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Disziplinarstaat

Antifaschismus und Technofaschismus


13. April 2020
Von A.F.Reiterer

Eine überfällige Debatte über den Disziplinarstaat


Wir haben uns stets gegen den falschen und verlogenen Antifaschismus gewandt, wie er in sogenannten „linksliberalen“ Kreisen seit vielen Jahren im Schwang ist. Ja, er bildet ihre eigentliche politisch-weltanschauliche Grundlage. Dafür gibt es einige Gründe, und ebenso viele Gründe haben wir, uns dagegen zu stellen. Wir diskutieren schon deswegen ungern darüber, weil er die politische Aufmerksamkeit in die völlig falsche Richtung lenkt – und, wie wir vermuten, nicht einfach unabsichtlich. Es ist nur zu leicht, heute gegen die Folklore der Hitlerei anzugehen. Die inzwischen fast immer jungen „Altnazis“ sind in ihrer Hirnlosigkeit so bequeme Gegner. Und daneben entwickelt sich der autoritäre bürokratische Staat. Im Namen seiner „Rationalität“ schränkt er immer stärker jede politische Handlungsfähigkeit ein und macht politische Opposition zunehmend unmöglich.

Wir berufen uns in unserer Skepsis gegen diesen „Antifaschismus“ gern auch auf ein berühm­tes Diktum von Marx. Im „18. Brumaire“ hat er geschrieben: Wichtige Prozesse fänden oft zweimal statt, einmal als Tragödie, und einmal als Farce. Aber die Farce wird für das p. t. Publikum aufgeführt. Und daneben laufen Prozesse ab, die gar nicht so lustig sind.

Da beginnen unsere eigenen Probleme.

Denn wir tendieren dazu, bei diesem Farce-Charakter, auch des Neofaschismus und der Antifa, die durchaus ernsten Kontinuitäten zu übersehen. Denn politische Prozesse werden in ihren Abläufen selten ganz neu erfunden. Man greift auf gewohnte und bereits bewährte Abläufe zurück.

Am 28. Feber 1933 erließ der deutsche Reichspräsident eine Verordnung zum Schutze von Volk und Staat. Am 24. März 1933 folgte das Ermächtigungsgesetz, das zu einer wichtigen Grundlage für die endgültige Machtergreifung der Nazis wurde. Im Sommer kam dann der Einparteienstaat.

Über den Feber 1933 und ebenso den März sind wir bereits hinaus. Die SPÖ hat dem Ermäch­tigungsgesetz zugestimmt. Das erübrigt es auch, formell den Einparteienstaat einzuführen. Wenn die Opposition ohnehin mitmacht, wozu soll man sie verbieten? Damals hat ein SPD-ler gesagt: „Die SPD ist wehrlos aber nicht ehrlos.“ Das könnte er heute nicht mehr wiederholen.

Wir können die Analyse auch distanzierter und leidenschaftsloser angehen.

Inzwischen hat sich nämlich die politische Struktur geändert. Und da machen wir jetzt einen Exkurs zur Staatsentwicklung. Der Nationenaufbau brach die lokalen Reziprozitäten auf, wo sie noch bestanden. Er setzte vorerst aber nur die verallgemeinerte Ausbeutung an ihre Stelle. Es gab kein staatsbürgerliches Recht für die Unter- und Mittel­schichten, nur eine Untertanen-Pflicht. Erst mit dem Wohlfahrtsstaat der Zweiten Nachkriegs­zeit begann man den Anspruch des Nationalstaats, der „Nation“, in seiner bürgerlichen Variante zu realisieren. Nach einer Generation setzten aber bereits die Widerstände ein. Inzwischen gibt es einen Prozess des Abbaus, der gegenwärtig, mit der Corona-Krise eine ganz spezifische Form annimmt.

Wir weisen am besten auf „die Politik gegen Armut und Ausgrenzung“ zurück, welche den Bürokraten der EU und insbesondere auch den dort gelandeten Ex-Maoisten so lieb ist. Im Gegensatz zur Tendenz des Sozialstaats mit seiner Verallgemeinerung des kollektiven Kon­sums bis weit in die mittleren, ja sogar in die oberen Mittelschichten hinein ist es ein eiserner Grundsatz der EU als organisatorischer Vollstreckerin des Neoliberalismus: Die Grundlage unseres Systems muss besitzindividualistisch bleiben. Eine wichtige Folge ist: Wir müssen den öffentlichen Konsum zurückdrängen. Aber gleichzeitig wollen wir dafür sorgen, dass niemand verhungert und aus unserer so schönen neuen „Solidargemeinschaft“ ausgeschlossen ist. Aber dieses europäische Bürgerrecht auf Nichtverhungern hat auch entsprechende Pflichten für die so Versorgten zur Folge.

Die Hauptpflicht besteht in der Einordnung in die formierte Gesellschaft. Experten beschlie­ßen, was gut für Alle ist, und wie dies in der Politik konkret durchzuführen ist. Es gibt nun bestimmte Standards der Gesundheit und der Hygiene. Aber das sind keineswegs nur oder in erster Linie Rechte. Der Sanitärstaat meint es ganz und gar ernst. Es gibt noch immer Menschen, die einer allgemeinen Impfpflicht für Alles und Jedes misstrauisch gegenüber stehen? Nun, wir müssen sie eben im Guten oder im Bösen dazu bringen! Bislang versuchte man es mittels materieller Anreize. Aber auch diesen materiellen Anreizen haben manche widerstanden. Und daher ist jetzt der nächste Schritt fällig: Wir müssen sie dazu zwingen.

Hier liegt auch ein wichtiger Unterschied zwischen dem alten Hitler-Faschismus und dem neuen Disziplinarstaat. Damals wurden die „Asozialen“, ob Kinder oder auch Ältere, auf den Steinhof gebracht und nach einigen Experimenten abgespritzt. Das macht man heute nicht mehr. Das ist nicht human. Aber schleifen lassen werden wir dies in Hinkunft auch nicht mehr!

Und an diesem Punkt sind wir heute angelangt. Es ist ein allgemeines Disziplinierungs-Programm. Aber es geht gleichzeitig auch darum, alles, was die Regierung konkret beschließt, durchzudrücken. Sicher, es macht Schwierigkeiten. Noch immer wollen die Leute ins Freie fahren. Aber die Blockwart-Typen sind auch schon unterwegs. „Ich zeige Sie an!“ Das kann man gegenwärtig durchaus hören. Und nicht zu vergessen: Das ist deswegen ernst, weil die Polizei inzwischen die entsprechenden Befugnisse hat. Und die ist plötzlich dort, wo man sie bisher noch nie sah: Am Cobenzl fahren plötzlich Polizeiwägen herum. Auf den Parkplätzen des Kahlenberg-Dörfls steht ein polizeilicher biker und telefoniert – mit wem?

Ob das Wort Technofaschismus sehr glücklich ist, kann man durchaus fragen. Aber es hat den Vorteil, dass es die Aufmerksamkeit auf die bösartige Entwicklung lenkt.

AFR, 12. April 2020

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