1. Sieben Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise können wir beobachten wie die Europäische Union immer reaktionärer, volksfeindlicher und neoliberaler wird. Austerität scheint das gesamteuropäische Rezept zu sein, und niemand darf es in Frage zu stellen. Diese volksfeindliche Politik findet heute in der EU-Flagge und der Euro-Verfassung ihren Ausdruck. Dies ist nicht nur eine zufällige Richtung. Der Neoliberalismus, die Sparpolitik, die Erosion der sozialen Rechte, die Verschlechterung der Bedingungen in der Arbeitswelt sind tief in die Natur der EU eingeschrieben. Die Europäische Union stand im Mittelpunkt der globalen Krise und es zeigte sich noch einmal, dass sie sich nicht ändern, reformiert oder verbessert werden kann. Im Gegenteil, die Mitgliedstaaten der EU zwingen der Mehrheit ihrer Bevölkerung zunehmend eine härtere Politik zugunsten der Banken, der Konzerne und der Oligarchie auf. Die ‚Hoffnung‘ auf eine zukünftige Erholung und ein Ende der weltweiten Finanzkrise würde das Faktum verschleiern, dass die gesamte Politik der EZB Eurozone (Draghi’s Paket, Juncker’s Paket, der Fiskalpakt) das Problem nur und die Krise nur verschleppen, bis es zu einer noch ernsthafteren Krise mit drastischeren Folgen in den nächsten Jahren kommt.
2. Die amtlichen Zahlen zeigen einen Anstieg von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung. Soziale Ungleichheit nimmt zu. Bedingungen am Arbeitsplatz verschlechtern sich. Löhne stagnieren und in Wirklichkeit werden sie abgewertet. Demokratische Rechte werden eliminiert. Nationale Souveränität und Volkssouveränität verschwinden. Der Spalt zwischen der Führung der EU und ihrer Bevölkerung, die langsam sozial und finanziell zerstört wird, wird immer größer. In der heutigen Europäischen Union gibt es nichts mehr, das an das Erbe der europäischen Aufklärung, den Wohlfahrtsstaat, den sozialen Schutz, die liberale Demokratie, die Freundschaft und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern erinnert. Arbeiterklasse und europäische Nationen haben nichts zu verlieren, sondern sie haben schon viel verloren, und sie werden noch mehr verlieren, wenn sie sich weiter auf die katastrophale Sackgasse der EU verlassen.
3. Die grundsätzliche Politik der Europäischen Union ist die eines harten und restriktiven Neoliberalismus: Privatisierungen, Austerität, Deregulierung der Finanzmärkte, Angriffe auf die Werktätigen, Unterstützung des Kapitals, Unternehmensförderungen, Rückgang des öffentlichen Sektors und reduzierte Bereitstellung von Sozialleistungen. Diese Politik bildet den Kern der EU und ist reformresistent. Sie wird entweder mit oder ohne Konsens aufgezwungen: durch finanzielle Erpressung oder die permanente Bedrohung eines Staatsbankrotts. So etwas wie einen demokratischen Kontext von freiwilliger Zustimmung der nationalen Parlamente gibt es nicht mehr. Unter dem Vorwand der Nachhaltigkeit von Banken und um weiterhin als Teil der Euro-Zone akzeptiert zu werden, wird die Führung der EU die Völker Europas weiterhin erpressen, um sie im Schlachthaus der europäischen Integration zu halten.
4. Zusammen mit sozialen Ungleichheiten, erhöhen sich auch die Ungleichheiten zwischen den Nationen, zwischen leistungsstarken und schwachen Staaten. Staaten, die andere erpressen und Staaten, die erpresst werden prägen das Bild des heutigen Europa. Volkssouveränität wird ausgerottet und nationale Souveränität durch das supranationale Kapital untergraben. Das Ziel der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs führt zu einem Vernichtungsverfahren für die schwächeren Nationen. Verschiedenheit weicht der Konzentration. Die EU hat alle Merkmale einer imperialistischen Union: Gegensätze und Wettbewerb, soziale und nationale Unterdrückung, moderne finanzielle Mittel, die das Überleben des Stärkeren durchsetzen, strenge EU Vorschriften, die Brüsseler Bürokratie sowie die Europäische Zentralbank, die unabhängig von Regierungen und Parlamenten ist.
5. Der Euro ist das wesentliche Werkzeug für die Unterordnung der Staaten und Völker Europas. Er ist von Natur aus eine neoliberale Währung, da er auf den harten Kern der neoliberalen Vorschriften des Stabilitäts- und Wachstumspakt beruht. Wie die jüngste Staatsschuldenkrise gezeigt hat, bedeutet die Mitgliedschaft in der Eurozone, vor allem für die Peripheriestaaten der Union, die komplette Abtretung aller finanzpolitischen Werkzeuge an die Bürokratie aus Brüssel und die Diktatur der Banken. Der Euro ist also mehr als eine Währung. Er ist die institutionelle Verankerung des harten Kerns des Neoliberalismus in den Mitgliedsstaaten der Eurozone. Das Verbleiben in der Eurozone verlängert die soziale Sackgasse, erhöht die nationalen Ungleichheiten und zerstört gleichzeitig die Arbeiterklasse.
6. Das Fehlen einer Alternative bildet das zentrale Dogma der Europäischen Union. Sozialdemokratische und Arbeiterparteien nahmen bald die neoliberale Hegemonie an, die im Wesentlichen identisch ist mit jener der konservativen, rechten und christlich-demokratischen Parteien. Die Beteiligung der Kommunisten und radikalen Linken in solchen Regierungen erwiesen sich als katastrophal für die unteren Klassen, während zur gleichen Zeit die historische Kluft zwischen der Linken und der Rechten verwischt wurde. Der EU-Rahmen erlaubte nie eine politische Verschiebung zugunsten der sozial und ökonomisch schwachen Klassen. Zur gleichen Zeit wurde die EU und der Euro von Teilen der überwiegenden Mehrheit der radikalen und kommunistischen linken Parteien unterstützt, und damit der Weg für den Aufstieg der extremen Rechten und der populistischen und faschistoiden Parteien geebnet, die versucht haben, sich als vermeintliche Verteidiger der nationalen Unabhängigkeit und Würde gegen die soziale und wirtschaftliche Zerstörung der EU zu generieren. Diese Parteien sind auch diejenigen, die als Euroskeptiker erscheinen und sich kritisch gegenüber der europäischen Integration äußern. Damit ist ihr dramatischer Anstieg in den letzten Jahren zu erklären.
7. Der nicht verhandelbare europäische Politik der Austerität, die Finanzpolitik, das Primat des Marktes und dessen kapitalistische Interessen wurden deutlich im Fall der neuen griechischen Regierung demonstriert. Trotz der Aussagen Griechenland (und ganz Europa) weiter nach links zu bewegen, und obwohl sie für eine Anti-Sparpolitik gewählt wurde und eine Anti-Memorandum Plattform zur Beendigung der Sparmaßnahmen sein sollte hat die SYRIZA Regierung versucht, Kompromisse mit der EU zu machen. Sie akzeptiert die Kernprinzipien des Troika Sparprogramms mit Privatisierungen, Kürzungen bei Sozialleistungen und Löhnen und Erhöhung von indirekten Steuern, die die ärmsten Schichten treffen. Sie akzeptiert Budgethaushaltsüberschüsse, die die wirtschaftliche Depression verschlimmern und die Sparpolitik verschärfen. Gefangen in ihrem Glauben innerhalb der EU fortschrittliche Lösungen zu finden hat es die griechische Regierung verabsäumt, dieses europäische Regelwerk herauszufordern und für einen Austritt und eine Loslösung Griechenlands von der EU zu kämpfen und wurde dazu verurteilt der neoliberalen Politik zu folgen. Doch selbst die abgemilderte Version des Troika Sparprogramms war inakzeptabel für die EU. Die schwelende Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegen diese Kapitulationen zwang die SYRIZA Regierung die Verhandlungen vorerst platzen zu lassen und ein Referendum gegen die Troika Vorschläge auszurufen. Das Referendum stellt eine sehr wichtige Gelegenheit für ein massives NEIN, nicht nur gegen die Gläubigervorschläge, sondern auch gegen den Euro und gegen die EU dar und sendet eine Botschaft der Hoffnung und der Kampfbereitschaft nach ganz Europa.
8. Wir brauchen ein Programm für die Rechte der Völker, Menschen und der Arbeiterklasse:
I. Austritt aus der Eurozone, Kontrolle der Kapitalströme, Preiskontrollpolitik.
II. Radikale Umverteilung des Einkommens und des Wohlstandes zugunsten der Arbeiterklasse, Bauern und Mittelschicht und gegen das Großkapital.
III. Sozialwirtschaftliche Planung durch den Staat, produktiven Wiederaufbau, Verstaatlichung von Banken und strategischer Unternehmen. Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, sozialen Sicherheit, des öffentlichen Dienstes und der Umwelt.
IV. Rückgewinnung von Volkssouveränität und sozialer Souveränität. Abschaffung jeder Regulierung, Institution und aller Gesetze, die Menschen die Möglichkeit selbst zu entscheiden, nimmt.
V. Ablehnung und Annullierung der Staatsverschuldung.
VI. Nein zur TTIP Vereinbarung.
VII. Nein zur imperialistischen Politik der EU und der NATO gegen die Stimmen der eigenen Bevölkerung. Solidarität mit den kämpfenden Menschen im Donbass und in der Ukraine. Solidarität mit dem antiimperialistischen Kampf um die nationale Befreiung im Nahen Osten.
VIII. Verlassen der supranationalen Organisationen, die den neoliberalen Status quo aufrechterhalten wollen, wie NATO, IWF, Weltbank, WTO und natürlich die Europäische Union und die Euro-Zone.
9. Das Internationale Anti-EU-Forum, das in Athen stattfand, fühlt sich verpflichtet, weiter Koordinierungsinitiativen und -bestrebungen zwischen allen Bewegungen, Fronten, politischen Parteien und Organisationen, die gegen die Europäische Union kämpfen, zu fördern. Eine solche Initiative in den nächsten Monaten könnte in Richtung einer europaweiten Kampagne mit dem Titel „Die EU löst Europa auf – löst die EU auf“ arbeiten und entscheidende Schritte bei der nächsten Tagung des Internationalen Anti-EU-Forums, im Winter 2015/16 beinhalten.
28.6.2015