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Sozialisten erstmals aufgrund der „Terror“Paragraphen § 278/282 vor Gericht

Gemeinsam Dämme setzen gegen die Kriminalisierung und justizielle Verfolgung der Linken in Österreich jetzt!


5. April 2018

Die im Zuge der „Terror“-Angstkampagne der vergangenen zwei Jahrzehnte eingeführten Paragraphen 278/282 sind – wie sich bereits im sog. Tierschützerprozess zeigte – brandgefährliche justizielle Geschütze der Einschränkung der Meinungsfreiheit und der Kriminalisierung linker Oppositioneller.


Nun gibt es eine neue Anklage, diesmal gegen Aktivistinnen und Aktivisten des seit 2004 offiziell registrierten wie tätigen türkisch-linken Vereins „Anatolische Föderation Österreich“.

In offensichtlicher willfähriger Auftragsarbeit für das türkische Erdoğan-Regime sowie als gleichzeitiges Pilotverfahren gegen Linke wie kämpferische migrantische Strukturen in Österreich hat die Staatsanwaltschaft Wien einen „Terrorprozess“ nach § 278 und § 282 gegen fünf Vorstandmitglieder und einen zusätzlichen Vereinsaktivisten der „Anatolischen Föderation“ eingeleitet. Gegen neun weitere Personen werden zurzeit zudem jeweils weitere, abgesonderte Ermittlungen geführt.

Der Vorwurf: Sie sollen mutmaßliche Mitglieder resp. SympathisantInnen der – in der Türkei verbotenen und auch in die sog. EU-„Terrorliste“ Eingang gefunden habenden – türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) sein – und vermeintlich in deren Sinne wirken. Irgendwelche konkreten Gewalttaten werden den in Österreich allesamt unbescholtenen Sozialisten nicht vorgeworfen. Was aufgrund der besonderen Konstruktion der Strafrechtsparagraphen 278 und 282 StGB auch nicht von Nöten ist.

Alleine die politische Zurechnung zur inkriminierten Organisation (beginnend mit dem Vorwurf der „Gutheißung“ terroristischer Straftaten) reicht dieser neuen justiziellen Allzweckwaffe aus, um an sich völlig legale politische Tätigkeiten (vom Vertrieb von Publikationen bis hin zum Organisieren von Veranstaltungen) unter Strafe zu stellen.

Entsprechend führt die Anklageschrift denn auch vorrangig „Delikte“ wie den Verkauf der in Österreich nicht verbotenen Wochenzeitung „YÜRÜYÜS“ sowie die Veranstaltung, Bewerbung bzw. den Ticketverkauf für Konzerte der bekannten und beliebten türkischen Protestband „GRUP YORUM“ an. Diese, auch in Westeuropa sehr populäre Stimme der linken Opposition in der Türkei, wird dabei – gleich dem seitens der Machthaber und Sicherheitsbehörden in der Türkei über sie verhängten Verdikt – taxfrei als DHKP-C-nahe eingestuft bzw. dieser zugerechnet. Die seit ihrer Gründung vom türkischen Staat verfolgte Protestband schafft es mit ihrer Musik und ihren politischen Songtexten zeit ihres Bestehens, breiteste Massen zu erreichen und ganze Stadien zu füllen. Daher ist sie dem türkischen Staat seit jeher ein Dorn im Auge. Immer wieder haben türkische Behörden deshalb Mitglieder der Gruppe verhaftet, eingesperrt und gefoltert. Auftritte und Alben wurden verboten und beständig versucht, die Band zu kriminalisieren. In gleicher Manier und Logik legen nun auch die österreichischen Behörden die schlichte Organisierung bzw. Bewerbung von Konzerten der Musikgruppe Grup Yorum als Unterstützung der Guerillaaktion der DHKP-C in der Türkei aus. Um die Anklage zu untermauern, die „Anatolische Föderation Österreich“ fungiere sonach in Wirklichkeit als „legaler Arm“ der Volksbefreiungspartei-Front, muss selbst ein Fußballturnier herhalten, auf dem auch Speisen und Getränke angeboten wurden, und dessen Erlös im Anschluss vom BVT abgeschätzt wurde.

Daneben stützt sich die Staatsanwaltschaft als „Beweis“ ihrer Anklage auf breitem Raum dem Gedenken an von türkischen Streitkräften oder Polizeieinheiten Getöteten. Darunter etwa der Erinnerung des im Zuge des Militärputsches 1971 in den Untergrund gegangenen und Anfang 1972 in einem Feuergefecht von türkischen Einsatzkräften getöteten antifaschistischen Militanten und in der türkischen Linken von einem breiteren Spektrum bedachten Mahir Çayan.

Analog dem – ursprünglich auf die „Sozialistengesetze“ Bismarcks der Kaiserzeit zurückgehende und seither mehrfach modifizierte – berüchtigten deutschen „Terrorismus“-Paragraphen 129 a/b, der seit den 1990er Jahren zu einer schieren Flut an Prozessen gegen Linke unterschiedlicher Couleur geführt hat, scheint mit dem Verfahren gegen die „Anatolische Föderation“ nun auch in Österreich ein Pilotprozess gegen Sozialisten und linke, kämpferische migrantische Strukturen eröffnet zu werden. Auch in Deutschland bildeten dabei die sog. DHKP-C-Prozesse einen maßgeblichen Auftakt und Einstieg von Polit-Prozessen gegen Linke. In ihrem Zuge wurden in den vergangenen Jahren zum einen eine Reihe Funktionäre der in Deutschland ebenfalls legalen Anatolischen Föderation zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und parallel eine Vielzahl an Prozessen gegen andere Organisationen eröffnet, die in nicht minder langjährigen Haftstrafen endeten. Die Prozesse gegen türkische und kurdische AktivistInnen stützten sich in ihren Ermittlungsakten dabei, neben nicht oder kaum überprüfbare Hinweise des Verfassungsschutzes oder von V-Leuten bzw. vagen Mutmaßungen sowie der besonderen Konstruktion der „Terror“-Paragraphen überwiegend auf Akten (darunter nachweislich unter Folter zu Protokoll gegebenen Aussagen) türkischer Behörden, deren Verfasser im Land am Bosporus zwischenzeitlich vielfach selbst in Haft sitzen oder als vermeintliche Gülen-Anhänger untergetaucht sind und in der Türkei ihrerseits als „Terroristen“ verfolgt werden. Was allerdings etwa für die deutsche Justiz „kein Anlass“ ist, „an der Zuverlässigkeit der durch die türkischen Behörden übermittelten Erkenntnissse zu zweifeln“.

Nun soll mittels der §§ 278/282 sichtlich auch in Österreich die Berichterstattung und Kommentierung der politischen Auseinandersetzungen in der Türkei kriminalisiert werden.

Wir dürfen nicht zulassen, dass der lange Arm des türkischen Staates und Terror-Regimes sich nun auch noch der österreichischen Justiz als willfährigem Instrument bedient.

Und wir müssen gemeinsam Dämme setzen gegen den voranschreitenden Aus- und Aufbau des hiesigen Überwachungsstaates und der zunehmenden Kriminalisierung der Linken sowie einer grundsätzlichen Opposition gegen die herrschenden ökonomischen und politischen Eliten im Land.

Solidaritätskomitee Anatolische Föderation (vorläufiger Name)

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