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Ein Unangenehmer in Stockholm

Zu Handke I


11. Oktober 2019
Von Elisabeth Gschaider

Jetzt bekommt also Handke den Literaturnobelpreis. Nach all den Anschuldigungen rund um den Jugoslawienkrieg, den Auseinandersetzungen mit seinem Verleger, den Nieder-nieder!-Rufen der selbsterklärten intellektuellen Elite.


Peter Handke wird in Griffen, Kärnten 1942 geboren. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich, der Vater aber ein Deutscher, der während des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten kam. Später verarbeitet er die schwierige Situation seiner Mutter im Nachkriegsösterreich in dem Roman „Wunschloses Unglück“, das etliche Schüler in den 1980er und 1990er Jahren auf der Literaturliste als anerkannte Lektüre für die Matura stehen hatten.

Handke beginnt nach dem Gymnasiumsabschluss ein Studium der Rechtswissenschaften, das er aber nicht beenden sollte, denn er hatte schon längst seine Wut gegen die Welt in Worte zu fassen begonnen. „Die Hornissen“ (1966) erscheint und stößt ebenso, wie die kurz darauf erscheinende „Publikumsbeschimpfung“, auf verstörte Leser. Als dann noch der Theaterrebell Claus Peymann das als unspielbar geltende Stück auf die Bühne bringt, fliegen die Fetzen. Und im Theaterhaus die Türen.

Dass Peter Handke nie etwas dazu beitrug, die Beschimpfungen und Verunglimpfungen, die er sich über die Medien, von etablierten Kollegen, allgemein von der als belesen geltenden Öffentlichkeit sagen lassen musste, trägt bis heute dazu bei, dass er als unangenehm und schwierig gilt.

Die Mittelbühne Theater Gruppe 80 hat sich Zeit ihres Bestehens um seine Theaterstücke angenommen. Bis im Wiener Stadtkulturrat Politiker auftauchten, die keine Subvention mehr geben wollten, für Aufführungen von Stücken, die kein Publikumsmagnet werden konnte.

In Wirklichkeit spielte aber wohl Peter Handkes Haltung beim Jugoslawienkrieg und Zerschlagung Jugoslawiens eine Rolle. Gerechtigkeit für Serbien, am 5./6. und 13./14. Januar 1996 vorab in der Süddeutschen Zeitung etwa, sorgte für Aufschrei quer durch die westliche Welt. Etablierte Medien müssen sich rechtfertigen, wenn sie mit Handke noch sprechen. Dieser wohnt inzwischen längst in Frankreich. Er gibt keine Interviews mehr. Nur mit seinem Verleger (Suhrkamp – S. Unfeld) führt er hitzige Debatten, denn auch der Verlag wird beschuldigt, einen rechten Hecken Möglichkeit für Veröffentlichungen zu geben.

Handke schreibt weiter, zum Bosnien-Krieg etwa „Eine winterliche Reise“ und zu Slowenien „Abschied des Träumers vom Neunten Land – Eine Wirklichkeit, die vergangen ist: Erinnerung an Slowenien“. 2009 erschien sein Buch „Die Kuckucke von Velika Hoca. Eine Nachschrift“, die von seiner Wanderung in der serbischen Enklave im südlichen Kosovo erzählt.

1998 fährt Handke das erste Mal zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und von dann an immer wieder und er veröffentlicht das Buch „Rund um das Große Tribunal“ 2003. Dass er sich mit Milosevic traf, dass er immer wieder für das Bestehen Jugoslawien sprach, das wird ihm immer wieder vorgeworfen.

Bekommen wird er den Nobelpreis aber sicherlich für seine in eigener Sprache, wie eben nur Handke schreiben kann, gehaltenen Romane und Essays über das Gehen, über das Gehen und Schreiben, über das Schauen, über das Sehen, das Ansehen und wirkliche Sehen. Immer an der Schnittstelle zur Philosophie vom Thema, aber vom Stil hohe Literatur. Für die einen eine Sprache, die wunderschön ist, für die anderen eben das Sprödeste und Schwierigste, was nur ein Einzelgänger – ja das ist Handke sicher – hervorbringen kann.

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