Vorsicht Ausnahmezustand

15.03.2020
Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Covid19 sind notwendig, doch die neoliberalen Eliten tragen nicht nur Mitschuld, sondern man muss die unausweichliche Abwälzung der Kosten auf das Volk abwehren

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Sehr schnell ist es gegangen, dass auch in Österreich der Corona-Ausnahmezustand verhängt wurde. Denn zunächst dachte man, dass es wieder ein chinesisches oder asiatisches Problem sei. Doch dann kam die Sache mit der italienischen Krise bedrohlich nahe. Und die plakative Überforderung des lombardischen Gesundheitssystems scheint auch der Auslöser dafür gewesen zu sein, dass die österreichische Regierung zu so radikalen Maßnahmen griff. Für das erste scheint die Bevölkerung das zu akzeptieren und die Popularitätswerte von Schwarzgrün werden wahrscheinlich ansteigen. Die fast schon unter den türkisen Rädern befindlichen Grünen können jetzt vom Zusammenrücken und Solidarität reden – hinter Eliten, die drei Jahrzehnte neoliberalen Kahlschlag betrieben haben und die gesellschaftliche Solidarität zerstörten. Auch wenn Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung von SARS II sicher notwendig sind, darf nicht vergessen werden, dass diese Eliten dafür verantwortlich sind, dass unser Gesundheitssystem ausgedünnt wurde. Mehr noch, es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass sie nicht versuchen werden ihre neoliberale Agenda mittels der Notmaßnahmen fortzusetzen. Und dagegen ist Vorsicht und auch Widerstand geboten.

Vorbild China?

Am Anfang zerrissen sich die Medien noch das Maul über China, wo die Bürokratie den Ausbruch zu vertuschen suchte und zumindest einer der warnenden Ärzte dann tragisch selbst an der Krankheit verstarb. Die Herrschaft der bei den Neoliberalen so verhassten, weil so erfolgreichen staatskapitalistischen Kommunisten sei bedroht. Doch dann warf Peking das Ruder herum, setzte dutzende Millionen unter radikale Quarantänemaßnahmen und lies die Bagger anrückten, die innerhalb weniger Tage Notspitäler aus dem Boden stampften. Es wurde stiller im westlichen Mainstream und man faselte, dass in der „offenen Gesellschaft“ solche Maßnahmen nicht möglich seien. Und China müsse das mit einer wirtschaftlichen Redimensionierung seiner Rolle in der Welt bezahlen. Als dann die Neuinfektionen tatsächlich zurückgingen, während in Europa die Panik ausbrach, erscheint das chinesische Modell sogar als Vorbild. Aber da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Dabei muss man sagen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. Singapur und Taiwan schafften es mit rigorosen polizeistaatlichen Maßnahmen, die initiale Verbreitung zu unterbinden. Südkorea gelang dies nicht, aber durch die staatlich organisierte Testung und ein funktionsfähiges Gesundheitswesen konnte die Ausbreitungskurve gesenkt werden, ohne die zerrüttenden chinesischen Maßnahmen.

Durch Neoliberalismus zerstörtes Gesundheitswesen

Virusmutationen scheinen ein Naturphänomen zu sein, aber zum Problem werden sie durch mangelnde Vorbereitung der Gesellschaft. Und das hängt vor allem mit dem neoliberalen Kahlschlag in Europa und USA zusammen. (Washington hat viel mehr die Augen geschlossen als Peking und hat am wenigsten Fähigkeiten zur Bekämpfung, was sich noch in eine soziale Katastrophe verwandeln könnte.)

Einerseits kann man, wenn man schnell, gut gerüstet und autoritär ist, die initiale Verbreitung unterbinden. Doch bei sehr ansteckenden Krankheiten kann das auch misslingen.

Andererseits, wenn ein neues Virus zur Epidemie wird, hängt es stark von der Qualität und Breite des öffentlichen Gesundheitssystems ab, wie sehr die Ausbreitung verlangsamt und die erhöhte Zahl an Patienten behandelt werden können. Damit können die Gegenmaßnahmen moderiert und auch der negative Einfluss auf Produktion und gesellschaftliches Leben gedämpft werden.

Der ungünstige Verlauf in Italien ist wesentlich durch den Zerfall des Gesundheitssystem bedingt, durchgesetzt durch die neoliberalen Austeritätsprogramme, wiederum diktiert von der EU.

Die Zahl der Spitalsbetten pro Kopf ist sicher nicht der einzige Indikator (siehe den gänzlichen Ausschluss von dutzenden Millionen Menschen von der Gesundheitsversorgung in den USA), aber dennoch ein gewichtiger Anhaltspunkt. So verfügen Japan und Südkorea über das dreifache Angebot als Italien oder Spanien. Selbst China hat mehr als Italien, wobei man erschwerend in Rechnung stellen muss, dass das Belpaese zumindest über das dreifache Prokopfsozialprodukt verfügt. Österreich liegt hinter der BRD bei unter acht Betten pro 1000 Personen, wobei auch hierzulande in den letzten Jahrzehnten einiges kaputtgemacht wurde.

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Weder die Testung, die individuellen isolierenden Maßnahmen, noch die Behandlung war so in den Griff zu bekommen. In den meisten anderen europäischen Ländern wird es nicht viel besser sein. Darum die öffentliche Panik und Maßnahmen, die so einschneidend sind, eine tiefe Rezession auszulösen – im Gegensatz zu China, das kein Problem hat, mit massiven staatlichen Investitionen die ausfallende Nachfrage zu ersetzen.

Autoritäre Schlagseite

Als die chinesische Regierung Wuhan und die Provinz Hubei unter extreme Quarantäne stellte, war der westliche Mainstream zwar einerseits beeindruckt, aber andererseits fiel es ihm nicht schwer, den autoritären Charakter der Maßnahmen zu denunzieren. Für Europa bedeuten ähnliche Maßnahmen, dass zum Beispiel die Oppositionsbewegung in Frankreich zum Erliegen kommen wird, dass es weder Demonstrationen noch Versammlungen gibt. Während man hierzulande die Gemeinderatswahlen in der Steiermark und in Vorarlberg abgesagt hat, sollen sie in Frankreich stattfinden – was dem unpopulären Macron sicher zugutekommt. In der gesamten südeuropäischen EU-Peripherie wird so die massive Volksopposition stillgelegt und stattdessen der nationale Schulterschluss propagiert.

Auch am Chauvinismus fehlt es nicht, wenn es die Flüchtlinge seien, die den Virus einschleppen würden (Kanzler Kurz). Für Trump sind sowieso immer die anderen die Bösen und insbesondere die Chinesen.

Es ist kein Zufall, wenn Salvini und eine ganze Reihe von Lega-Regionaladministrationen besonders einschneidende Maßnahmen nicht nur für den Norden, sondern für das gesamte Land fordern. Im Namen der Volksgesundheit wird der Polizeistaat gestärkt und legitimiert – von den alles entscheidenden öffentlichen Investitionen ist da keine Rede mehr.

FP-Kickl schlägt in die gleiche Kerbe und will einen totalen „Lockdown“. Dabei geht es ihm vor allem um die Außengrenzen, die in der gegenwärtigen Situation nicht mehr die Hauptrolle spielen, auch in China nie spielten. Er forderte den nationalen Schulterschluss gegen den äußeren Feind nach dem alten chauvinistischen Modell. Dies wird auch nicht besser dadurch, dass er richtige Forderungen nach dem Ende den Nulldefizits und Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen forderte.

Mit voller Kraft in die Krise – getarnter Klassenkampf von oben

Die Finanzkrise 2007/2008 war eben nicht nur eine Finanzkrise, sondern eine richtiggehende Weltwirtschaftskrise basierend auf einer strukturellen Nachfrageschwäche. Sie wurde durch zwei Momente tamponiert, ohne gelöst zu sein: Einerseits durch die Politik des billigen Geldes (Quantitative Easing), die den Zusammenbruch verhinderte. Andererseits durch die außergewöhnliche Dynamik Chinas.

Die Krisenmomente sind insbesondere seit 2017 wieder manifest, und es braucht nur einen Anlass, den Krisenzyklus in Gang zu setzen. Die kontraktive Wirkung der Corona-Ausnahmezustands könnten den Funken dazu abgeben.

Die Eliten wittern das politische Potenzial der gegenwärtigen Krise – natürlich auch das populistisch-demagogische Talent Kurz mit seinen grünen Komplizen. Sie wissen auch, dass sie jetzt nicht kleinlich sein dürfen. Johnson zeigt es ihnen vor. Auch Conte kämpft ums Überleben und hat nun endlich den Notstandshebel, das Brüsseler Austeritätsjoch zu lockern. Sie werden fürs erste nicht kleckern, sondern klotzen, denn nur so können sie sich als nationale Retter aufspielen.

Doch zur einzig wirksamen Maßnahme gegen die Krise, nämlich massive öffentliche Investitionen, werden sie sich nicht durchringen. Sie können es nicht und wollen es nicht, denn es ist die zentrale Peitsche des Neoliberalismus. Darum wird es nach dem Höhepunkt der Infektion darum gehen, wie immer die Kosten der Maßnahmen auf die arbeitende Bevölkerung überzuwälzen und die neoliberale Politik fortzusetzen. Doch so wie bisher wird das nicht mehr gehen.

Schauen wir, was der britische Premier Boris Johnson wirklich investieren wird, der als Tory am meisten sozialdemokratisch auf Corona reagiert. Der italienische Ministerpräsident Conte der abgetakelten Fünfsterne-Koalition mit dem Partito Democratico wiederum will sich als Retter präsentieren, darum auch die an Panik grenzende Inszenierung, die eine andere Regierung allein im Sinne des Selbsterhalts tendenziell zu dämpfen versuchen würde. Draghi steht schon in den Startlöchern, um eine volle Elitenregierung zu restaurieren, doch ohne öffentliche Investitionen wird auch er die verzweifelte Bevölkerung nicht dauerhaft narkotisieren können. Ob Kurz fähig ist, das Nulldefizit aufzugeben? Für eine große Show ist er jedenfalls ganz gut positioniert.

Um die EU steht es jedenfalls nicht gut, denn die Austerität, ihre raison d’être, ist insbesondere in der Krise nicht haltbar, oder wird zu Vertiefung der schwelenden politisch-sozialen Krise führen.

Haben nicht die chinesischen Maßnahmen am besten gezeigt, dass das Eingreifen den Nationalstaates die einzige Rettung ist? Und genau das ist das Signal, das die europäischen Regierungen mit ihren Notprogrammen nolens volens aussenden, obwohl sie mit einem stärkeren öffentlichen Gesundheitssystem vielleicht gar nicht notwendig gewesen wären.

Ende der Seuche?

Man sagt uns, dass die drakonischen Maßnahmen nur zur Abflachung der Ausbreitungskurve dienen würden, aber dennoch mit der Durchseuchung bis zur Herdenimmunität zu rechnen sei.

Doch was ist dann das Kriterium der Lockerung der Maßnahmen? Denn bisher sind die Infektionsraten lächerlich gering, selbst in Italien weit unter einem Promille. Während sie in China nur in PPM zu erfassen sind, kommen auch im Brandherd Hubei, bevölkerungsmäßig etwa von der Größe Italiens, nur ein Promille zusammen.

Was passiert nun, wenn die dämpfenden Maßnahmen aufgehoben werden? Steigen die Infektionen dann wieder exponentiell an? Oder müssen wir mit vielen Monaten des Ausnahmezustands rechnen? Oder stimmt was nicht in der Darstellung?

Vorsicht vor den Rettern ist jedenfalls angezeigt!