Das International Solidarity Movement (ISM) mit Palästina gründet seine Arbeit auf folgende zentrale Prinzipien:
…• das bestimmende Element sind die Palästinenser und deren Anliegen
…• direkte Aktionen gegen die Besatzungsmacht
…• Gewaltfreiheit
Das ISM arbeitet je nach Kräfteverhältnissen und politischer Situation im Gazastreifen und im Westjordanland in so genannten Ortsgruppen (wie zum Beispiel in Jenin oder Nablus), denen sich die internationalen Aktivisten für kürzere oder längere Zeit anschließen. International ist das ISM in verschiedenen Ländern wie den USA, Deutschland oder Schweden tätig, um Solidaritätsarbeit mit Palästina zu leisten.
Die Arbeit in Palästina selbst kann direkte Teilnahme, Hilfe und Unterstützung beim Kampf gegen beispielsweise Häuserzerstörungen und anderen Übergriffen des Militärs sein, soll aber in jedem Fall zumindest Dokumentation und Medienarbeit sein, um den tagtäglichen Terror der Besatzungsmacht öffentlich zu machen.
Die Aktivisten müssen an einem zweitägigen Training teilnehmen, das im Wesentlichen in praktischen Unterweisungen und dazugehörigen Rollenspielen für den Fall von Zusammenstößen mit der Besatzungsmacht – Gewehrfeuer, Tränengas, Verhaftungen – besteht. Abgesehen von einem kurzen geschichtlichen Überblick, fehlt die politische Analyse und politische Diskussion, die ein notwendiger Hintergrund für die direkten Aktionen sein sollten. Was an elementaren politischen Ansprüchen fehlt, wird durch absolute politische Korrektheit bezüglich kultureller Normen ersetzt. Was Bekleidungsvorschriften oder Auftreten in der Öffentlichkeit betrifft, scheint das ISM palästinensischer als die Palästinenser sein zu wollen.
Auf der Basis eines vagen politischen Anspruchs, aber mit der Bereitschaft zu handeln, können logischerweise Aktivisten unterschiedlichster Motivation und unterschiedlichsten Bewusstseins arbeiten. Es gibt die, die für ihre Solidaritätsarbeit mit Palästina Impulse und Stärke finden wollen und ihre konkrete Rolle in diesem Land nicht überschätzen, oder Abenteurer, denen es vorrangig um die direkten Aktionen gegen die Besatzungsmacht geht, oder Philanthropen, die nur die “armen Palästinenser” sehen, denen geholfen werden muss, oder solche, die das Leiden der Israelis wegen der Selbstmordattentäter sehen und nun das Leiden der Palästinenser kennen lernen wollen. Was immer die Beweggründe sein mögen, die Bevölkerung nimmt die Anwesenheit der Aktivisten grundsätzlich positiv zur Kenntnis – bedeutet sie doch zumindest in manchen Fällen einen gewissen Schutz vor der Brutalität des Militärs und generell Anteilnahme und Solidarität. Für das ISM selbst ist wesentlich, dass die Bereitschaft zu Aktionen gegeben ist, sowie die Hoffnung, dass jeder aus den Erfahrungen lernen und dadurch auf der Seite des palästinensischen Volkes stehen wird. Die offene Organisationsstruktur und das kaum vorhandene politische “Screening” erhöht sicherlich die Anzahl der Aktivisten und dadurch den Spielraum des ISM, birgt aber gleichzeitig die Gefahr einer Unterwanderung der Organisation, was nicht so sehr für die internationalen Aktivisten wohl aber für Palästinenser und deren politische Organisationen, die in Kontakt mit dem ISM treten, tatsächlich gefährlich sein kann. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum Organisationen wie die Hamas oder PFLP sich fernhalten.
Elisabeth Lindner-Riegler