in kritischer Infrastruktur, wie dem Bildungs- und Gesundheitswesen, erhöhten Drucks auf erwerbslose Personen und die Working Poor begegnet die Regierung mit einer rein technokratischen Maßnahme im Sinne der Pharmaindustrie: der Impfpflicht. Wir fordern einen gesamtheitlichen Blick auf Gesundheit, der die Folgen der Lockdowns und eines permanenten Ausnahmezustands mitbedenkt und in Rechnung stellt.
Die Impfpflicht lenkt damit vom Versagen der Regierung ab, eine gesellschaftlich tragfähige Lösung für die Risiken der Pandemie zu finden, indem die Schuld für das Fortbestehen der Pandemie denjenigen zugeschrieben wird, die die Maßnahmen der Regierung anzweifeln. Zudem werden auch die tatsächlichen Ursachen der ungleich verteilten Gesundheits- und Ansteckungsrisiken, die in der Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft, zwischen Oben und Unten, zwischen Reich und Arm, in den ungerecht verteilten Lebenschancen wurzeln, verschleiert und die persönliche Haltung zu einer medizinischen Maßnahme als ursächlicher Faktor stilisiert.
Es ist mehr als zweifelhaft, wieviel durch einen solchen gesetzlichen Zwang zur Impfung aller, unabhängig von Alter und Gesundheit, aus epidemiologischer Sicht zu gewinnen ist. Mit Gewissheit aber führt die Impfpflicht durch Entdemokratisierung, Aushebelung von Grundrechten und Spaltung zu einem großen gesellschaftlichen Schaden.
Die Impfung gegen Covid-19 wurde durch die Ankündigung einer Impfpflicht – genauso wie durch den Lockdown für „Ungeimpfte“, eigentlich „Personen ohne Covid-19-Impfzertifikat“ (ungeachtet ihrer Gefährdung und unter Abwertung natürlich erworbener Immunität Genesener) – von einer individuellen medizinischen Entscheidung zum politischen Akt erklärt. Dies führt auch dazu, dass jene, die der Regierung schon vorher skeptisch gegenübergestanden sind, deren Maßnahmen einschließlich der Impfung noch mehr misstrauen, selbst wenn sie Risikogruppen angehören.
Für die Umsetzung der Impfpflicht muss enormer – nicht zuletzt finanzieller – Aufwand getrieben werden. Stattdessen sollte besser mehr Geld in das öffentliche Gesundheitswesen investiert und dort für bessere Arbeitsbedingungen gesorgt werden, wie auch in Berufen, die durch schlechte Absicherung mit höheren Risiken konfrontiert sind (wie in der Landarbeit, in der Fleischindustrie, am Bau) – damit diese und künftige Gesundheitskrisen in einer sozial verträglichen Weise und – ohne autoritäre Maßnahmen gelöst werden können.
1. Christoph Hammer, Religionswissenschaftler, Wien
2. Leo Xavier Gabriel, Politikwissenschaftler und Aktivist, Wien
3. Christina Angerer, Psychologin und Psychotherapeutin, Innsbruck
4. Martin M. Weinberger, Lektor, Wien
5. Udo Martin, Erwachsenenbildner, Salzburg
6. Elisabeth Lindner-Riegler, pensionierte AHS-Lehrerin, Antiimperialistische Koordination, Wien
7. Wilhelm Langthaler, Autor und Aktivist, Antiimperialistische Koordination, Wien
8. Alfred Almeder, sozialdemokratischer Gewerkschafter in Ruhe, Wien
9. Patience Kamuanya, Arzthelferin, Wien
10. Birgit Kopp, Künstlerin, Innsbruck
11. Charly Walter, Innenarchitekt, Innsbruck
12. Thomas Posch, Kleinunternehmer in der Veranstaltungsbranche, Telfs
13. Gabriele Czerni, Psychotherapeutin, Innsbruck
14. Klaus Schreiner, Kaufmann, Innsbruck
15. Robert Kafenda, Trainer und Coach, Wr. Neustadt
16. Dieter Oberkofler, Lehrer, Imst
17. Michaela Niederkircher, Pädagogin, Künstlerin, Innsbruck
18. Thomas Pierer, Krankenhausbediensteter und Gemeinderat der KPÖ in Bruck/Mur
19. Dorothea Pramstrahler, Ärztin, Psychotherapeutin, Innsbruck
20. Wolfgang Sigut, pensionierter Grafiker und Lobau-Aktivist, Wien Donaustadt
21. Ruth Koza, Psychologin, Psychotherapeutin, Innsbruck
22. Wolfgang Friedhuber, Softwareentwickler in Ruhe, Die Linke Steiermark, Graz
23. Maamoun Chawki, Psychotherapeut, Pädagoge, Wien
24. Katharina Grabher, Schauspielerin, Vorarlberg/Wien
25. Kerstin Bartel, Volkschullehrerin, Wien
26. Daniel Lener, Bewegungstrainer, Tirol/Wien
27. Peter Weish, Humanökologe, Wien
28. Sylvia Krismayr, Künstlerin, Mutters
29. Ruth Sierra León, Aktivistin aus Kolumbien, Wien
30. Boris Hanreich, Archivleiter, Wien
31. Erwin Bartsch, IT-Techniker, Baden
32. Hilde Grammel, Lehrerin i.R., Aktivistin der KPÖ, Seestadt, Wien
33. Maria Wölflingseder, Pädagogin und Publizistin, Wien
34. Marco van Jura, Student, Wien
35. Gernot Bodner, Assistenzprofessor Boku, Wien
36. Franz Sölkner, Mitglied der Steirischen Friedensplattform, Graz
37. Doris Höflmayer, Ärztin, Hamburg/Wien
38. Fritz Weber, Autor und Umweltanalytiker, Wien
39. Heinz Mutzek, Biolandwirt und Lobau-Aktivist, Donaustadt, Wien
41. Dhana Lohner, Tanzpädagogin, Wien
42. Fernando Romero Forsthuber, Filmproduzent, Wien
43. Leo Gabriel senior, Sozialanthropologe, Wien
44. Veronika Rochhart, Steirische Friedensplattform und XR Graz
45. Martina Szüsz, Juristin und Sprachlehrerin, Wien
46. Afra Graf, Schülerin, Wien
47. Hannes Buchegger, Ökoaktivist, Drasenhofen, Niederösterreich
48. Nadia Kovac, Antifaschistische Aktion Wien
49. Franz Schuster, Antifaschistische Aktion Wien
50. Anna Mornar, Antifaschistische Aktion Wien