Dort, wo die Diktatoren gestürzt wurden, bewegt Saudi-Arabien seine Salafiten, die nach jahrelangen Aufrufen zu „Gehorsam“ nun auf der Straße gegen Demokratie und zivilen Staat demonstrieren.
Doch die Erde, die für die Theologen des Saudi-Regimes immer noch eine Scheibe ist, dreht sich, und auch auf der Arabischen Halbinsel ist die Veränderung nicht mehr aufzuhalten.
Saleh verlässt Jemen
Nach monatelangen friedlichen Protesten in Jemen ist es endlich so weit: Saleh verließ am Samstagabend 4. Juni das Land in Richtung Saudi-Arabien. Saleh, der Artillerie gegen seine Hauptstadt einsetzte, wurde selbst bei einem Granatenangriff getroffen. Nun dürfte er zu den saudischen Nachbarn zur Behandlung geflogen sein. Seine Männer betonen zwar seine baldige Rückkehr, jedoch deuten die Feiern im Jemen sowie der in Kraft getretene Waffenstillstand auf eine Wende im langwierigen Konflikt hin.
Seit Monaten finden im Jemen gewaltlose Demonstrationen statt, die den Abgang von Saleh fordern. Die zunehmende Gewalt seitens des Regimes führte zu einer Spaltung der Armee, als Teile sich weigerten, gegen Demonstranten vorzugehen. General Ali Mohsen Al-Ahmar befahl seinen Soldaten, die Demonstranten zu beschützen.
Die tribale Mobilisierung des engen Klans Salehs rief Gegenmobilisierungen hervor. Bevor die Lage zugunsten der Massenbewegung eskaliert, intervenierte das Saudi-Regime und erzwang ein Abkommen zwischen Oppositionskräften und Regime. Laut diesem Abkommen, soll Saleh die Macht organisiert abgeben und Immunität gegen juristische Verfolgung genießen. Das Abkommen wurde nicht nur von der Massenbewegung weitgehend abgelehnt, sondern schlussendlich von Saleh selbst, der sich in der letzten Minute weigerte, es zu unterschreiben.
Ausschlaggebend war der Übergang von Sadeq Al-Ahmar, Anführers des Ahmar-Klans zur Opposition. Al-Ahmar ist der Oberklan, zu welchem auch Salehs Klan (Hasched) gehört. Sie waren die wichtigsten Verbündete Salehs seit seiner Machtübernahme 1978. Die Beziehungen zu Al-Ahmar verschlechterten sich wegen den Bemühungen Salehs, die Macht an seinen Sohn zu vererben.
Den von Al-Ahmar befehligten Teilen der Armee stand die Saleh-treue republikanische Garde gegenüber, die direkt von Ahmad, Salehs Sohn befehligt wird. Als tribale Kämpfer von Al-Ahmar und anderen Klans nach Sanaa marschierten, setzte Salehs republikanische Garde schwere Geschütze ein.
Somit nahm der Konflikt eine militärische Wende, die mit der Verletzung Salehs endete. Beim selben Bombentreffer wurden mehrere Mitglieder seines Regimes außer Gefecht gesetzt.
Wie seine Kollegen Ben Ali und Mubarak verliert Saleh allmählich seine Nützlichkeit für den Westen und wird stattdessen zur Last. Die Saudis taten ihr Bestes, um ihn an der Macht zu halten. Nun fängt die Suche nach einem neuen Instrument an.
Bahrain: neue Protestwelle
In Bahrain, wo diese Woche der offizielle Ausnahmezustand ablaufen soll, kam es erneut zu Protesten. Dutzende Personen wurden verletzt, als am Freitag tausende Demonstranten versuchten den Perlenplatz zu erreichen. Der Platz selbst wurde nach der Zerschlagung der Bewegung im vorigen März abgerissen und in „Al-Faruq“ Platz umbenannt. Eine Demonstrantin starb an Erstickung durch Tränengas.
Die Protestierende fordern erneut politische Reformen, die Freilassung der politischen Gefangenen, die Abschaffung der Todesstrafen und den Abzug der saudischen Truppen von der Insel.
Das bahrainische Regime, das nach der Niederschlagung der Protestbewegung den Dialog mit der Opposition sucht, bemüht sich gleichzeitig um eine permanente Präsenz der saudischen Truppen im Land.
Soldaten aus dem Club der Monarchen oder Black Water-Söldner?
Auch in Saudi-Arabien und Oman fanden ersten Protestaktionen statt und wurden mit ähnlicher Gewalt wie in Bahrain unterdrückt. Das Saudi-Regime, das die regionale Entwicklung beunruhigt verfolgt, versucht entgegenzukommen. Einerseits werden in „königlichen Gesten“ ständig Sozialleistungen verkündet und Reformversprechungen gemacht. Andrerseits überraschte der Kooperationsrat der Golfstaaten (ein wirtschaftliches, politisches und militärisches Bündnis der arabischen Ölmonarchien am Golf) Jordanien und Marokko, die übrigen arabischen Monarchien, mit einer Einladung, sich dem Bündnis einzuschließen. Jordanien, dem dieses Bündnis freie Einreise, offene Märkte und Arbeitsplätze bedeutet, begrüßte sofort den Beitritt. Der überraschte marokkanische König bedankte sich höflich für die Einladung.
Die Einladung Jordaniens zu diesem sehr exklusiven Staatenklub kann nur als ein Versuch, das jordanische Regime vor einem Sturz durch die soziale Krise im Land zu retten, gewertet werden. Andererseits würde dieser Beitritt einen militärischer Preis haben: Die gut trainierte professionelle Armee Jordaniens stünde im Dienste der kleinen Ölmonarchien, die sonst auf ausländische Söldner angewiesen sind. Der jordanische Geheimdienst gilt als einer der effizientesten im Arabischen Raum und verfügt durch die jordanischen Emigranten im Golf über ein intaktes Netzwerk. Jordanische Militärberater und die standen sowohl dem ehemaligen König von Jemen als auch dem jetzige Sultan von Oman bei der Niederschlagung der bewaffneten Opposition in den Sechzigern bzw. Siebzigern zur Seite.
Eine weitere interessante Entwicklung ist das Engagement von Black Water, eine Spezialtruppe von 800 Söldnern in den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE) aufzubauen. Black Water wurde durch die Menschenrechtsverletzungen ihrer Söldner im Irak weltweit bekannt. In den UAE operiert sie unter dem Namen R2. Laut einem Bericht von New York Times wurden diese vom Emirat Abu-Dhabi angestellt, was vom Regime nicht dementiert wurde. Sie sollen das Regime vor einem möglichen iranischen Angriff sowie vor einer Volksrevolte beschützen.