Aufruf zum feministischen Systemwechsel von unten

11.12.2021
Autonome Feministinnen
statt Gesundheitskrise im Ausnahmezustand
Emma Roth, Aktivistin des Frauenzentrums (Z)

Die aktuelle Gesundheitskrise, verbunden mit einem sozialen und politischen Ausnahmezustand - als Corona-Krise bezeichnet - ist Bestandteil einer ökonomischen UND umfassenden ökologischen Krise. Sie sind Teil des patriarchalen, kapitalistischen Systems, das auf rassistischer, sexistischer und klassistischer Ausbeutung beruht.

All diese Krisen treffen Frauen als Gering-Verdienende härter. Bereits 2010 war in Österreich das Gesamteinkommen (also nicht nur der Lohnunterschied/Gender Gap) von Frauen um 44,9% geringer als das der Männer. Für Gering-Verdienende und Prekär-Beschäftigte sind Kurzarbeit, Kündigung, Jobverlust, steigende Inflation und unbezahlbare Mie-ten existenzbedrohend. Die Politik der Angst verursacht Verunsicherung und Spaltung. Ausgangssperren produzieren Isolation und Lebensängste. Diese Lebensrealitäten verstärken die ohnehin schon massiven Angriffe gegen Frauen, strukturell und unmittelbar. Die Brutalität zeigt sich u.a. in den 30 Morden und über 40 Mordversuchen an Frauen, allein in diesem Jahr - fast alle begangen von Ex-Partnern.

 

Autoritäre Politik der Regierung und soziale Ausgrenzung

Die autoritäre Politik der Regierung setzt auf Spaltung und soziale Ausgrenzung - aktuell gegen sogenannte Ungeimpfte. Sie wird sich zukünftig auch gegen jene richten, die sich nicht in immer kürzer werdenden Abständen impfen lassen wollen. Geimpft zu sein bedeutet nicht automatisch die autoritäre Politik mitzutragen. Nicht geimpft zu sein bedeutet nicht automatisch gegen jede Impfung zu sein und schon gar nicht unsolidarisch, rücksichtslos oder unwissend zu sein. Die Spaltung zwischen „Geimpften“ und „Ungeimpften“ soll eine gemeinsame Kraft für eine Kritik an der autoritären, neoliberalen Politik verhindern.

Die aktuelle Ausgrenzung von sogenannten Ungeimpften ist untragbar, aber es ist trotzdem unhaltbar, sich jetzt einen gelben Stern anzuheften oder den sozialen Ausschluss mit rassistischer Apartheitspolitik oder Völkermord zu vergleichen. Es ist respektlos gegenüber den Opfern des Holocaust und den Opfern von rassistischen und kolonialistischen Kriegen. Wir stellen uns gegen die Propaganda der organisierten Rechten, von der FPÖ bis zu den Identitären und anderen Nationalisten und Neofaschisten, die Proteste vereinnahmen wollen und mit rassistischer Ideologie und Hetze verbinden. Die Österreich-Fahnen sehen wir als Bestanteil des rassistischen Systems.

Wir solidarisieren uns bedingungslos mit den geflüchteten Menschen am Weg und an den Grenzen.

 

Neoliberale Umstrukturierung und digitale Erfassung der Bevölkerung

Die aktuellen Maßnahmen dienen der neo-liberalen Umstrukturierung unserer Gesellschaft. Diese bedeuten Individualisierung und Abbau sozialer und politischer Rechte. Verbunden damit ist eine umfassende staatlich organisierte digitale Erfassung der Bevölkerung mittels QR-Code und so-genanntem „Grünen Pass“. Die Erfassung, Weitergabe und Verknüpfung dieser Daten bestimmen schon jetzt, wozu du Zugang bekommst oder nicht. Mit der eingeführten 2G Regel und dem „Lockdown für Ungeimpfte“ werden in Österreich aktuell ca. 2 Millionen Menschen im Namen der Gesundheit vom sozialen, kulturellen und politischen Leben ausgeschlossen!

Weiters werden Maßnahmen diskutiert, bei denen ein Impfstatus entscheiden soll, ob du dir nahestende Menschen im Krankenhaus besuchen oder beim Sterbeprozess begleiten darfst. Erwerbstätige sollen aufgrund eines Impfstatus ihre Arbeit verlieren, ArztInnen ihre Zulassung, Erwerbslose ihr Arbeitslosengeld, kranke Menschen ihr Krankengeld; und Menschen sollen von Universitäten ausgeschlossen werden.

Das trifft uns alle! Und wir sollen uns daran freiwillig und als TürsteherInnen beteiligen.

Machen wir da nicht mit!

Ein 2-Klassen-System in der medizinischen Versorgung existiert bereits – wer mehr Geld hat, kann sich eine bessere und umfassendere medizinische Versorgung leisten. Wer PrivatärztInnen zahlen kann wird schneller behandelt oder operiert. Diese Auswahl, wer zuerst behandelt wird, aktuell als „Triage“ bezeichnet, ist schon lange Realität. Jetzt soll dies skrupellos erweitert werden, indem Ungeimpfte für die Behandlung auf der Intensivstation einen Selbstbehalt bezahlen sollen.

 

Das profitorientierte Gesundheitssystem mit unzumutbaren Arbeitsbedingungen

Das profitorientierte Gesundheitssystem produziert unzumutbare Arbeitsbedingungen, Ausbeutung, permanente Überlastung für die Arbeitenden im Gesundheitswesen. UND der unbezahlten Versorgearbeit von Kindern, Kranken und Pflegebedürftigen zu Hause.

Es sind Arbeitsbereiche, in denen mehrheitlich Frauen, davon viele Migrantinnen arbeiten. Diese Ausbeutung und Überbelastung basiert auch auf sexistischer Politik, die schon allzu lange die Arbeitsbereiche, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten, geringer entlohnt.

Wir schließen uns den Forderungen der 24-Stunden-BetreuerInnen an, die reguläre Anstellungen fordern, statt als Schein-Selbstständige unter dem Kollektivvertrag arbeiten zu müssen!

 

Einsparungen im Gesundheitswesen

Die neoliberalen Einsparungen im Gesundheitswesen der letzten 10 Jahre führten zu massivem Personalabbau, dem Abbau von Intensivbetten, zu Schließungen ganzer Krankenhäuser und Einsparungen in Pflege-und Altenheimen.

Der aktuelle Personalmangel wird durch Quarantäne-Maßnahmen verstärkt und durch den erhöhten Arbeitsaufwand der notwendige Schutzmaßnahmen verschärft.

Diese Arbeitsbedingungen sind unzumutbar und machen krank.
 
Erkämpfen wir endlich bessere Arbeitsbedingungen! Es braucht Personalerhöhung, Arbeitsverkürzung und besserer Bezahlung.
 
Setzen wir uns für den AUSBAU einer umfassenden Gesundheitsversorgung mit einer SOZIALEN Medizin ein, die Arbeits- und Lebensverhältnisse miteinbezieht und auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist!
 
 
Pharmakonzerne, Patente und genmanipulative Verfahren in der Medizin
 
Unser derzeitiges Gesundheitswesen setzt vor allem auf MedizinTECHNIK und auf Pharmakonzerne. Die Profite der Pharmafirmen fußen auf gewinnbringenden Patenten. Sie puschen derzeit die - nur bedingt zugelassenen - mRNA-Impfstoffe und damit die flächendeckende Durchsetzung genmanipulativer Verfahren für die Arzneimittelproduktion in der Medizin.
 
Die Regierung erklärt uns tagtäglich, dass diese Impfungen der alternativlose Weg aus der Pandemie seien. Durch die Verträge mit den Pharmakonzernen wird die Verantwortung für mögliche Nebenwirkungen der Impfung auf die Regierung übertragen. Und die Regierung setzt diesen Weg mit Geldangeboten, mit „Impf-Lotterien“, mit immer mehr Druck und Ausgrenzung bis hin zur Impfpflicht durch. Lassen wir das nicht zu!
 
 
Wissenschaftskritik und Verständnisse einer ganzheitlichen Medizin.
 
Kritik daran wird als Wissenschaftsfeindlichkeit bezeichnet. Wissenschaft war nie wertneutral. Wissenschaft ist immer damit verbunden welche Zusammenhänge betrachtet werden und wessen Interessen sie dienen soll!
 
Warum werden uns alltäglich Zahlen von Neuinfektionen, Krankenhausaufenthalten und Sterbefällen AUSSCHLIESLICH in Zusammenhang mit Covid19 präsentiert?
 
Warum gibt es bei Covid19 KEINE Diskussion um Vorsorgemedizin und Behandlungsmethoden?
Warum gibt es, wenn wir die sogenannte „Corona-Krise“ als Pandemie und weltweiten Notfall betrachten, Patente auf Impfstoffe, statt einen Zugang zu Medizin für alle?
 
Warum gibt es in vielen Ländern bis heute keinen Zugang zu den Impfstoffen?
 
Warum reicht das Verständnis eines weltweiten Notfalls nur soweit, dass reiche Industrieländer ärmeren Ländern nur Impfstoffe geben, die im eigenen Land nicht mehr verimpft werden sollen, oder die kurz vor dem Ablaufdatum stehen?
 
Warum wird das Wissen und die Erfahrungen anderer medizinischer Verständnisse, u.a. innerhalb der „westlichen“ Medizin, der TCM oder weltweiten Pflanzenheilkunde als „vernebelte Esoterik“ vom Tisch gewischt und unterbunden?
 
Die Alternativmedizin der linken Bewegung und die feministische Gesundheitsbewegung seit den 70er Jahre haben sich intensiv mit dem Verhältnis von Gesundheit und Krankheit auseinandergesetzt und ein umfassendes Gesundheitsverständnis mit Kritik an kapitalistischen und patriarchalen Verhältnissen entwickelt.
 
Die autonome Frauenbewegung hat in den 80er Jahren grundlegende Kritik an der Gentechnologie erarbeitet, die auch die Humangenetik, Reproduktionstechnologien und Bevölkerungspolitik, und die Erforschung von Biowaffen umfasst. Sie haben die Ausbeutung angeklagt und angegriffen.
 
Weltweit kämpfen Kleinbäuerinnen und - bauern und indigene Gemeinschaften gegen Saatgut- und Gentechnikkonzerne wie z.B. Monsanto/Bayer und deren zerstörerischen Machenschaften. Und sie kämpfen gegen die sogenannten „Freihandelsabkommen“, die diese neoliberalen, kolonialen und imperialistischen Wirtschaftsinteressen durchsetzen.
 
 
Profitorientierte Wirtschaftsinteressen
 
Diese profitorientierten Wirtschaftsinteressen, also der Kapitalismus selbst, werden mitgetragen von einer industriellen Landwirtschaft und Tierindustrie und einer industrialisierten Medizin, die alle zusammen nur an Gewinne durch Optimierung und Leistungssteigerung denken.
 
Wenn wir das nicht ändern, produzieren wir mehr multiresistente Keime, Krankheiten, Epidemien und ökologische Krisen. Neue Erkrankungen, wie aktuell Covid19, werden dann nicht die letzten sein, einhergehend mit sozialen und ökonomischen Krisen.
 
Wir sind keine biologischen Maschinen - wir sind komplexe Wesen, eingebettet in vernetzte ökologische Kreisläufe. Diese Krise zeigt einmal mehr, dass ALLE und ALLES miteinander verbunden ist.


 
Das Verständnis von „Buen vivir“ / „Gutes Leben“
 
Das Verständnis von „Buen vivir“, ein „Gutes Leben“, das in der Weltanschauung indigener Gemeinschaften wurzelt und hier insbesondere aus Lateinamerika/Abya Yala bekannt ist, geht vom Zusammenleben aller Beteiligter einer Gemeinschaft aus. Zur Gemeinschaft gehören jedoch nicht nur ALLE Menschen sondern AUCH Tiere, Pflanzen, Berge, Flüsse und die Erde als Planet selbst in ihrem Tun und Werden. Sie verändert sich, genauso wie wir als Menschen uns mit ihr verändern. Was aktuell im Erkennen der Krise des menschengemachten Klimawandels weltweit sichtbar wird.
 
Wir wollen dieses patriarchale, neoliberale und kapitalistische System nicht weiter stützen. Wir müssen es überwinden!
 
Wir lassen uns dabei nicht spalten und aufeinander hetzen. Erweitern wir unsere Kritikfähigkeit. Lernen wir zu streiten und uns zuzuhören, um voneinander zu lernen.
 
Wir brauchen dafür die Perspektive einer feministischen Ökonomie, die bezahlte und unbezahlte Versorgungsarbeit im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich als GRUNDLAGE für eine soziale und solidarische Gesellschaft betrachtet - für einen ökonomischen Systemwechsel!
 
Wir brauchen die Arbeitskämpfe und die Solidarität mit den Arbeitskämpfen – im Gesundheitsbereich, in der Pflege, im Bildungs-und Sozialbereich, im Handel u.a.m. – für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen!
 
Wir brauchen ein umfassendes Verständnis von Krankheit und Gesundheit, eine SOZIALE Medizin, die Arbeits- und Lebensverhältnisse als Ursachen und Grundlagen mitdenkt und die ökologische Kreisläufe verstehen will, aus denen wir bestehen und von denen wir Teil sind.
 
Feministischer Systemwechsel statt Ausgrenzung – ob im sozialen Leben oder an den Grenzen.
 
Feministischer Systemwechsel statt Vergewaltigung und Frauenmord. Feministischer Systemwechsel statt Gesundheitskrise und sozialer und politischer Ausnahmezustand.
 
Mit antiautoritären und antifaschistischen Grüßen und mit feministischen Zorn Autonome Feministinnen, Wien Dezember 2021