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Obamania

10. November 2008

Warum wir antiamerikanisch bleiben

Ein schwarzer Präsident in einem Land, das auf Sklaverei und Rassismus gegründet war, ist eine Sensation. Wir können die Freude und Genugtuung in den schwarzen Gettos von Harlem über Chicago bis New Orleans nur zu gut verstehen.

Von den europäischen Leitartiklern und Kommentatoren wird die Tatsache, dass es einer von außerhalb der WASP-Elite (White Anglo-Saxon Protestants) geschafft hat, Wahlmonarch zu werden, als Wiederherstellung und Bestätigung des amerikanischen Traums gefeiert. Der Alpdruck der Bush-Jahre sei bloß ein gescheiterter Irrweg gewesen, nun ausgestanden und das gute, liberale Amerika der unbegrenzten Möglichkeiten melde sich umso frischer und kräftiger zurück.

Es ist klar, dass es in den Unter- und Mittelschichten eine massive Unzufriedenheit mit dem antisozialen und kriegstreiberischen Kurs der Koalition aus protestantischen Fundamentalisten und Neokonservativen gab. Sie straften die Republikaner mittels Obama ab. Man darf sich davon aber nicht täuschen lassen: Die Mehrheit der weißen Stimmen ging nach wie vor an das clowneske Duo McCain-Palin.

Ein Moment der Anziehungskraft Amerikas ist das – angebliche – Fehlen formaler Ausschlusskriterien für den sozialen Aufstieg, für den Obama wie kein anderer beispielhaft zu sein scheint. Gesamtgesellschaftlich stimmt das zwar nur sehr beschränkt und galt vor allem für die weißen, europäischen Immigranten, doch es reichte allemal, um den Mythos aufrecht und wirksam zu erhalten.

Die Kehrseite dieses Liberalismus besteht in der Assimilation an die amerikanische Zivilreligion des Individuums, das sich durch den Markt verwirklicht. Politik im eigentlichen Sinn, als massenhaftes aktives Engagement für Selbstbestimmung gegen die kapitalistische Elite, wird dadurch denkunmöglich. Alles spielt sich im Rahmen des Wechsels zweier Eliteparteien ab, die, je ähnlicher ihr Programm wird, desto heftiger auf einander losgehen. Politik wird zur Show, zur Domäne der Schauspieler, zum billigen Populismus, alles zu versprechen und doch anstandslos zum Business as usual zurückzukehren, auf dass die Betrogenen nächstes Mal wieder die andere Partei wählen.

Der Preis für den Wahlsieg Obamas ist die völlige Anpassung an dieses System, die für alle, die nicht ihre Augen verschließen wollten, deutlich zu erkennen war. Die Macht bleibt beim Herrschaftsapparat der Eliten, so oder so. Da kann Obama zehnmal schwarz sein, denn das ist letztlich seine einzige oppositionelle Qualität.

Glaubt denn jemand ernsthaft, dass Obama die USA in einen Sozialstaat verwandeln kann oder will? Selbst ohne Rezession erscheint das als eine kaum denkbare Vorstellung. Das Maximum wird eine Reform des Gesundheitswesens sein. Aber weniger im Interesse der Unterschichten, als im Interesse der Großkonzerne, die schon die längste Zeit ihre Verpflichtungen für betriebliche Krankenkassen loswerden wollen.

Noch mehr in der Weltpolitik, denn die US-Administration maßt sich an, so etwas wie eine Weltregierung zu sein. Das American Empire wurde schon unter Clinton, damals noch maskiert als Menschenrechtsimperialismus, errichtet. Bush war dann gezwungen, dessen Aufrechterhaltung mit Feuer und Schwert als christlich-kapitalistischen Kreuzzug zu führen. Ob liberal oder konservativ, die Oligarchie denkt nicht eine Sekunde daran, auch nur ein Jota ihrer globalen Macht abzutreten, auch wenn sie in der Gestaltung der Form pragmatisch sein mag. Im Glauben an die “offenkundige Bestimmung” (manifest destiny) Amerikas sind sie allemal vereint.

Die Konflikte in der Welt mögen verschiedenste kulturelle Formen annehmen, doch der Kern ist überall der gleiche. Es geht um Selbstbestimmung gegen die USA als Führungsmacht des kapitalistischen Imperialismus. Wird Obama die Erdrosselung der Palästinenser lockern? Dem Iran die Rolle als Regionalmacht zugestehen? Afghanistan verlassen? Russlands Hinterhof respektieren? Die NATO-Erweiterung stoppen? Die negativen Antworten wurden von Obama größtenteils schon gegeben und wenn nicht, dann liegen sie auf der Hand.

Doch viele meinen, er würde zumindest aus dem Irak abziehen! Kann er das denn wirklich ohne substanziellen Einflussverlust? Wir wagen Zweifel anzumelden.

Obamas Personalentscheidungen sprechen für sich: Vize Joe Biden war Verfechter des Angriffs auf den Irak. Stabschef Rahm Emanuel hatte schon Bush attackiert, weil dieser zu nachgiebig gegenüber den Palästinensern gewesen sei. Als Verteidigungsminister ist der Jugoslawienkrieger Holbrooke im Gespräch, mit engen Beziehungen zu den Neokonservativen. Für Wirtschaft wird möglicherweise der greise Paul Volcker zuständig – Anfang der 80er Jahre als Chef der Notenbank einer der Architekten des Neoliberalismus. Oder Robert Rubin. Der hatte den Job schon unter Clinton und ist für die Deregulierung des Bankenwesens verantwortlich.

Der Widerstand der Entrechteten geht weiter und so ist der permanente Krieg der amerikanischen Weltherrschaft zur Notwendigkeit geworden – zur conditio sine qua non. Bushs extremistischer Amerikanismus biss sich am Widerstand die Zähne aus und verunsicherte die Verbündeten, die man nicht zu brauchen glaubte. Er endete als “lame duck”. Wer könnte besser geeignet sein, dem American Dream neue Glaubwürdigkeit zu verleihen, wenn nicht ein Schwarzer. Obama ist daher auch der bessere Kriegsherr.

Die europäischen Eliten sind jedenfalls hocherfreut, von den französischen Sozialisten bis Berlusconi. Mit Hinweis auf einen “braungebrannten” Präsidenten kann man proamerikanische Politik wieder besser verkaufen.

Wir bleiben dabei: Die Tür zur umfassenden menschlichen Selbstbestimmung wird mit dem Kampf gegen das Amerikanische Reich aufgestoßen, denn es ist die reale Organisationsform des zeitgenössischen Kapitalismus, dessen integraler Bestandteil auch die europäischen Eliten sind.

Antiimperialistische Koordination, Wien
Initiativ e.V., Duisburg
9. November 2008

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